Handwerker, Bauträger und Kommunen betroffen / „Klopapier-Effekt“ vermutet

Neckar-Odenwald-Kreis: Arbeit wäre da, aber das Material fehlt

Bauprojekte verzögern sich, Termine können nicht gehalten werden, Preise explodieren: Die Materialknappheit macht dem Handwerk ebenso zu schaffen wie Bauträgern, Häuslebauern und Kommunen.

Von 
Nicola Beier und Sabine Braun
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Etwa sechs Monate liegen die Arbeiten am Burghardt-Gymnasium in Buchen hinter dem Zeitplan. Der Grund: Der Baustoff kann zum Teil nicht geliefert werden. © Beier

Neckar-Odenwald-Kreis. Der Neubau des Burghardt-Gymnasiums in Buchen, die Eckenberghalle in Adelsheim, die Sanierung der Kolpingstraße in Walldürn – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie werden nicht fertig wie geplant. Es gibt Verzögerungen wegen des aktuellen Baustoffmangels. Und es wird teurer. Betroffen sind fast alle Gewerke.

„Die ersten Anzeichen gab es schon im Februar“, sagt Thomas Bopp, Obermeister der Zimmerer-Innung im Kreis und Chef von Holzbau-Hennrich in Billigheim-Sulzbach. Die Preise für Massivholz seien je nach Händler um 150 bis 200 Prozent gestiegen, bei kleineren Querschnitten wie bei Dachlatten sogar um 200 bis 250 Prozent.

Export wurde gestoppt

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Bopp fasst zusammen: „Uns fehlt Holz, Massivholz in jeder Form, Systemholz, Konstruktionsholz oder auch Brettschichthölzer, also Leimhölzer, die man für eine höhere Tragkraft einbaut.“ Seine Ware kommt normalerweise aus dem süddeutschen Raum beziehungsweise aus Nachbarländern wie Österreich. „Nordische Ware“ beispielsweise aus der Ukraine finde wegen des Exportstopps nicht mehr nach Deutschland. Dass China und USA den Holzmarkt leerkaufen, traf für die Zeit um den Jahreswechsel zu, aktuell stimme das so nicht mehr.

Durch das Käferholz und anderes Kalamitätsholz sei das Rundholz eigentlich nicht knapp. Die Sägewerke, von denen es im Odenwald leider nur noch sehr wenige gebe, „holen alles raus“ und arbeiteten über der normalen Kapazität.

Aber Holz sei eben als Baustoff in aller Munde, jeder wolle ein Holzhaus oder eine Holzterrasse. „Ein Wahnsinn, was da an Anfragen kommt. Wir müssen die Kundschaft auf nächstes Jahr vertrösten. Da wird bei allem Verständnis der Unmut spürbar.“

Der Zimmerer weiß von Kollegen, dass Farbe nicht mehr lieferbar ist, weil die Eimer ausgehen, Mineralwolle fehlt, weil es keine Verpackungsfolie mehr gibt. Bopp ist aber nicht sicher, ob das Material wirklich so knapp ist oder nur gehamstert wird – der „Klopapier-Effekt“. Er kann sich vorstellen, dass die Nachfrage bald nachlässt.

Bauunternehmer betroffen

Emil Tomac, Geschäftsführer des gleichnamigen Bauunternehmens aus Buchen, bestätigt, dass es im Bausektor zu Rohstoffmangel kommt. „Gerade bei Dichtungsmaterial sieht es schwierig aus“, erklärt er. Auch Holz- und Metallwaren seien teurer geworden und hätten längere Lieferzeiten. „Zu Engpässen kam es auf unseren Baustellen bisher jedoch nicht.“ Er versuche, sein Material früher zu bestellen, damit es rechtzeitig ankomme.

Betroffen ist auch die Gesellschaft Niestroj Bauwerk in Adelsheim: Beim Wohnbauvorhaben „Casa Monte“ in Osterburken erhöhten sich die Kosten für den Zimmermann um rund 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr, berichtet Benjamin Niestroj. Geliefert werde das Holz mit einer Verzögerung von rund vier Wochen.

„Außerdem mussten wir beim Projekt ,Villa Pergola’ in Adelsheim unsere Verkaufspreise aufgrund der gestiegenen Materialpreise am Bau um rund 15 Prozent nach oben korrigieren.“ Die Kalkulation stammte aus 2019. Auch bei einem weiteren Projekt in Osterburken – die Kalkulation stammt aus dem ersten Quartal 2020 – überprüfe man gerade die eigenen Kosten und müsse diese voraussichtlich um bis zu zwölf Prozent nach oben korrigieren.

Zwar hat man bei der Bauunternehmung Heizmann aus Osterburken zum Jahresbeginn immer gleich bei Auftragseingang Material bestellt und war lange „versorgt“. Doch jetzt wird es schwierig. Als erstes wurde im Frühjahr das Holz knapp, dann das Dämmmaterial und die PVC-Rohre, jetzt gibt es auch schon beim Stahl Probleme, berichtet Inhaber und Bau-Innungsobermeister Jörg Heizmann. Bereits seit Monaten habe man Engpässe beim Epoxidharz. Gleichzeitig wurde alles deutlich teurer: Holz und Rohre um 100 Prozent, Dämmung um 80 Prozent und beim Stahl sind es auch schon 70 Prozent Mehrkosten.

Heizmann sieht gleich mehrere Ursachen: Den durch die USA und China leergekauften Markt, aber auch den Bauboom und die Corona-Krise. Herstellerfirmen beispielsweise von Granulat hätten für mehrere Wochen komplett dicht gemacht und nichts produziert. Als die Nachfrage wieder anlief, seien sie überrollt worden und kämen nun nicht nach.

Auf die Knappheit reagiert man bei Heizmann flexibel: Sind Dämmplatten nicht in der richtigen Stärke verfügbar, dann verbaut man eben zwei dünnere übereinander. Trotzdem gebe es Bauverzögerungen.

Problematisch sei auch, dass „heute kein Händler mehr einen fixen Preis macht. Die Preise ändern sich teils im Zwei-Tages-Rhythmus.“ Da wird es auch für Heizmann, sein 70-Mitarbeiter-Unternehmen und die ganze Branche schwer, einen Angebotspreis zu halten. Heizmann sieht die Betriebe doppelt belastet: Erst habe Corona mit Quarantäne und Auflagen Probleme bereitet, jetzt müssen viele Unternehmer ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken, weil das Material fehlt. „Und das bei bestem Wetter, und obwohl genug Arbeit da ist.“

Gibt es Licht am Ende des Tunnels? „Wir hoffen, dass es Ende Juli besser wird“, so Heizmann. Nach wie vor sei es wichtig, Material rechtzeitig zu bestellen. Doch es bleibe extrem schwer, neue Angebote zu kalkulieren. „Die Situation ist unangenehm, für den Kunden und für uns Unternehmer.“

Halbes Jahr Lieferzeit

Bis zu einem halben Jahr Lieferzeit haben bestimmte Sanitärartikel wie Armaturen, berichtet Matthias Müller, Obermeister der Innung Sanitär, Heizung, Klima im Neckar-Odenwald-Kreis. „Isolierungen sind schwierig, Verschraubungen und KG-Rohre rar. Heizungszubehörteile fehlen massiv.“ Für andere Dinge gelte: „Das Material ist da, aber die Preise sind hoch.“

Neben dem „Klopapier-Effekt“ sieht er einen Grund für die Lieferprobleme darin, dass viele Herstellerfirmen in Kurzarbeit waren. Manche Abnehmer wiederum hätten „ihr Lager auf der Straße“ und seien nun vom Abreißen der Lieferkette betroffen. Müller selbst ist für seinen Betrieb entspannt: „Wir hatten in der ganzen Corona-Phase eine relativ luxuriöse Zeit. Die Auftragslage war sehr gut, wir konnten arbeiten ohne Auflagen und Ausfälle.“ Jetzt werde es mal etwas eng, aber aushaltbar. Ihm mangelt es weniger an Material, sondern: „Uns fehlt die Zeit.“

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