Kommentar 2. Bundesliga: Schalke ist mehr klein als groß

Der FC Schalke hat eine großartige Geschichte. Doch die kann erdrückend sein. Der Club muss sich ein Stück weit neu erfinden, meint Marc Stevermüer

Veröffentlicht
Kommentar von
Marc Stevermüer
Lesedauer

Mannheim. Der FC Schalke ist ein großer und kleiner Verein zugleich. Was sich logischerweise widerspricht – aber diesen Club der Extreme auch recht treffend beschreibt. Vielleicht sogar typisch für ihn ist. Denn so richtig erklären kann man diese Schalker nicht. Sie sind ein Mythos und ein Mysterium. Und bisweilen auch irgendwie ein Martyrium. Denn sie lassen einen stets staunend bis bewundernd, vor allem aber auch ratlos bis (ver)zweifelnd zurück. Auch in dieser Saison.

Auf Augenhöhe mit Ulm und Münster

Im Schnitt besuchen mehr als 60 000 Fans die Heimspiele der Königsblauen. Wohlgemerkt in der 2. Liga. Das ist eine beeindruckende Zahl, deren ganze Wirkung sich insbesondere bei einem internationalen Vergleich erschließt. Mehr als eine Million Menschen pilgerten in der vergangenen Saison in die Arena auf Schalke – nur 13 Clubs in ganz Europa begrüßten im Ligabetrieb mehr Zuschauer. Mit 186 000 Mitgliedern sind die Knappen außerdem der drittgrößte Fußballverein Deutschlands. Kurzum: Dieser Club ist Kult, ein Magnet für die Massen. Und eine Marke. Aufgrund seiner Geschichte. Und seiner Tradition.

Doch all das garantiert keinen Erfolg in der Gegenwart, wie die Schalker gerade wieder einmal selbst leidvoll erleben. Der Ruhrpott-Club befindet sich im Zweitliga-Abstiegskampf. Auf Augenhöhe mit Preußen Münster und dem SSV Ulm. Ein Duo, das vor eineinhalb Jahren noch in der Regionalliga kickte und zeigt, wie man aus wenig viel machen kann. Wozu übrigens längst auch die Schalker gezwungen sind.

Mehr zum Thema

Glosse" Übrigens" Fred Fuchs ist vom "Mannheimer Morgen" - und nicht vom SV Waldhof

Veröffentlicht
Kommentar von
Florian Karlein
Mehr erfahren

Aufgrund des Misserfolgs der vergangenen Jahre wurden die Königsblauen von vermeintlich kleineren Vereinen nicht nur überholt, sondern schlichtweg abgehängt. Um das zu verstehen, reichen ein paar Fakten. Schalke kassiert in dieser Saison 17 Millionen Euro an Fernsehgeldern. Zum Vergleich: Der SC Freiburg bekommt 71 Millionen Euro, Union Berlin 69 Millionen Euro, 1899 Hoffenheim 65 Millionen Euro. Das ist eine andere Dimension. Und nur noch sehr schwer aufzuholen. Erst recht, wenn wie bei Schalke in der vergangenen Saison der direkte Wiederaufstieg ausbleibt. Was die Lage auch in emotionaler Hinsicht dramatisch verschlechtert.

Die Wucht des Vereins kann erdrückend sein

Denn das eigene Selbstverständnis passt in Gelsenkirchen mal so gar nicht mehr zur tristen Realität. In Krisenzeiten wie diesen wirken noch dazu die große Tradition, die gigantische Wucht der Fanbasis und die ruhmreiche Geschichte wie ein Ballast. Andere Traditionsvereine sind in der Vergangenheit unter diesem irren Gewicht zerbrochen. Man denke nur an den TSV 1860 München, der mit etlichen Personalwechseln versuchte, die Wende zu erzwingen – und mit jedem neuen Trainer oder Sportdirektor den Niedergang beschleunigte. Ähnlich erging es dem 1. FC Kaiserslautern, der fast in die Regionalliga abstürzte und Jahre brauchte, um zumindest wieder in der 2. Liga zu spielen.

Den Schalkern droht ein ähnliches Schicksal. Es sei denn, sie nehmen ihre neue Rolle mit Überzeugung und entsprechend glaubhaft an. Sportlich und wirtschaftlich ist der einstige Champions-League-Teilnehmer mittlerweile ein kleiner Verein. Das klingt hart. Es ist aber auch eine Chance.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

VG WORT Zählmarke