Odenwald-Tauber. Schüler kehren in den Präsenzunterricht zurück, und in der Münchner Allianz-Arena feuern knapp 14 000 Zuschauer ihre Mannschaft an. Doch die Studierenden können noch nicht wieder zurück in die Hörsäle. Diese Regeln stoßen nicht bei allen Studenten auf Verständnis. Welche Probleme und Vorzüge die Online-Uni für die jungen Erwachsenen hat, haben die FN nachgefragt.
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Sebastian Scheuermann aus Buchen studiert im sechsten Semester an der Musikhochschule in Mannheim Schulmusik und im vierten Semester Politikwissenschaften auf Lehramt an der Universität Mannheim. Demnach sind das zwei unterschiedliche Hochschulen, an denen der 21-Jährige studiert – das merkt man auch an der Umsetzung der Corona-Regeln, wie er berichtet: „An der Musikhochschule wird viel flexibler mit der Situation umgegangen.“ Einzelunterricht und Chorproben finden nämlich in Präsenz statt, während sein Zweitfach Politik komplett online unterrichtet wird. „Ich wünsche mir auch schon lange, dass die Uni wieder präsent stattfindet. Gerade wenn man den Studierenden so viel Flexibilität abverlangt, erwarte ich auch von den Unis mehr Flexibilität.“
Bibliothek ist schnell voll
Besonders vermisse er den Austausch und den Vergleich mit den Kommilitonen. Zudem gebe es in der Bibliothek nur eine beschränkte Anzahl an Plätzen zum Lernen, und die seien oftmals schnell vergeben – das sei in den vergangenen Monaten eine Herausforderung gewesen. „Ich muss sagen, dass ich schon einmal motivierter durch den Uni-Alltag gegangen bin“, gibt Sebastian Scheuermann zu.
„Ich finde das unverhältnismäßig, so große Events wie eine EM wieder stattfinden zu lassen, während kleine Gruppen – in der DHBW in Mosbach ist das eher die Dimension einer Schulklasse – nicht zusammensitzen dürfen. Ich gönne natürlich den Fußballfans ihren Spaß, finde aber, dass die Verantwortung bei den Veranstaltern und Gesetzgebern liegt, die Gesundheit und nicht den kommerziellen Profit in den Fokus zu stellen“, sagt Teresa Leiblein aus Hardheim. Die 23-Jährige hat während der Pandemie mit ihrem Maschinenbaustudium angefangen. „Es war unheimlich schwer, sich während der Online-Uni zu konzentrieren und zu motivieren“, berichtet sie. Die Dozenten hätten sich jedoch viel Mühe gegeben, die Vorlesungen interaktiv und interessant zu gestalten. Besonders schwer sei es, Lerngruppen zu bilden, da man seine Kommilitonen noch gar nicht wirklich kenne.
Neben der gesparten Fahrtzeit zum Campus nach Mosbach sieht die Hardheimerin noch einen weiteren Pluspunkt an der Online-Uni, wie sie schmunzelnd verrät: „Vorlesungen draußen auf dem Balkon machen die ganze Situation ein wenig erträglicher.“
Oft hat auch Pauline Weingärtner aus Gerchsheim den Hörsaal noch nicht von innen gesehen. Vorlesungen finden online statt. „Von meinen Kommilitonen kenne ich kaum jemanden“, sagt die 19-Jährige, die in Würzburg auf Lehramt für Grundschulen studiert. Die Arbeitsblätter für das Fach Mathematik, die wöchentlich in Gruppenarbeit erledigt werden müssen, mache man auch per Zoom-Konferenz. Manches wäre aus ihrer Sicht im Hörsaal sicherlich einfacher. Auch die Prüfungen hat sie nicht ausschließlich im Gebäude der Universität geschrieben. „Ich war im Hörsaal, aber auch im Congress-Zentrum und im Vogel Convention Center, wo große Räume von der Uni angemietet wurden.“
Praktika nicht machbar
Und bei ihr kommt ein weiteres Manko dazu: Die Praktika für das Lehramtsstudium waren aufgrund von Corona nicht machbar, weil niemand in die Schulen durfte. Doch schwer fällt ihr die „Online-Uni“ nicht: Die junge Frau, die im letzten Jahr am Mathias-Grünewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim ihr Abitur abgelegt hat, kennt das Studium nicht anders. Trotzdem kann sie der Situation auch Positives abgewinnen. „Ich spare mir die Zeit, um in die Uni zu fahren, und kann stattdessen zuhause lernen oder mich vorbereiten.“
Der Studiengang von Lea Raitz aus Mosbach ist geprägt von Laborübungen – die 21-Jährige studiert nämlich Oecotrophologie (Ernährungswissenschaften) an der Hochschule in Fulda. Doch der Weg ins Labor blieb ihr bisher oft verwehrt. „Alles musste auf ,Lab@home-Versuche‘ umgestellt werden“, berichtet sie. „Studierende werden als Leidtragende der Pandemie und des Lockdowns oft außen vorgelassen“, findet Lea Raitz klare Worte.
Da sie ebenfalls inmitten der Pandemie mit dem Studium angefangen hat, kennt es die Mosbacherin gar nicht anders. „Die Online-Uni hat auch durchaus Vorteile, zeitlich und räumlich ist man sehr flexibel. Allerdings fehlt der präsente Kontakt zu den Kommilitonen schon sehr“, sagt die 21-Jährige. Die Prüfungsphase für dieses Semester hat Lea Raitz noch vor sich. Zwei Klausuren sollen Anfang August in Präsenz stattfinden. Für das kommende Semester ist die Studentin zuversichtlich: „Ich hoffe, dass ich dann mal endlich richtig in Präsenz im Labor stehen darf!“
Julia Gruber aus Kupprichausen macht aktuell ihren Master in Lebensmittelchemie an der Universität in Würzburg. Dazu gehören neben den normalen Vorlesungen eigentlich auch Praxisphasen, die mit den Kommilitonen im Labor stattfinden. „Die Online-Vorlesungen waren für mich kein Problem, aber ich konnte nicht so oft ins Labor gehen, wie sonst. Daher fehlt mir die praktische Erfahrung“, erklärt sie. „Die Uni hat zwar versucht, Ersatzmöglichkeiten anzubieten, das war aufgrund der Corona-Regeln jedoch nur bedingt möglich.“
Durch die Online-Vorlesungen gestaltete sich der Alltag der Studentin aber flexibler: „Ich hatte keine weiten Wege zur Uni und konnte von Zuhause an den Vorlesungen teilnehmen. Dadurch hatte ich natürlich eine große Zeitersparnis.“ Lediglich die Prüfungen wurden in Präsenz geschrieben.
Struktur im Alltag fehlt
„Mir ist klar geworden, dass ich sehr selbstdiszipliniert arbeiten kann“, resümiert Johanna Krappel aus Grünsfeldhausen, die an der „School of Life Siences“ der Technischen Universität München ihren Master in Brauwesen und Getränketechnologie macht. Denn durch die Arbeit von zuhause fehlt die Struktur im Alltag, da ist dann Disziplin gefordert. Sie kann verstehen, dass die Schüler schon wieder in den Unterricht dürfen, „da geht es auch um Betreuung“, dennoch findet sie klare Worte für die aktuelle Situation: „Es gibt für uns Studenten aktuell keine Perspektive.“ Denn einen klaren Plan, wie es im neuen Semester weiter geht, hat ihre Uni noch nicht.
Da sie während Corona ihren Master angefangen hat, lernte sie ihre Kommilitonen noch nicht kennen. „Da fehlt dann das Netzwerk“, stellte sie fest. Und auch Praktika, die zu ihrem Studiengang gehören, fanden großteils nicht statt. Da diese aber Pflicht sind, müssen sie nachgeholt werden, wobei sich der Zeitraum dafür aufgrund der Pandemie nun verkürzt hat.
Die Online-Vorlesungen findet sie aber gut, weil diese auch später noch zur Verfügung stehen. „Man kann pausieren, sich Notizen machen und dann das Video weiterlaufen lassen“, freut sie sich.
Milena Sorger aus Niklashausen macht momentan ihren Master in Biowissenschaften in Würzburg. Auch sie findet die Maßnahmen für Studenten zwar nicht schön, kann sie aber nachvollziehen. Ihre Praxisphasen fanden trotz Corona statt und auch mit den Live-Vorlesungen hatte sie keine Probleme. Lediglich die Studieninhalte, die nur als Textdokument hochgeladen wurden, haben ihr nicht richtig weitergeholfen. „Da ich nicht direkt in Würzburg wohne und immer zur Uni pendele, konnte ich durch die Pandemie natürlich einiges an Sprit sparen“, beschreibt sie die positiven Aspekte. Dennoch freut sie sich darauf, wenn die Präsenzphasen wieder möglich sind.
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