Feuerwehren im Main-Tauber-Kreis - Kreisbrandmeister Andreas Geyer im Redaktionsgespräch / 1200 Einsätze in 2021 / Überlandhilfe mit Spezialgerät ergänzen

Kreisbrandmeister: „Wir brauchen eine fünfte Drehleiter im Main-Tauber-Kreis“

1200 Feuerwehreinsätze gab es 2021 im Main-Tauber-Kreis. Die Zahlen steigen und Kreisbrandmeister Andreas Geyer möchte das interkommunale Zusammenwirken bei Großereignissen weiter stärken.

Von 
Sascha Bickel
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Großeinsatz: Die Gaststätte und Ankunftsstation des Campingplatzes „Willinger Tal“ (Bad Mergentheim) brannten im Dezember 2018 nieder. © Sascha Bickel

Main-Tauber-Kreis. „Mein Feuer – Dein Feuer“ dieses Denken gehört längst der Vergangenheit an. Ganz im Gegenteil: Kreisbrandmeister Andreas Geyer arbeitet daran, die interkommunale Zusammenarbeit im Feuerwehrwesen auszubauen, damit die rund 4000 aktiven Einsatzkräfte im Main-Tauber-Kreis optimal eingesetzt werden und die Schlagkraft der ehrenamtlichen Feuerwehrleute, die höchsten Respekt verdiene, hoch bleibe.

Feuerwehr: Zahlen und Fakten



Die 18 Städte und Gemeinden im Landkreis betreiben 18 kommunale Feuerwehren. Zudem gibt es vier Werkfeuerwehren und noch die Bundeswehr-Feuerwehr am Heeresflugplatz in Niederstetten. Auf den Main-Tauber-Kreis verteilen sich 123 Einsatzabteilungen mit rund 4000 aktiven Feuerwehrleuten. Die Jugendfeuerwehren umfassen rund 1000 Mitglieder und die Altersabteilungen weitere 1000 Kameraden. Es gibt derzeit 113 Werkfeuerwehrangehörige und wie erwähnt die hauptamtlichen Kräfte der Bundeswehr-Feuerwehr.

„2021 wurden über 1200 Einsätze im Landkreis von den Freiwilligen Feuerwehren abgeleistet“, berichtet Kreisbrandmeister Andreas Geyer: „Wir haben eine stetige Zunahme der Einsätze, bedingt zum Beispiel auch durch Notfalltüröffnungen, weil die Bevölkerung immer älter wird, aber ebenso durch mehr Brandmeldeanlagen, Fehlalarme und so genannte E-Call-Alarmierungen in modernen Autos nach Unfällen.“ Es gebe also sowohl technische als auch menschliche Gründe für die steigenden Einsatzzahlen. Die Feuerwehr werde heute tendenziell eher alarmiert, meint Geyer und nennt ein Beispiel: „Wenn früher ein Mülleimer in der Nachbarschaft brannte, kam jemand und löschte selbst mit einem Eimer Wasser. Heute wird sofort die Feuerwehr gerufen, was verständlich und auch nicht falsch ist.“

In der Pandemie machte Geyer klar aus, dass während den Lockdowns weniger passierte, weil die Menschen zu Hause blieben und nicht so viel unterwegs waren, während in Zeiten der Lockerungen wieder mehr geschah. Überrascht hat ihn: „An Silvester hatten wir keinen einzigen Einsatz – das gab es noch nie und hängt natürlich mit den Corona-Einschränkungen zusammen.“

Im Landkreis stehen 180 Einsatzfahrzeuge und 105 Anhänger bei den kommunalen Feuerwehren für die Helfer bereit.

Die Zahl von 4000 Aktiven ist seit Jahren im Landkreis weitgehend konstant und das freut den Kreisbrandmeister. Der ländliche Raum, die Verbundenheit mit der Feuerwehr und familiäre Vorprägungen seien hier natürlich sehr hilfreich. Mit etwas Sorge blickt er auf den Nachwuchs, die Jugendfeuerwehren. Denn diese mussten in der Pandemie teilweise lange ihren Dienst einstellen, „das könnte nachwirken und Bindungsverluste bedeuten“, so Geyer: „Mal schauen, ob es eine Delle bei den Mitgliederzahlen gibt.“ Noch könne er dazu nichts Genaues sagen. sabix

Eine moderne Ausstattung für jeden Einzelnen und im Fuhrpark, die Einführung des Digitalfunks, noch mehr aufeinander abgestimmte Alarmierungs-, Ausrücke- und Löschwasserkonzepte, die Neuregelung der Überlandhilfe und der gegenseitigen Verrechnung dieser Einsätze, Förderanträge, Aus- und Weiterbildung sind Themen, mit denen sich Kreisbrandmeister Andreas Geyer (42) beschäftigt, wenn ihn gerade nicht die Pandemie fordert.

Schwierige Zeit

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Corona hat einiges durcheinandergebracht – auch den Wechsel des Kreisbrandmeisters im Frühjahr 2020. Alfred Wirsching verabschiedete sich in den verdienten Ruhestand und Andreas Geyer, der 2012 in den Landkreis gekommen war und zunächst hauptamtlicher Bad Mergentheimer Stadtkommandant wurde, übernahm den Posten im Landratsamt. „Im März 2020 wechselte ich in die Kreisbehörde, doch statt einer geordneten Einarbeitung wurde alles von der aufziehenden Corona-Krise und dem ersten Lockdown überlagert“, erinnert sich Andreas Geyer: „Es war eine schwierige Zeit, alles was man vorgeplant hatte, konnte so – teilweise bis heute – nicht stattfinden. Schnell wurde ein Krisenstab auf Kreisebene gebildet und die Pandemie überschattet auch zwei Jahre später noch vieles. Regelmäßige Präsenzsitzungen aller Feuerwehrkommandanten, bei denen man Auge in Auge miteinander spricht und eben nicht nur am Bildschirm, vermisse ich coronabedingt beispielsweise bis heute. Dabei wäre es mir so wichtig, unser Netzwerk auf der Führungsebene zu vertiefen.“

Das Feuerwehrwesen im gesamten Landkreis weiterentwickeln helfen, von Freudenberg bis Creglingen – mit diesem Gedanken bewarb sich Geyer damals um seinen Job. Am Herzen liegen ihm einheitliche Ausbildungskonzepte, effiziente Fahrzeugkonzeptionen, aber auch Neuregelungen bei der Überlandhilfe, wenn zum Beispiel die Bad Mergentheimer Kameraden zur Unterstützung nach Boxberg ausrücken.

Der Aufbau und Betrieb des Kreisimpfzentrums kostete Zeit und Kraft, ebenso wie vieles mehr rund um Corona. Umso dankbarer ist Andreas Geyer seinem Team im personell verstärkten Sachgebiet des Landratsamtes für die Unterstützung, aber auch allen Einsatz- und Führungskräften der Feuerwehren für ihr Engagement in diesen Pandemiezeiten. „Trotz Omikron-Welle bleibt inzwischen wieder mehr Zeit für den Einsatzdienst und die reinen Feuerwehrangelegenheiten“, so Geyer, der aktuell die Anträge auf Landesförderung für Fahrzeugbeschaffungen auf dem Tisch hat.

„Hauptfeuerwehren einsatzfähig“

Er ist froh, dass die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren, auch dank einer hohen Impfquote unter den Kameraden, nicht gefährdet ist. Als noch überschaubar stuft Geyer zudem die Probleme bei Tag- und Nachtbereitschaften ein. Ja, es gebe einzelne Abteilungen im Kreis, die vor allem tagsüber nicht schnell und ausreichend einsatzfähig seien, „aber die Hauptfeuerwehren funktionieren überall“, betont der Kreisbrandmeister zufrieden und schiebt nach: „Im Ernstfall gibt es außerdem die Überlandhilfe.“

Geyer sagt: „Wenn ich mir die Städte und Gemeinden insgesamt anschaue, dann haben wir sehr starke Feuerwehren, die sich stets gegenseitig helfen.“ Die Eintreffzeiten würden grundsätzlich eingehalten und „durch die interkommunale Zusammenarbeit sind wir auch sehr breit aufgestellt“.

Fusionen kleinerer Abteilungen steht Geyer, wie sein Amtsvorgänger auch, offen gegenüber und setzt hier ebenso auf Freiwilligkeit. Die Beschlüsse dafür müssten vor Ort gefasst werden. Es mache nur Sinn, „wenn die Leute mitziehen“. Beispiele seien hier Urphar und Lindelbach, aber auch die vorhandenen Überlegungen von Wachbach und Hachtel oder Herbsthausen und Rot. Einsatztaktisch gesehen, sei es natürlich immer sinnvoll, sich „etwas mehr zu konzentrieren und gemeinsam stark auszurücken“.

Eine gute Gelegenheit, sich über all dies Gedanken zu machen und die Feuerwehr im Ganzen zu durchleuchten (Anschaffungen, Sanierungsmaßnahmen, etc.), seien die Feuerwehr-Bedarfspläne. In Bad Mergentheim wurde ein solcher schon vor fünf Jahren erstellt und stehe nun zur Fortschreibung an, in Ahorn sei man gerade fertig und in Boxberg, Lauda-Königshofen und Wertheim aktuell dran.

Ein wichtiger und auch kostspieliger Punkt sind dabei die Fahrzeugkonzepte. Allein 180 Einsatzfahrzeuge gibt es im Landkreis. „Was wird wo vorgehalten und was wird wo gebraucht?“, sind spannende Fragen laut Geyer, der zunächst auf die Großfahrzeuge zu sprechen kommt: „Aktuell haben wir vier Drehleitern, jeweils eine in Wertheim, Tauberbischofsheim, Bad Mergentheim und Weikersheim. Ich sehe eine fünfte Drehleiter im Landkreis! Das steht auf meiner Bedarfsliste weit oben, denn wir sind nun einmal ein Flächenlandkreis und eine Drehleiter darf nur zehn Minuten bis zur Einsatzstelle brauchen, um bei der Menschenrettung schnell helfen zu können. Das ist momentan aber nicht für einige weit entlegene Ortschaften zu schaffen.“

Für Wechsellader-Konzepte

Einen fünften Einsatzleitwagen, Richtung Südkreis, hält Geyer auch für erforderlich. Froh ist er über die neuen Großtanklöschfahrzeuge, die demnächst in Wertheim und Tauberbischofsheim (mit jeweils 4000 Litern an Bord) Einzug halten. In Niederstetten ist das neue Fahrzeug (mit 3000 Litern) schon eingetroffen. Der Kreisbrandmeister weiß um die hohen Investitionskosten für die anhaltende Modernisierung der Fahrzeugflotte und macht sich auch dazu viele Gedanken. Er schlägt vor, dass Wechsellader-Konzept, das es bisher nur in Bad Mergentheim gibt, zum Beispiel auch auf Wertheim, Tauberbischofsheim und Lauda-Königshofen auszudehnen.

Die Wechsellader-Fahrzeuge bringen so genannte Abrollbehälter an die Einsatzstelle, laden sie vor Ort ab und holen nach Bedarf weitere Spezialausrüstung. Die erstanrückenden Lösch- und Tanklöschfahrzeuge bekämen so zeitnah „kraftvolle Unterstützung und Ressourcen hinzu“, meint Geyer: „Über diesen Weg könnten wir im Kreis verteilt, Abrollbehälter mit Schaummittel, Löschpulver oder Kohlenstoffdioxid beschaffen, oder einen Behälter mit Auffangmaterial oder einen Baucontainer für längere Einsatzstellen zum Aufwärmen der Feuerwehrleute, oder einen Abrollbehälter für die Einsatzleitung mit mehr Technik und mehr Platz. Wir bräuchten auch einen Abrollbehälter ,Notstrom’ oder ,Hochwasser’ mit einer Sandsackfüllmaschine. Die selten benötigten Rüstwagen könnten durch Abrollbehälter ,Rüst’ ersetzt werden.“

Dass die Spezialbehälter im Rahmen der Überlandhilfe zu den Einsatzorten angefordert und herangebracht werden, steht für Andreas Geyer im Zentrum. Die zumeist ehrenamtlichen Kommandanten sollten stets ausreichend Unterstützungskräfte zum bestmöglichen Agieren vor Ort haben, sie dürften sich nicht „gehemmt fühlen“, Kräfte nach zu alarmieren.

„Nichts mehr verrechnen“

„Deshalb wäre es auch mein großer Wunsch, wenn wir gemeinsam erreichen könnten, dass für die Überlandhilfe künftig keine Kostenverrechnung mehr zwischen den Kommunen erforderlich ist. Dann könnten nämlich problemlos zu einem Dachstuhlbrand zwei Drehleitern anrücken, um noch handlungsfähiger zu werden“, so Geyer, der auch noch die Alarm- und Ausrückeordnung für die Autobahn 81 überarbeiten möchte, die im Abschnitt Boxberg-Gerchsheim bislang nur von Tauberbischofsheim abgedeckt wird: „Auch da sollten wir aufgrund der großen Strecken etwas ändern, aber alles der Reihe nach, Stück für Stück.“

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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