40 Jahre Olympische Spiele in Los Angeles

Fechten: „Ich war wie ,high’, alles war so unwirklich“

Bischemer Legenden erinnern sich zurück an große Erfolge und sprechen vom Beginn der „Hoch-Zeit“ dieser Sportart

Von 
Klaus T. Mende
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Wie doch die Zeit vergeht – vier Jahrzehnte sind mittlerweile die großen Erfolge der Bischemer Fechter bei Olympia 1984 in Los Angeles her. Für Volker Fischer und Matthias Behr (sitzend von links) sowie Elmar Borrmann, Alexander Pusch, Rafael Nickel und Zita Funkenhauser (stehend von links) ein Grund, anzustoßen – und in glorreichen Zeiten zu schwelgen. © Klaus T. Mende

Von der einstigen Medaillenschmiede auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit? Der Deutsche Fechter-Bund (DFeB) hat international seine sportliche Talfahrt ungebremst fortgesetzt – zwei Aktive bei Olympia in Paris können nicht der Anspruch der Verantwortlichen sein. Und dennoch gibt es Athleten, die während der Spiele Grund zum Feiern hatten. Denn es ist fast auf den Tag vier Jahrzehnte her, seitdem die Bischemer Aktiven bei Olympia in Los Angeles 1984 die Basis dafür gelegt haben, dass Deutschland in den folgenden gut 25 Jahren weltweit mit das Nonplusultra war. Für Alexander Pusch, Elmar Borrmann, Rafael Nickel, Volker Fischer, Matthias Behr und Zita Funkenhauser Anlass genug, um darauf anzustoßen – und mit dem FN-Reporter auf glorreiche Zeiten zurückzublicken.

Nicht zu vergleichen

„Alle Spiele sind etwas Besonderes – und nicht miteinander zu vergleichen“, schwärmt Alexander Pusch von LA, wo er mit Volker Fischer, Rafael Nickel, Elmar Borrmann und Gerhard Heer im Teamfinale Frankreich düpierte – und Gold holte. Dieser Erfolg sei kein Selbstläufer gewesen, zumal man im Achter-Einzelfinale zuvor mit einem Trio jeweils knapp gescheitert und ohne Edelmetall geblieben sei. Puschs 10:11 im Sudden Death gegen Riboud hatte Kommentatoren-Legende Bruno Morawetz mit „Drama“ treffend umschrieben. „Unser Anspruch war es, im Team zu zeigen, wer besser ist. Wir haben das dann auch geschafft, dank Volker Fischer in seiner unnachahmlichen Art – fantastisch.“

Pusch, der bei Olympia und Weltmeisterschaften sechsmal Gold und sieben Mal Silber holte und damit zum erfolgreichsten deutschen Fechter avancierte, habe in all den Jahren sehr viel investiert in „seinen“ Sport. Die Basis für seine vielen Topplatzierungen habe jedoch – neben Emil Beck – seine Mutter Lydia gelegt: „Ihr bin ich heute noch sehr dankbar, denn sie hat mich zum Fechten gebracht.“ Medaillen und Meistertitel seien ihm nie in den Kopf gestiegen, so Pusch, der als Trainer unter anderem Anja Fichtel nach oben gebracht hatte. „Trotz alledem bin ich immer bescheiden geblieben“, sagt einer, der später übrigens auch Anfragen aus Saudi-Arabien und de USA bekommen hatte, um dort als Coach zu arbeiten. „Auf der einen Seite hätte es mich gereizt, etwas Neues zu machen. Doch meine Frau und meine Mutter waren mir damals viel wichtiger.“

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Auch „Altmeister“ Volker Fischer, mit 73 hat er die Teilnahme an der Veteranen-WM in Dubai vor Augen, denkt noch immer gern an LA 1984 zurück. „Es war für mich einer der fechterischen Glanzpunkte in meiner langen Karriere“, so der gebürtige Sauerländer und heutige Wahl-Münchner. Es habe ihm immer mehr bedeutet, mit der Mannschaft Erfolg zu haben als im Einzel – obwohl die Wertigkeit in der Öffentlichkeit genau anders herum sei. Doch hierzu müsse man die Vorgeschichte kennen: „Wenige Wochen zuvor hatten wir gegen die gleichen Franzosen beim 7-Nationen-Turnier eine Klatsche bekommen, so dass die Favoritenrolle bei den Franzosen war. Deswegen war dies eine große Sensation.“

Die knappe Einzelniederlage gegen den späteren Olympiasieger – inklusiver Fußverletzung und längerer Pause – hätten ihn schlussendlich wohl besonders motiviert, um sich mit Team-Gold zu entschädigen, sagt einer, der schnell bei den Bischemern integriert worden sei und für den sich der Fechtsport wie ein roter Faden durchs Leben spanne.

Einst der „Benjamin“

Rafael Nickel war einst der „Benjamin“ in der deutschen Equipe. Der Hamburger, der in Norderstedt als Tierarzt arbeitet, hatte seine Karriere bereits nach LA beendet – „ich habe viel Zeit investiert, wollte mich um den Beruf kümmern und hatte auch mit Knieproblemen zu kämpfen“.

„LA war als Erlebnis unschlagbar – die Atmosphäre, die amerikanischen Sportfans, die Situation an und für sich, die Spannung. Vom Wettkampf her hatten zuvor gegen die Franzosen verloren und waren erpicht, die Revanche zu schaffen – insofern ein toller Abschluss meiner aktiven Laufbahn“. Er und seine Mitstreiter seien allesamt Menschen, mit denen er eine besondere Beziehung aufbaut habe vor dem Hintergrund, dass es für diesen Sport einer großen Leidenschaft bedürfe. Es sei schon eine tolle Leistung gewesen, solch „unterschiedliche Charaktere unter einen Hut zu kriegen“ – das Verdienst von Emil Beck.

„In Los Angeles erlebte ich nach dem Boykott von Moskau die ersten Spiele – und eben solche haben für einen Sportler eine ganz besondere Faszination. Es ist vor allem das Neue, das einen erwartet. Und wenn es gleich zu Team-Gold reicht, freut einen das umso mehr“, blickt Elmar Borrmann zurück, der sich danach noch drei Olympia-Teilnahmen „gönnte“. Für ihn persönlich sei der Mannschaftstitel die logische Folge dafür gewesen, dass er als Einzelweltmeister mit Titelambitionen nach LA gefahren sei, diesen Traum sich aber nicht habe erfüllen können. „In solch einem Fall rauft man sich im besonderen Maße für die Mannschaft zusammen und will da erfolgreich sein“.

Unterschiedliche Charaktere

Für ihn, so der 67-Jährige, sei der Medaillengewinn vor allem deshalb möglich gewesen, weil es Emil Beck geschafft habe, aus unterschiedlichen Charakteren mit individuellen Eigenschaften ein Team zu formen, in dem es gelungen sei, die Stärken jedes Einzelnen zu bündeln und zu fördern.

Es muss nicht immer alles Gold sein, was glänzt – Florettist Matthias Behr freut sich auch nach vier Jahrzehnten noch über das Doppel-Silber. „LA war für Emil Beck und sein Team die Bestätigung für die harte Trainingsarbeit – und somit der Wegbereiter für die Erfolge der folgenden Jahre“, ist sich der „Lange“ sicher.

Zu jener Zeit sei es noch möglich gewesen, mit den Rahmenbedingungen Beruf oder Studium sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und fleißig zu trainieren. „Die Weltspitze war sicher noch nicht so universell und professionell wie heute“, betont Matthias Behr. Dennoch sei es nicht so einfach gewesen, ganz nach oben zu kommen und das sportliche Niveau auf Dauer zu halten. Das gute Abschneiden in LA hätte alle beflügelt – und „danach hatten wir unseren Weg deutlich vor Augen“, von dem man sich nicht mehr habe abbringen lassen.

Mit 18 das „Küken“

Mit geraden mal 18 Jahren war Zita Funkenhauser das „Küken“ in der Florett-Mannschaft, die Olympiasieger wurde – neben „Grandes Dames“ wie Sabine Bischoff oder Cornelia Hanisch. „Mir ist erst jetzt richtig bewusst, dass LA schon 40 Jahre her sind, nachdem ich von der Deutschen Sporthilfe ein Glückwunschreiben erhalten habe.“

Und sie möchte die Erfahrungen bis in die Gegenwart nicht missen – die Emotionen kämen immer wieder mal hoch. „So viele Glücksgefühle wie beim Sport hatte ich nur bei der Geburt unserer Zwillinge“, teilt Funkenhauser weiter mit.

Vor Generationswechsel

Vor Olympia 1984 sei sie „zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort“ gewesen: „Es sollte ein Generationswechsel eingeläutet werden. Beim letzten Weltcup in Paris belegte ich sensationell Platz drei – ich war qualifiziert, aber noch nicht nominiert.“ Denn es habe noch die Hürde im Weg gestanden, dass da jemand aus dem Nichts aufgetaucht war und zu Olympia geschickt werden sollte. Schlussendlich hätten die verantwortlichen Trainer das Vertrauen in sie gesetzt – zurecht, wie sich herausstellen sollte, denn ihre Siege hätten den Grundstock für Gold gelegt.

„Gleich mit dem größtmöglichen Erfolg bei den Aktiven zu starten, war zunächst nicht ganz einfach. „Denn ich wollte beweisen, dass Gold keine Eintagsfliege war und mein Niveau stabilisieren“, so die praktizierende Zahnärztin, die abschließend ihre Erfahrung zu LA wie folgt beschreibt: „Ich war vorher noch nie in Amerika. Ich war wie ,high’, wie auf einer Wolke – alles war so unwirklich.“ Sie bekäme heute noch Gänsehaut, wenn sie daran denke.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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