50 Jahre Main-Tauber-Kreis

Main-Tauber-Kreis: „Puppenstube“ mit viel Power und Elan

Beim Festakt wurden die Tugenden der Region, und die wirtschaftliche Kraft durch einen starken Mittelstand beleuchtet

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Heike von Brandenstein
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Voll in seinem Element: Prof. Stefan R. Halder, Chefdirigent des Landespolizei-orchesters Baden-Württemberg, nahm seine Musiker und das Publikum mit. © Heike von Brandenstein

Main-Tauber-Kreis. Ein Festakt ohne Grußworte, mit einer kurzen aber prägnanten Rede des Landrats und einer durchaus launigen Talkrunde: Kurzweilig waren diese zwei Stunden im Innenhof von Kloster Bronnbach am Freitagnachmittag.

Die Sitzordnung im Kreuzganginnenhof war ausgeklügelt. Schließlich ist der Platz begrenzt. Drei Blöcke waren gebildet worden: einer für frühere Kreisräte, der zweite für die Verwaltung und externe Gäste, der dritte für den amtierenden Kreistag. Letzterer hatte im wahrsten Sinne des Wortes den Platz an der Sonne an diesem heiteren und sonnigen Frühsommertag.

Schmissige Rhythmen und ausgefeilte Interpretationen. Das Landespolizeiorchester Baden-Württemberg begleitete den Festakt „50 Jahre Main-Tauber-Kreis“, der von Kulturamtsleiter Frank Mittnacht moderiert wurde, aufs Beste. © Heike von Brandenstein

„Die kommunale Familie im Landkreis ist stark und geeint.“ Landrat Christoph Schauder verbreitete in seiner Rede beim Festakt „50 Jahre Main-Tauber-Kreis“ ein optimistisches Gefühl des Zusammenhalts. Das halbe Jahrhundert der Zusammenführung eines württembergischen und eines badischen Landkreises zum Main-Tauber-Kreis im Zuge der Kreisreform von 1973 habe unmissverständlich verdeutlicht, dass Kirchturmdenken und Kleinstaaterei nicht weiterbringen.

Relevant für Menschen vor Ort

Er hob die Relevanz der Landratsämter für das alltägliche Leben der Menschen hervor, auch wenn das oft nicht bemerkt würde. Als Beispiele nannte er die Koordinierung des Öffentlichen Personennahverkehrs, die Abfallentsorgung, die Breitbandversorgung oder die Jugendhilfe.

Beim Blick zurück sprach Schauder von einem nicht immer einfachen Weg beim Zusammenwachsen. Gerade die Bewältigung von schwierigen Situationen, wie das Hochwasser 1984 in Königheim, die Flüchtlingskrisen oder die Corona-Pandemie hätten aber das Gefühl der Zusammengehörigkeit im Landkreis bestärkt. Seit Jahren nun arbeite die Kreisverwaltung allerdings im Krisenmodus, beschrieb er die Ist-Situation und mahnte die Überlastung der Verwaltung an, die so nicht länger bestehen könne.

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Deshalb forderte er, dass sich Gesetze an der Umsetzung vor Ort orientieren müssten und die Eigenverantwortung wieder stärker in den Fokus gerückt werden müsse. Schauder: „Ich denke, man sollte sich von der Vorstellung verabschieden, dass jede Einzelheit vom Staat geregelt werden kann.“

Das Landespolizeiorchester Baden-Württemberg leitete mit den „Klezmer Classics“ fulminant über zur Talkrunde, die souverän, leicht und unterhaltsam von SWR-Redakteurin Rosi Düll moderiert wurde. Grit Puchan, Ministerialdirektorinim im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, erinnert sich gern an ihre Zeit als Dezernentin im Main-Tauber-Kreis.

Die Talkrunde (von links) Dr. Manfred Wittenstein, Reinhard Frank, Prof. Dr. Stefan Gläser, Rosi Düll, Anette Schmidt, Grit Puchan und Georg Denzer. © Heike von Brandenstein

In der manchmal auch „harten Schule“ des damaligen Landrats Georg Denzer habe Grit Puchan gelernt, dass es wichtig sei, nahe bei den Menschen zu sein und Präsenz bei Festen und Feiern in der Fläche des sehr großen Main-Tauber-Kreises zu zeigen.

Altlandrat Reinhard Frank sinnierte auf die Frage, ob er bei der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform von 2005 als Identitäts- oder Friedensstifter gewirkt habe, über den Kulturschock der einen oder anderen Führungskraft. Mit der Eingliederung der Sonderbehörden in die Landkreisverwaltung hatten sie plötzlich einen Landrat als Chef. In vielen Gesprächen und mit einer guten Zielplanung habe man es aber geschafft, zu einem gemeinsamen Korpsgeist zu kommen.

Landrat Christoph Schauder bei seiner kurzen und prägnaten Rede mit Rückblick, Ist-Zustand und Ausblick für den Main-Tauber-Kreis. © Heike von Brandenstein

Prof. Dr. Stefan Gläser sprach vom Main-Tauber-Kreis als eine Region, in der man sich wohl fühlen kann. „Im Main-Tauber-Kreis verbinden sich der württembergische Fleiß mit der badischen Großzügigkeit“, beschrieb er das Lebensgefühl. Gläser lobte den Landkreis, der in Baden-Württemberg ganz oben sei mit seiner respektablen Anzahl an erfolgreichen Mittelständlern, um den ihn die bayerische Seite beneide. Zu recht könne sich der Main-Tauber-Kreis als Region der Weltmarktführer präsentieren, die sich auch kulturell und wissenschaftlich engagierten.

Toller „Spirit der Region“

„Was für eine Puppenstube“, habe Dr. Manfred Wittenstein gedacht, als er von seinem Studium aus Berlin zurück nach Bad Mergentheim kam. Aus der ländlich geprägten Region sei mittlerweile ein Hort von dringend benötigten Facharbeitern geworden, die von den heimischen Mittelständlern ausgebildet und für die Karriere vor Ort begeistert würden. Wittenstein schwärmte vom „Spirit der Region“, der Leute aus dem Ausland fasziniere. Er plädierte, nicht zu jammern, sondern zu machen und verwies auf ein Forschungsprojekt mit der Universität Würzburg, das darauf ausgelegt sei, neue Dinge zu entwickeln, die wirken.

Mitbringsel der Talkrunde

Weil jeder Teilnehmer der Talkrunde ein kleines persönliches Mitbringsel, das seine Verbindung zum Main-Tauber-Kreis verdeutlicht, dabei haben sollte, wurde deren Bedeutung vorgestellt.

Grit Puchan hatte Wein und Grünkern dabei und brachte damit nicht nur heimische Spezialitäten mit, sondern warb als Ministerialdirektorin im Landwirtschaftsamt von Amts wegen gleich für die Nahversorgung mit regionalen Produkten.

Altlandrat Reinhard Frank hatte eine Sonderausgabe der Mitarbeiterzeitung dabei, die zu seinem Abschied erstellt wurde und seine Zeit als Amtsinhaber beleuchtet. „Das ist eine tolle Reminiszenz an schöne, tolle Jahre“, so Frank

Prof. Dr. Stefan Gläser hatte seine uneingeschränkte Solidarität mit dem Landkreis und mit der Stadt Wertheim, in der er viele Jahre als Oberbürgermeister wirkte, im Gepäck.

Dr. Manfred Wittenstein brachte das mit, was von ihm als erfolgreichem Mittelständler erwartet wurde: Ein „kleines Ding“, das drei Mal vo viel Wert ist wie Gold und für den Weltraum entwickelt wird. Ein High-Tech-Produkt, das als Synonym für den erfindungsreichen und technisch hoch versierten Mittelstand in der Region steht.

Anette Schmidt hatte als Mitbringsel ein Bild ihres Vaters mitgenommen, der als Beamter bei der Landkreisverwaltung tätig war. „Deshalb ist für mich der Landkreis seit minen Kindertagen präsent“, erläuterte sie die lange und positiv besetzte Beziehung. Eine Anekdote gab sie zudem preis: Als ihr Bruder noch sehr klein war und noch nicht alle Worte komplett beherrschte, sollte er jemandem sagen, wo denn der Papa arbeite. Die Antwort des Kleinen: „Beim Langsamamt.“

Altlandrat Georg Denzer hatte ein Büchlein von Eduard von Habsburg-Lothringen mit dem Titel „Wo Grafen schlafen“ mitgebracht. Darin beschreibt er Kloster Bronnbach, in dem er Wochen im Sommer und Winter verbracht hat. Ob das ein Schloss oder ein Kloster sei? Irgendwie ja beides, gibt er mit Blick auf die dort einst residierende Verwandtschaft zu. Die Mutter des Autors ist Christiana von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, der Vater Michael von Habsburg-Lothringen Erzherzog von Österreich. Damit ist Eduard von Habsburg-Lothringen Enkel von Karl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg und mütterlicherseits Urururenkel von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth, genannt Sissi. Denzer schelmisch: „Hätten Sie’s gewusst?“

Gutes kommunales Miteinander

„Wir müssen schauen, dass wir in der Region stark sind“, beschrieb die erste Bürgermeisterin im Main-Tauber-Kreis, Anette Schmidt, das kommunale Zusammenspiel von Städten, Gemeinden und Landkreis. Die Chefin der Kreisstadt Tauberbischofsheim berichtete über konstruktive und vertrauensvolle Gespräche in der Bürgermeisterrunde und versicherte, dass das Amt zwar fordere, aber in seiner Vielfalt enormen Spaß mache.

Als erster und bislang einziger Landrat war es Georg Denzer, der am 24. Juni 1984 einen Katastrophenalarm auslösen musste. Vergleichbar mit dem Ahrtal vor zwei Jahren sei das damals jedoch nicht gewesen, meinte er, aber: „Für uns war das eine Katastrophe“. Er erinnerte sich, wie er, als geübter Reservist, einen Bundeswehrhubschrauber für einen Erkundungsflug bestieg „als wäre es meiner“. Er selbst habe eine Frau vom Baum in den Flieger gehievt, berichtete er auf Nachfrage von Rosi Düll. Denzer „Mit einer Hand fürs Vaterland, und mit der anderen für die zu Rettende.“

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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