Main-Tauber-Kreis. Bereits 2015, als der Landkreis und die Kommunen noch um die beste flächendeckende Lösung beim Breitbandausbau rangen, stand fest: Letztlich wird es die Glasfaser sein, die das wirklich schnelle Internet bringen wird. Optimal wäre der Zugang zu jedem einzelnen Haushalt, hieß es schon damals. Eine ländliche Region aber komplett mit Glasfaser zu versorgen, war 2015 noch nicht realisierbar.
Damals standen zwei Erschließungsmöglichkeiten zur Debatte. Die eine hieß Ausbau eines „Backbone“-Netzes und hätte von Landkreis und Kommunen selbst finanziert werden müssen. Die andere war das sogenannte Deckungslückenmodell. Hier baut der gewählte Anbieter all die Bereiche selbst aus, die sich für das Unternehmen wirtschaftlich rechnen. Die Versorgung der anderen, weniger attraktiven Gebiete, haben Kreis und Kommunen bei entsprechender Förderung von Bund und Land zu übernehmen.
Übergangslösung
Aus zeitlichen und finanziellen Gründen wurde im Main-Tauber-Kreis vor sechs Jahren mehrheitlich das Deckungslückenmodell gewählt – gepaart mit einem stufenweisen Ausbau. Um den Bürgern ein schnelleres Internet zu ermöglichen, wurde zunächst auf das von der Telekom angebotene Vectoring-Konzept (VDSL) für die letzten Meter bis zum jeweiligen Haushalt gesetzt.
Vectoring basiert allerdings auf dem Kupferkabel und ist längst nicht so schnell wie die Glasfaser. Außerdem hängt die Geschwindigkeit bei den Up- und Downloads von der Entfernung zum nächsten grauen Verteilerkasten an der Straße ab. Je weiter der Weg ist, je geringer ist die Übertragungsrate. Vectoring – das war den Verantwortlichen der federführenden Wirtschaftsförderung beim Landratsamt als zuständige Schaltstelle vor Ort für den Breitbandausbau klar – könne deshalb nur eine Übergangslösung sein.
Nachdem die meisten Haushalte, alle Schulen im Landkreis und viele Gewerbegebiete ans Glasfasernetz angeschlossen sind und derzeit auch die sogenannten weißen Flecken – abgelegene Weiler und Aussiedlerhöfe – an eine schnellere Datenübertragung angeschlossen werden, steht nun Stufe 5 an.
Für den Ausbau von FFTH (Fibre to the Home – Glasfaser bis ins Haus) bewarben sich drei Unternehmen für diese Aufgabe im Landkreis: Die Breitbandversorgung Deutschland (BBV), die Deutsche Glasfaser und die Gesellschaft Deutsche Giganetz. Letztlich fiel die Entscheidung von Kreistag und allen 18 Städten und Gemeinden im Main-Tauber-Kreis auf die BBV.
Symmetrischer Ausbau
Wesentliche Gründe waren die geringe Vermarktungsquote von 20 Prozent, mit der die Garantie zum FFTH-Ausbau verbunden ist. Bei den anderen Anbietern waren das 40 oder 35 Prozent. Zudem ist die BBV bereits im Neckar-Odenwald-Kreis aktiv und wird von dort aus im südwestlichen Main-Tauber-Kreis weiterbauen. „Wir bauen symmetrisch aus“, informiert Thomas Fuchs, Pressesprecher der BBV. Das bedeute, dass die Geschwindigkeiten im Up- und Download gleich sind.
Vorteilhaft sei das für alle, die im Homeoffice arbeiten oder auf Clouddienste, Dropboxen oder WeTransfer angewiesen sind. „Die BBV“, so Fuchs, „baut ihre Netze als einer der ganz wenigen Anbieter immer gleich synchron“, so Fuchs. Die angebotenen Geschwindigkeiten beginnen bei 300 Megabit und verlaufen über 500 und 700 Megabit bis zu einem Gigabit.
Auf drei bis vier Jahre wird die Bauzeit für das flächendeckende Glasfasernetz geschätzt. In den drei zuvor festgelegten Clustern Mitte, Nord-West und Süd-Ost wird in eben dieser Reihenfolge ausgebaut. Die Werbemaßnahmen für „toni.“ laufen bereits und lassen sich sich am grün-türkisen Farbverlauf erkennen.
Neben Infobussen und -ständen werden drei Ladengeschäfte in der Hauptstraße 44 in Tauberbischofsheim, in der Eichelgasse 8 in Wertheim und in der Kapuzinerstraße 14 in Bad Mergentheim eingerichtet. Darüber hinaus soll es Vereins- und Vertriebspartnerschaften sowie Kooperationen mit Stadtwerken und Kommunen sowie Informationsveranstaltungen geben.
Vorvermarktungsphase lautet der Name dieser Akquise, die zum Ziel hat, mindestens 20 Prozent oder rund 14 000 Verträge abzuschließen, bevor mit dem tatsächlichen Bau losgelegt wird. In dieser Zeit müssen viele Fragen beantwortet werden. Denn jetzt geht es nicht mehr um Arbeiten unter dem Bürgersteig oder am grauen Kasten an der Straße, sondern auf dem eigenen Grundstück. Nicht Kreistag oder Gemeinderat bestimmen, ob das Glasfasernetz kommt oder nicht, sondern die Bereitschaft der Hausbesitzer, sich auf dieses Unterfangen einzulassen.
Im Neckar-Odenwald-Kreis liegt die Vorvermarktungsquote bei knapp 80 Prozent über der eigentlichen Zielmarke. Ende Juni fiel in Aglasterhausen der Startschuss, um die Bagger rollen zu lassen. In einer gemeinsamen Presseerklärung des Neckar-Odenwald-Kreises und der BBV wurde verkündet, dass der Neckar-Odenwald-Kreis der erste Landkreis in Deutschland sei, der flächendeckend und ohne Steuer- und Fördergelder ausgebaut wird.
Gemeinschaftsaufgabe
Für Thomas Fuchs stellt sich die enge Zusammenarbeit zwischen Landkreis, Kommunen und BBV als Win-Win-Situation dar: „Letztlich geht es um den für alle kostenneutralen Aufbau einer modernen Infrastruktur bis in jedes Gebäude. Das ist eine unserer wichtigsten Gemeinschaftsaufgaben.“
Der Staat, so Thomas Fuchs, halte sich hier aufgrund weitgehend leerer öffentlicher Kassen vornehm zurück, obgleich ein schneller digitaler Zugang mittlerweile ganz klar zur Daseinsvorsorge zähle.
Erdrakete gräbt sich wie ein Maulwurf zum Haus
125 Millionen Euro will die Breitbandversorgung Deutschland (BBV) im Main-Tauber-Kreis investieren, wenn sie im nördlichsten Landesteil ein Glasfasernetz aufbaut. Das 2015 gegründeten Unternehmen mit Sitz im hessischen Dreieich wurde Ende Juni vergangenen Jahres von der britischen Infracapital übernommen, die in ganz Europa mit entsprechenden Fonds in verschiedene Infrastrukturprojekte investiert.
Das erste Glasfasernetz baute die BBV in Römerberg bei Speyer. Ferner war sie in Bretten und im Rhein-Neckar-Raum aktiv, heute liegen die Schwerpunkte in Baden-Württemberg, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Die BBV bekennt sich zum Open Access, bietet also auch anderen Betreibern ihre Glasfaseranschlüsse an. Wer im Main-Tauber-Kreis einen Glasfaseranschluss im Haus haben will, muss mit der BBV einen Vertrag schließen. In der Praxis handelt es sich um die Verpflichtung, zur BBV zu wechseln, wenn der Glasfaseranschluss im Haus liegt und nutzbar ist.
Zehn Meter zum Haus inklusive
„Grundsätzlich sind in der Vorvermarktung mit einem „toni.“-Internetvertrag die ersten zehn Meter für die Verlegung der Glasfaser von der Grundstücksgrenze bis zum Haus im Rahmen der Vorvermarktung kostenfrei“, informiert BBV-Pressesprecher Thomas Fuchs. Nach dem Ende der Vorvermarktungsphase müssen die Anschlusskosten dann allerdings von den Kunden selbst getragen werden.
Die Glasfaserkabel werden in einer Tiefe von 40 bis 60 Zentimeter verlegt. Das geschieht entweder mit dem Spaten oder mit einem Spezialbagger mit einem schmalen Löffel. Verläuft der Weg zum Haus unter Einfahrten hindurch, wird eine Erdrakete eingesetzt, die sich in 50 Zentimetern Tiefe wie ein Maulwurf zum Haus gräbt.
Um die Glasfaser in den Keller des Gebäudes zu bringen, wird ein Loch mit 20 Millimeter Durchmesser von unten nach oben in die Kellerwand gebohrt, damit kein Wasser eindringen kann. Danach wird es wasserdicht verschlossen.
Innenverkabelung exklusive
Die Glasfaserleitung im Keller endet in der Glasfaser-Abschlussdose (APL). Vom APL aus wird über eine weitere Glasfaser im Rahmen der Aktivierung des Anschlusses das Glasfaser-Endgerät (ONT), das in der Nähe einer Steckdose angebracht werden muss, angeschlossen. Hier endet der Auftrag der BBV. Für die Verkabelung im Hausinnern, also vom ONT zum Router, ist der Hauseigentümer oder der Mieter selbst verantwortlich.
Einfacher Anbieterwechsel
Wie der vertraglich vereinbarte Wechsel vom vorherigen Anbieter zur BBV funktioniert, erläutert Thomas Fuchs: „Für denjenigen, der seine alte Rufnummer mitnehmen will, kündigt die BBV den bestehenden Vertrag. Dafür muss lediglich das Portierungsformular ausgefüllt werden. Sollte keine Rufnummermitnahme gewünscht sein, muss der bestehende Vertrag selbst gekündigt werden.“
Monatlich kündbar
In jedem Fall, empfiehlt Fuchs, sollte mit der eigenen Kündigung bis zur Anbringung der Glasfaser-Abschlussdose gewartet werden. Erst dann sei eine Kündigung sinnvoll, weil kein Leerlauf entsteht, in dem vielleicht keine Telefon- oder Internetanbindung besteht. Die Vertragslaufzeit beginne erst mit Ablauf des Altvertrags, so der BBV-Pressesprecher. Die Verträge mit der BBV seien monatlich kündbar.
In den kommenden Wochen und Monaten will die Breitbandversorgung Deutschland bei den Bürgern mit viel Information und einem in- dividuellen Beratungsangebot auf vielen Kanälen punkten. hvb
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