Olympia

Isabell Werth krönt sich zur Königin der deutschen Athletinnen

Im Schlosspark von Versailles knackte Isabell Werth den Rekord von Birgit Fischer. Nun war keine deutsche Frau erfolgreicher bei Olympia als die 55-jährige Dressurreiterin. Gleich zweimal Gold gab es für Jessica von Bredow-Werndl.

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Andrea Bogenreuther
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Jessica von Bredow-Werndl (links) und Isabell Werth zeigen nach der Siegerehrung ihre Medaillen. © Rolf Vennenbernd/dpa

Paris. Der Schlosspark von Versailles war ihre große Bühne. Vor der monumentalen Kulisse des berühmten Chateaus von Ludwig XIV. ritten die deutschen Dressur-Königinnen Jessica von Bredow-Werndl und Isabell Werth nach Teamgold auch zu Einzel-Gold und Einzel-Silber in der Grand-Prix-Kür. Bronze gewann die Britin Charlotte Fry.

Die zu Tränen gerührte von Bredow-Werndl wiederholte damit auf der 17-jährigen Trakehnerstute „Dalera“ ihren zweifachen Olympiasieg von Tokio 2021. Und doch kommt sie damit nicht annähernd an die olympische Medaillenausbeute ihrer Teamkollegin Werth heran. Die hat mit nun 14 olympischen Medaillen - achtmal Gold und sechsmal Silber - die bis dahin führende Kanutin Birgit Fischer (achtmal Gold, viermal Silber) überholt.

Rekordlerin Werth - doch noch nicht das Karriereende?

Die 55-jährige Werth sprühte in Paris nur so vor Tatkraft und Motivation, hatte dabei immer einen lockeren Spruch auf den Lippen und zeigte eindrucksvoll, dass es ihr immer noch gelingt, an der jüngeren Konkurrenz vorbeizureiten. Zumal sie mit der erst zehnjährigen Stute „Wendy de Fontaine“ einen Jungspund unter dem Sattel hat, der Werth sportlich einen zweiten Frühling zu bescheren scheint. Sie, die eigentlich schon in Erwägung gezogen hatte, ihre Karriere nach den Spielen von Paris zu beenden.

In Versailles wurde sie nach ihren zwei Medaillen gefragt, ob sie an diesen Plänen festhalten wolle, da antwortete Werth trocken: „Ich habe meine Meinung geändert.“

Erst seit Januar bildet Werth ein Team mit der Stute "Wendy"

Während also ihr ein Jahr älterer Kollege und Konkurrent Carl Hester aus Großbritannien musikalisch zu den Kür-Klängen von „These Were the Days My Friends“ vom Publikum gefeiert in den reiterlichen Ruhestand verabschiedet wurde, will Werth weitermachen - vielleicht sogar bis zu den Sommerspielen in Los Angeles 2028. „Wendy“ wäre dann im besten Alter und Werth könnte mit dann 59 Jahren weiter Geschichte schreiben.

Dabei ist die gelernte Rechtsanwältin ohnehin schon gut beschäftigt. Sie bildet Reiter und Pferde aus, schreibt Bücher und hat eine eigene Modekollektion. Doch seit „Wendy“ in ihr Pferdesportleben getreten ist, hat sich alles gerändert. Ein ums andere Mal werde sie überrascht vom Leistungsvermögen ihres Pferdes, das sie erst im Januar aus dem Stall des gesperrten dänischen Turnierreiters Andreas Helgstrand übernommen hatte.

Treffen der deutschen Legenden Fischer und Werth schon vor Olympia

Dazu habe sie die einzigartige Stimmung im Versailler Schlosspark bei ihren neunten Spielen geradezu beflügelt, sodass dem Paar in der Kür mit 89,614 Prozentpunkten ein neuer persönlicher Bestwert gelang. „Es war einfach toll. Ich habe mich gefreut. Es hat so wahnsinnig viel Spaß gemacht und war nur zu genießen. Das Pferd ist in einer unglaublichen Entwicklung. Das war heute wirklich schon nahezu perfekt.“

Schon mit der Teammedaille am Tag zuvor hatte Werth den Rekord geknackt. „Das ist schon sehr besonders. Das macht natürlich sehr stolz“, sagte sie und kündigte mit verschmitztem Lächeln an, dass sie sich mit der nun geschlagenen Fischer gerne auf ein Glas Wein treffen wolle. „Wir hatten uns vor Tokio mal getroffen und da ging es auch darum, was wäre wenn. Das war sehr angenehm und lustig. Großer Respekt auch vor ihr. Sie ist ein toller Mensch.“

Von Bredow-Werndls Pferd darf nun in den Ruhestand

Dabei sah es noch vor ein paar Monaten so aus, als hätte Werth keine Chance mehr, diese Rekordmarke zu erreichen. Ihr eigentliches Pferd „Quantaz“ überzeugte auf internationalem Niveau nicht so wie erhofft. Deshalb kam nach gelungener Qualifikation die junge, unerfahrene Rappstute mit nach Frankreich. Entsprechend viel bedeuten Werth trotz ihrer mehr als 30-jährigen Reitkarriere die beiden Medaillen von Paris. „Das war nicht zu erwarten. Natürlich hatte ich große Hoffnungen in die Stute gesetzt, weil ich um ihre Qualitäten weiß und wusste. Aber es war heute erst unser viertes oder fünftes Turnier. Unsere dritte Kür. Das ist alles unglaublich.“

Während für Werth und von Bredow-Werndl nach dem Medaillengewinn in Paris der Feiermarathon begann, wurden die Pferde noch am Abend nach Hause gebracht. „Wendy kriegt erst einmal Pause und freut sich auf ihre Wiese“, sagte Werth. Und für von Bredow-Werndls „Dalera“ soll die Zeit der großen Championate nun vorbei sein. „Wir sind neun Jahre ein Paar. Dalera war nie verletzt, sie hat bewiesen, dass sie ein gesunder, glücklicher Athlet ist“, sagte die emotional aufgewühlte von Bredow-Werndl, angesichts ihres Entschlusses. Denn die Stute soll nun Mutterfreuden entgegensehen, erzählte die Aubenhauserin nach ihrem goldenen Kür-Ritt zu Chansons von Edith Piaff und ergänzte mit Tränen in den Augen. „Meine Musik ist eine Hommage - an Paris, an die Liebe und an Dalera.“

Am Vortag hatten Werth und von Bredow-Werndl gemeinsam mit Frederic Wandres bereits eine goldene Medaille in der Mannschaft gewonnen. Viel Zeit zum Feiern blieb aber nicht, da noch am Abend die Vorbereitung auf die Kür begann, bei der die deutschen Reiterinnen dann zu Konkurrentinnen wurden - und beide jeweils noch eine Medaille gewannen.

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