Tauber-Odenwald. Wohlbefinden und Fitness steigern oder Muskeln aufbauen, ohne die eigenen vier Wände zu verlassen? Ja, das geht und das Internet macht’s möglich. Im Netz tummeln sich jede Menge Videos und Anleitungen zu Work-out-Übungen oder Bodyweight-Trainingsprogrammen, dass man fast den Überblick verlieren kann. Aber wie gut sind solche Angebote von Apps – ob kostenlos oder nicht – auf mobilen Geräten oder Videos auf diversen Plattformen? Das haben die Fränkischen Nachrichten Professor Harald Lange, Sportwissenschaftler an der Universität Würzburg, gefragt.
Mit ihren Sport-Programmen erreichen Fitness-Influencer ein millionenfaches Publikum. Bequem vor dem Bildschirm üben statt den Weg ins Fitnessstudio auf sich nehmen, um zu schwitzen und die Muskeln zu stählen. Für so manchen kann dies ein gangbarer Weg sein, etwa wenn Sportkurse in Vereinen zu Zeiten stattfinden, die für den Einzelnen nicht optimal liegen, oder man sich erst gar nicht an feste Trainingszeiten binden möchte. Warum nicht am Abend eine Trainingsrunde einlegen und gleichzeitig die Lieblingsserie im Fernsehen verfolgen oder sich mit den Lieblingssongs motivieren? Hauptsache man tut überhaupt etwas für die Gesundheit, hüpft vom heimischen Sofa und überwindet den inneren Schweinehund.
App als Motivation für mehr Bewegung
Der Würzburger Sportwissenschaftler Harald Lange (Bild) und seine Studierenden haben einen kritischen Blick auf solche Innovationen. „Technische Hilfsmittel und Gadgets, wie Pulsuhr oder Apps haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Sie fungieren als Schrittmacher im Hinblick auf einen zusehends sportiver werdenden Lebensstil“, sagt Lange. Er sieht diese Möglichkeiten als Anstoß, um neue Bewegungsimpulse zu setzen – etwa wenn man die Anzahl der täglichen Schritte steigern möchte.
Seit Corona werden verstärkt solche digitalen Sportvarianten genutzt. Jeder Zweite hat bereits eine Gesundheits-App auf dem Smartphone installiert, etwa für Krafttraining, Laufen oder Ernährung. Zudem haben Apps und digitale Anwendungen auch eine weitere Funktion: Die Trainingstipps von Influencern oder professionellen Trainern sowie technische Unterstützung ermöglichen, das Trainingssystem und die Belastungssteuerung nach sportwissenschaftlichen Gesichtspunkten weiter zu optimieren.
Wie sinnvoll ist also ein Training per Mausklick? Für Lange steckt darin als Erstes die Motivation zur Bewegung überhaupt: „Jeder macht damit etwas anderes, was auch von der Vorerfahrung abhängig ist“, sagt er. Und seine Einschätzung ist klar: „Keine App und kein Video sind in der Lage, das Training positiv oder negativ zu beeinflussen. Das liegt allein im Gebrauch der Übungen.“
Herausziehen, was für den Einzelnen sinnvoll ist
Er versteht ein solches Training daher als Bildungsprozess: „Ich muss mir aus dem Programm das herausziehen, was ich selbst brauche.“ Anfänger sollten sich zunächst einen Überblick verschaffen, was sie anstreben. Wer schon Erfahrungen gesammelt hat, wird sich an Übungen für Fortgeschrittene wagen. Um für sich den eigenen bewegten, sportlichen Lebensstil zu entwickeln, sieht er solche Programme durchaus geeignet. Diese mit anderen Aspekten des privaten Lebensstils zu kombinieren, sei die entscheidende und vor allem lebenslange Aufgabe. Stress, Ernährung, aber auch soziale Bezüge machen den Lebensstil aus. Aber Professor Lange warnt: „In den Sozialen Medien wie Instagram oder TikTok gibt es auch viele, die nur im kommerziellen Feld agieren und mit knackigen Versprechen versuchen, Klicks und User zu generieren. Da ist gesunde Vorsicht geboten.“
Wenn die Übungen Spaß machen, passt das digitale Tool
Sein Credo: „Mutig sein beim Ausprobieren, um für sich das Geeignete zu finden, aber sensibel genug sein, ob es einem selbst etwas bringt.“ Lange rät gleichzeitig, den Austausch mit anderen nicht zu vernachlässigen, sei es im Verein oder auch im Fitnessstudio.
Woran erkennt man, wie gut solche Apps oder Programme sind? Auch das ist für den Sportwissenschaftler, der unter anderem Empfehlungen für Hersteller von Fitnessgeräten schreibt, individuell zu betrachten. Die Faustformel ist klar. „Ich muss offen sein und mich inspirieren lassen. Wenn die Übungen Spaß machen und dieser Spaß im Verlauf des Übungsprozesses anhält, passt das digitale Tool für mich.“ Der zweite Blick geht für Lange auf das, was dem Trainierenden abverlangt wird: Kann ich das Pensum leisten? Kann ich die Übungen meinen Bedürfnissen anpassen, sie schneller oder langsamer umsetzen, weiter vertiefen? Für den Würzburger Uni-Professor steht ein klares, aber flexibles Angebot im Vordergrund. „Wer trainiert, darf nicht Sklave des Youtubers oder der App werden.“
Immer und überall trainieren, wann man selbst möchte: Das versprechen die digitalen Anwendungen, die sich an den eigenen Lebensrhythmus anpassen. Klingt einfach und vielversprechend. Wo liegt der Haken? Für Harald Lange gibt es den eigentlich nicht. „Das größte Risiko besteht darin, dass das Angebot wirkungslos ist und Geld kostet“, sagt der Professor, der schon viele Vereine beraten und Gesundheitssportkonzepte entwickelt hat, um einen fitness-orientierten Lebensstil zu finden.
Und wie steht’s mit einem Aufwärmtraining, was nicht alle digitalen Anwendungen anbieten? Lange sieht das locker: Als Ritual sei das für Breitensportler hilfreich, aber nicht zwingend notwendig. Solange keine schnellen Bewegungen erfolgen, brauche man kein physiologisches Erwärmen der Muskeln. Der Sportwissenschaftler vergleicht dies mit Feuerwehrleuten, die auch sofort agieren müssen und sich nicht erst warm machen können. Auch nach dem Training könne man auf das „Auslaufen“ verzichten. „Zur Regeneration nach der sportlichen Betätigung kann durchaus die Couch genutzt werden, wofür sie geschaffen wurde“, meint er lächelnd.
Ob Sport per App, im Studio oder Verein getrieben wird, hängt also vom individuellen Bedürfnis ab. Wer wenig Zeit hat, für den ist die App meist flexibler und ein geniales Mittel als Taktgeber und zur Orientierung. Wem der soziale Kontakt wichtig ist, der geht ins Fitnessstudio oder den Verein. Immerhin sind mehr als 28 Millionen Deutsche in Sportvereinen engagiert. Für Professor Lange haben alle Arten ihre Vorteile, wenn dabei die Bewegung im Mittelpunkt steht.
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