50 Jahre Main-Tauber-Kreis

MVZ und Facharztzentren als Antwort auf fehlende Nachfolge für Arztpraxen

Nach Ansicht der Altlandräte und des Amtsinhabers ist der Main-Tauber-Kreis mit drei Krankenhäusern dezentral sehr gut aufgestellt

Von 
Heike von Brandenstein
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Main-Tauber-Kreis. Ein großer Player im Gesundheitswesen im Main-Tauber-Kreis war einst der Landkreis. Wie rasant sich dieser Bereich in gut vier Jahrzehnten verändert hat, zeigen die Altlandräte Georg Denzer, Reinhard Frank und Amtsinhaber Christoph Schauder auf.

Main-Tauber-Kreis. Als Georg Denzer Landrat wurde, waren die Kreiskrankenhäuser Tauberbischofsheim und Creglingen sowie das Chirurgische Kreiskrankenhaus Bad Mergentheim im Eigentum des Landkreises. Daneben gab es noch das Caritas Krankenhaus und das Rochus-Spital in der Kurstadt sowie das Städtische Krankenhaus Wertheim. 1993 dann wurde das Krankenhausstrukturgesetz verabschiedet. Die pauschale Vergütung nach Tagen, die ein Patient im Krankenhaus verbrachte, wurde abgeschafft, der Vorläufer der Fallpauschale – das ab 2005 geltenden DRG-System – eingeführt.

„Schon damals befürchteten wir, dass dies für die kleineren Krankenhäuser bedenklich werden könnte“, erinnert sich Georg Denzer. Sie seien durch die Einzelabrechnung unter Druck geraten. Schnell sei ihnen die Leistungsfähigkeit abgesprochen worden, so dass sie nur noch einfache Operationen erhielten. Viele Patienten hätten sich deshalb entschieden, gleich in größere Krankenhäuser zu gehen. „Das ist bis heute ein Fehler. Man hat die kleinen Krankenhäuser systematisch schlecht geredet, obwohl sie gar nicht so schlecht waren“, meint der Altlandrat. Gerade in der Pandemie habe man gesehen, dass die großen Einrichtungen die Versorgung in der Fläche allein nicht sicherstellen können.

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Bedenken, dass eine Klinik in der Trägerschaft des Landkreises aufgrund finanzieller Nöte schließen müsste, hatte Georg Denzer aber nie. „So groß waren die Verluste gar nicht. Die Strukturen aber waren nicht sonderlich erquicklich. Es war klar, dass man in einer Stadt wie Bad Mergentheim keine drei Krankenhausträger braucht. Letztlich sollte das Caritas Krankenhaus zur Nummer Eins in der Kurstadt werden. Im Nachhinein meint der damalige Landrat: „Der Caritasverband hat da ein gutes Geschäft gemacht.“

Bis das Caritas Krankenhaus baulich dazu in der Lage war, verblieb die Chirurgie allerdings im Gebäude des Landkreises unter der Ägide des neuen Trägers. „Miete haben wir aber nicht bekommen und das Haus am Ende runtergewirtschaftet übergeben bekommen“, ärgert sich Denzer noch heute. Er ist sich sicher, dass der Landkreis eine gute Gesundheitsversorgung hätte sichern können, „vorausgesetzt die kommunalen Kliniken Creglingen, Tauberbischofsheim und Wertheim hätten sich unter einem Dach zusammengeschlossen.“ Doch das sollte scheitern.

Der zweite Anlauf folgte nach der ersten echten Fallpauschalenvereinbarung 2005. In diesem Jahr war Reinhard Frank zum Nachfolger Denzers gewählt worden. „Es gibt kaum ein sensibleres Thema für die Bevölkerung auf Kreisebene als das Thema Kliniken“, meint er.

Denzer habe die erste sinnvolle Strukturreform im Krankenhausbereich gemacht und damit die Fußspuren gelegt. „Als ich hier angefangen habe, war klar, dass die Krankenhauslandschaft in diesem Flächenlandkreis gefährdet ist, weil das DRG-System zu einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit führte.“

Reinhard Frank schaute sich um und suchte den Schulterschluss mit dem 2003 zum Oberbürgermeister von Wertheim gekürten Stefan Mikulicz, um die beiden kommunalen Krankenhäuser zusammenzuführen. „Das vom Landkreis in Auftrag gegebene Schick-Gutachten empfahl zudem einen späteren Zusammenschluss mit dem wesentlich größeren Caritas Krankenhaus“, so der Altlandrat. „Nächtelang wurde verhandelt. Wir waren kurz vor einer Einigung, als Stefan Mikulicz kurz vor Weihnachten anrief und sagte, dass die Stadt Wertheim aus dem Krankenhausbetrieb aussteigt und verkauft.“

Laut Reinhard Frank wollte Wertheim – wie auch schon zu Zeiten Denzers – eine 50-prozentige Beteiligung und keinesfalls eine niedrigere Bewertung als Tauberbischofsheim. Der Landkreis hingegen, zu dessen Gesellschaft Krankenhäuser und Heime (KHMT) auch noch Altenheime gehörten, bestand auf einer objektiven Wertermittlung. „Damit war die Sollbruchstelle da“, blickt Frank zurück, dem nach eigenem Bekunden so kurz nach seiner Wahl für einen Moment „der Boden unter den Füßen weggezogen wurde“. Schließlich werde von einem Mann an der Spitze erwartet, dass er etwas reißt.

Aber, wie so oft im Leben, ging eine neue Tür mit den Barmherzigen Brüdern Trier auf, die 2006 Mehrheitsgesellschafter des Caritas Krankenhauses Bad Mergentheim wurden. „Wir haben uns beschnuppert und sind zu dem Entschluss gekommen, dass es Sinn macht, unsere Einrichtungen zusammenzuführen und eine Gesundheitsholding zu gründen“, fasst Frank das 2012 vollzogene Ergebnis zusammen.

Ganz einfach sei das kommunalpolitisch aber nicht gewesen, weil sich ein kommunaler mit einem kirchlichen Träger zusammengetan habe und durchaus auch Vorbehalte geäußert worden seien. Kurzum stellt Frank zufrieden fest: „Wir sind in dieser Gesundheitsholding und seitdem wir sie haben, konnten wir die Krankenhauslandschaft im Main-Tauber-Kreis mit ihrer hochwertigen medizinischen Versorgung bei kurzen Wegen halten.“ Vor dem Hintergrund, als Landkreis keinen Defizitausgleich mehr zahlen zu müssen, seien zudem die Psychiatrie und das Haus Heimberg komplett neu gebaut worden. „Im Gesundheitsbereich sind wir wirklich gut aufgestellt“, lautet sein Resümee.

Doch es gibt neue Herausforderungen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach strebt eine Krankenhausreform an, die zwei Schwerpunkte in den Blick nimmt: Zum einen soll die Versorgungsqualität verbessert werden, indem mehr Spezialisierung ermöglicht wird, zum anderen die Daseinsfürsorge der Kliniken auch auf dem Land gesichert werden.

Die dafür eingesetzte Kommission will zwar die Versorgung im ländlichen Raum auf der einen Seite stärken, empfiehlt auf der anderen Seite aber eine Zusammenarbeit oder Zusammenlegung kleinerer Abteilungen, wo möglich, um die Arbeitslast des Personals zu verringern. Was könnte das für den Main-Tauber-Kreis bedeuten, fragten die FN Amtsinhaber Christoph Schauder beim Blick in die Zukunft.

„Es ist richtig, dass man über die Krankenhauslandschaft diskutiert. Bis hier aber Entscheidungen getroffen werden, fließt noch viel Wasser die Spree hinunter“, ist er sich sicher. Er mahnt allerdings: „Wir müssen als Bundesland Baden-Württemberg und als ländlich strukturierter Main-Tauber-Kreis aufpassen, dass wir nicht unter die Räder kommen.“ Wenn er höre, dass es zu viele Betten in den Kliniken gebe, könne das für einige Bundesländer zutreffen, aber definitiv nicht auf den Südweststaat.

Das Land sei nur so gut durch die Pandemie gekommen, weil es eine dezentrale Krankenhausstruktur habe. „Bei uns im Flächenlandkreis ist diese Struktur ganz wichtig, weil uns eine Zentralisierung nicht weiterbringt“, lautet Schauders Überzeugung. „Man muss sehr wachsam sein und für seine Interessen kämpfen.“

Auch bei der hausärztlichen Versorgung tun sich Lücken auf. Praxen werden geschlossen, weil sich keine Nachfolger finden. Sowohl die beiden Altlandräte als auch der Amtsinhaber wünschen sich natürlich nur das Beste für den Landkreis und ihre Bewohner. Sie sehen aber das Problem, junge Menschen zu begeistern, sich in ländlichen Regionen niederzulassen.

„Anreize müssten geschaffen werden“, findet Georg Denzer. Als weiteren Schritt nennt Reinhard Frank die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Dort seien die Ärzte angestellt und hätten einen geregelten Arbeitstag, was gerade für Frauen mit Kindern wichtig sei. Eine weitere Möglichkeit sei der Bau von Facharztzentren. Hier könnten eine Kommune oder der Landkreis Gebäude günstig zur Verfügung stellen, in die sich Ärzte einmieten. „Von öffentlicher Seite kann man da flankierend einiges machen“, so Frank.

Christoph Schauder weiß, dass die Menschen die hausärztliche Versorgung zu Recht bewegt. Bekannt sei, dass 40 Prozent der niedergelassenen Ärzte im Main-Tauber-Kreis 60 Jahre und älter seien. „Die Sicherstellung der Versorgung mit Hausärzten ist aber nicht Aufgabe des Landkreises, sondern in erster Linie der Kassenärztlichen Vereinigung“, betont er. Dennoch finde er ein Stipendiatenmodell charmant. Man müsse aufpassen, wenn man sich am Nachbarlandkreis, der dieses Modell praktiziert, orientieren wolle.

„Der Neckar-Odenwald-Kreis hat noch eigene Kliniken“, so der Landrat. Deshalb gehe es beim dortigen Modell unter anderem darum, Personal für die eigenen Kliniken zu akquirieren. „Wir haben das auch mit den Krankenhäusern hier im Kreis besprochen, doch da war man eher zurückhaltend, weil dort intern bereits einiges auf den Weg gebracht wurde“, berichtet er.

Ganz ausschließen will er aber nicht, dass es ein solches System einmal geben könnte. „Was wir konkret tun, ist, über die Holding und über die MVZ in Bad Mergentheim, Tauberbischofsheim und Wertheim die medizinische Versorgung im Landkreis weiter zu stabilisieren“, beschreibt Schauder die derzeitigen Bemühungen. Im Gespräch mit den Ärzten werde geschaut, wo Bedarf besteht, weil Praxen geschlossen werden sollen.

„Das ist für mich der richtige Weg.“ Und es habe sich bereits einiges getan, nennt er die Beispiele Ärztehaus und Facharztzentrum Großrinderfeld und Igersheim. Er ist überzeugt: „Wir sind meilenweit davon entfernt, den Totengesang auf die ärztliche Versorgung anzustimmen.“

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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