FN-Interview

Kommunale Kassen: Herausforderungen und Lösungen im Main-Tauber-Kreis

Die kommunale Familie zusammenzuhalten, sieht Landrat Christoph Schauder als seine Aufgabe an. Doch das ist gar nicht so einfach in einem Flächenlandkreis mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen und lokalen Themen.

Von 
Heike von Brandenstein
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Landrat Christoph Schauder im Interview mit FN-Redakteurin Heike von Brandenstein. © Landratsamt Main-Tauber-Kreis/Markus Moll

Main-Tauber-Kreis.

Die kommunalen Kassen werden klammer, die Steuereinnahmen sinken. Das spüren auch Landkreis und Kommunen. Darüber, wie Landrat Christoph Schauder die Situation einschätzt und wie er Themen wie Breitbandversorgung, Bürgerspital Wertheim oder Flüchtlingsunterbringung einschätzt, sprach er mit den FN.

Die Kommunen, und damit auch die Landkreise, klagen, dass sie für die ihnen auferlegten Aufgaben zu wenig Mittel von Bund und Land erhalten. Wie sieht es im Main-Tauber-Kreis aus?

Christoph Schauder: Vor wenigen Tagen hat der Kreistag mit einer breiten Mehrheit den Kreishaushalt für das Jahr 2025 verabschiedet. Allein dieses Ergebnis zeigt, dass die Verhandlungen davor von einem guten Miteinander und von großem gegenseitigem Vertrauen geprägt waren. Dennoch muss man klar sagen, dass der Kreishaushalt 2025 mit Abstand der schwierigste in meiner bisherigen Zeit als Landrat ist. Das liegt vor allem daran, dass der Sozialhaushalt mit 118 Millionen Euro durch die Decke geht und uns die Einnahmen wegbrechen. Großes Problem ist, dass die Landkreise momentan nur 14 Prozent der Steuereinnahmen erhalten, aber 25 Prozent der Ausgaben bewerkstelligen sollen. Das kann langfristig nicht funktionieren.

Was müsste sich ändern?

Schauder: Es müsste sich schnell ganz viel ändern. Die Bundesregierung müsste auf jeden Fall die Finanzbeziehungen zu den Kommunen auf neue Füße stellen. Ein Problem ist, dass der Bund viele Jahre geglaubt hat, mit Geld Probleme lösen zu können. Das geht in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums, aber in einer Rezession kann das nicht mehr funktionieren. Der Bund muss viel stärker als bisher auf Kommunen und Landkreise hören. Wir sind die Praktiker vor Ort und können sagen, was möglich ist und was nicht geht.

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Wo sehen Sie als Praktiker im sozialen Bereich Sparpotenzial?

Schauder: Der Deutsche Landkreistag prognostiziert in diesem Jahr für die Landkreise ein Defizit von rund 2,6 Milliarden Euro. Das zeigt, dass etwas in Schieflage ist. Vor diesem Hintergrund wird man nicht umhinkommen, Standards zu überdenken.

Welche sind das?

Schauder: Ein Thema ist das Bundesteilhabegesetz. Vom Grundgedanken her ist es eine richtige und wichtige Sache, auch beeinträchtigten Menschen Teilhabe zu ermöglichen. Aber hier wurde ein wahres Bürokratiemonster aufgebaut. Mit einer mehrfach behinderten Person den Fall individuell mit ihr selbst oder ihrer Betreuungskraft durchzugehen, baut zwangsläufig Bürokratie auf. Im Endeffekt ist es so, dass dafür viel Geld ausgegeben werden muss, aber bei dem Menschen nicht wirklich viel ankommt. Das ist ein Riesenproblem. Deswegen muss es zu den Hauptaufgaben einer neuen Bundesregierung gehören, das Bundesteilhabegesetz, wie zahlreiche andere Gesetze, grundlegend zu überarbeiten. Von unserem Sozialetat von 118 Millionen Euro nimmt das Bundesteilhabegesetz fast ein Drittel ein. Allein das zeigt doch, das hier etwas nicht stimmen kann.

Also wieder zurück zur Pauschale?

Schauder: An einer Rückkehr zu pauschalierten Leistungen wird kein Weg vorbeiführen.

Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Im Vorfeld wurde viel darüber diskutiert, ob das organisatorisch überhaupt machbar ist. Wie sehen Sie die Sache?

Schauder: Man muss sich in Erinnerung rufen, dass unsere Großeltern und Eltern dieses Land aus Trümmern im Schweiße ihres Angesichts aufgebaut und zu einem der wohlhabendsten dieser Erde gemacht haben. Und nun soll es nicht möglich sein, innerhalb von kurzer Zeit eine Bundestagswahl zu organisieren? Ich habe diese unnötige Diskussion nie verstanden. Selbstverständlich ist es innerhalb einer kurzen Zeit möglich, professionell eine Bundestagswahl zu organisieren. Einfach mal machen. Punkt.

Die Flüchtlinge beschäftigen Landkreis und Kommunen weiterhin. Die Belegung von Königheim hat im Dezember begonnen. Wie ist der Stand der Dinge?

Schauder: Wir haben ja ein dreigliedriges System in Baden-Württemberg. Für die Erstaufnahme ist das Land, für die vorläufige Unterbringung sind die Landkreise und für die Anschlussunterbringung die Städte und Gemeinden zuständig. Zu den Zahlen: Bis zum 31. Oktober 2024 wurden 18 864 Asylantragsteller ohne ukrainische Flüchtlinge in der Erstaufnahme des Landes aufgenommen. 2023 waren das 31 296 Personen. Dem Main-Tauber-Kreis wurden im selben Zeitraum 352 Personen zugewiesen. 2023 waren das 738 Personen. Allerdings bleibt die Zugangssituation dynamisch. Zum Jahresende steigen die Zahlen wieder, liegen jedoch unter denen des Vorjahres. Aber wir wissen nicht, wie sich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine entwickelt. Bricht die russische Armee im Donbass durch oder gibt es andere Krisen auf der Welt, wird es zu Fluchtbewegungen kommen.

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Wie viele Plätze halten sie für die vorläufige Unterbringung vor?

Schauder: Wir haben aktuell zwischen 1000 und 1100 Plätze und damit einen gewissen Puffer, der aber sehr schnell dahinschmelzen kann. Wir wollen die Menschen nicht in Notunterkünften – in Turnhallen in beengten Verhältnissen ohne Privatsphäre – unterbringen. Deshalb lassen wir nicht nach. Vor wenigen Tagen haben wir die Baugenehmigung für eine Containeranlage in Wertheim auf dem Reinhardshof mit 130 Plätzen erhalten. Wir gehen davon aus, dass diese Anlage ab Mitte 2025 zur Verfügung steht.

Wie sieht es mit den ukrainischen Kriegsflüchtlingen aus?

Schauder: Ich habe die klare Erwartungshaltung an eine neue Bundesregierung, das zumindest für neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine der Rechtskreiswechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz zum Bürgergeld rückgängig gemacht wird. Dieser Systemwechsel im Sommer 2022 war ein Riesenfehler, weil er eine ausgewogene und gerechte Verteilung in der Europäischen Union unmöglich macht und zu Geflüchteten erster und zweiter Klasse führt.

Sollten die Flüchtlinge, die von diesem Systemwechsel profitiert haben, Bestandsschutz genießen?

Schauder: Das muss der Bundesgesetzgeber entscheiden. Die Rolle rückwärts ist immer schwierig, aber bei entsprechendem politischem Willen möglich.

Der Breitbandausbau stockt. Wittighausen hat schlechte Erfahrungen mit dem dortigen Tiefbauunternehmen gemacht. Was ist zu tun?

Schauder: Wir haben uns im Landkreis in den vergangenen Jahren eine gute Basis-Breitbandinfrastruktur aufgebaut. Jetzt geht es um die Ausbaustufe V, in der jeder Haushalt, der es möchte, Glasfaser bekommt. Diese Stufe ist nur durch einen privatwirtschaftlichen Ausbau realisierbar. Der Landkreis hat sich zusammen mit den Städten und Gemeinden für eine Kooperation mit der BBV entschieden. Hinter dieser Kooperationsvereinbarung stehe ich nach wie vor. Seit eineinhalb Jahren ist aber Sand im Getriebe. Ein Faktor sind personelle Wechsel bei der BBV. Ein weiterer Grund sind schlechte Erfahrungen mit einem einzelnen Bauunternehmen. Eigentlich wollte man aus Fehlern im Neckar-Odenwald-Kreis lernen und den gesamten Main-Tauber-Kreis mit einer Firma ausbauen. Diese Hoffnung hat sich allerdings in Luft ausgelöst, weil die Baufirma den Erwartungen nicht gerecht wurde. Das zeigt sich in Wittighausen und ist für Gemeinde und Bürger äußerst nervig. Dass es aber auch ganz anders funktionieren kann, zeigt der Ausbau in Creglingen. Der läuft absolut geräuschlos. Da arbeitet eine andere Firma, und ich höre nur Gutes.

Glauben Sie, die BBV bekommt den Ausbau in Wittighausen in den Griff?

Schauder: Es besteht ganz klar die Erwartungshaltung, dass die BBV die Probleme mit der einzelnen Baufirma in den nächsten Wochen final in den Griff bekommt. Denn so kann es nicht weitergehen.

Und der weitere Ausbau?

Schauder: Die BBV ist ja in die UGG – Unsere Grüne Glasfaser – aufgegangen, so dass sie Sicherheit über die finanziellen Ressourcen hat und so über eine längerfristige Schlagkraft verfügt. Klare Zielsetzung von BBV ist, im kommenden Jahr den Ankündigungen auch in der Fläche Taten folgen zu lassen. Man hat aus Fehlern gelernt. Einer davon war, alle zwei Monate Ausbauziele zu nennen. Jetzt will man den Ausbau sauber vorbereiten und den jeweiligen Städten und Gemeinden vor dem Ausbau mitteilen, welche Baufirma eingesetzt werden soll. Ich gehe davon aus, dass wir in einem Jahr eine ganz andere Lage haben und mehrere Kommunen im Ausbau sind. Ich bin guter Hoffnung dass es sukzessive nach vorne geht, wobei das Prinzip gelten muss: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Der Grundsatzbeschluss des Kreistags zur Unterstützung der Notfallversorgung am Bürgerspital Wertheim steht. Doch Wertheim ist ungeduldig, was sich auch in Leserbriefzuschriften zeigt. Wie laufen die Gespräche und wann ist ein Ergebnis einschließlich der Nennung einer Fördersumme zu erwarten?

Schauder: Es ist absolut zu begrüßen, wenn es in Wertheim wieder ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung gibt. Aktuell geht es darum, dass sich die Stadt Wertheim gegenüber dem Betreiber des Bürgerspitals vertraglich dazu verpflichtet hat, einen jährlichen Betrag von bis zu 2,75 Millionen Euro zur Abfederung eines Defizits im Zusammenhang mit der Vorhaltung einer Notfallversorgung zu leisten. Im Nachgang hat sich herausgestellt, dass die Stadt Wertheim diesen Betrag nicht aufbringen kann. Daraufhin hat der Kreistag am 23. Oktober einem von mir vorgelegten werthaltigen Grundsatzbeschluss mit breiter Mehrheit zugestimmt. Dadurch erklärt sich der Main-Tauber-Kreis freiwillig bereit, die Stadt Wertheim im Rahmen seiner Möglichkeiten zu unterstützen. Dies ist ein starkes Signal der Solidarität.

Aber sie stellen auch Forderungen.

Schauder: Die Stadt Wertheim muss noch Hausaufgaben erledigen. Dabei ist auch zu klären, unter welchen Rahmenbedingungen es möglich ist, einen privaten Krankenhausbetreiber freiwillig mit öffentlichen Geldern zu unterstützen. Denn weder für die Stadt noch für den Landkreis besteht hier eine gesetzliche Pflicht. Es muss gesichert sein, dass keine öffentlichen Gelder zur Gewinnabsicherung eines privaten Unternehmens verwendet werden. Dabei ist auch von Bedeutung, wohin die Einnahmen aus dem lukrativen Selbstzahler- und Privatpatientengeschäft fließen. Bei der Klärung von Fachfragen sind wir mit der Stadt Wertheim und dem Regierungspräsidium im Austausch, der Krankenhausbetreiber ist eingebunden.

Wann wird ein Punkt gemacht?

Schauder: Wenn die Stadt Wertheim ihre Hausaufgaben erledigt hat, werden wir im Kreistag beraten, mit welchem Betrag wir der Stadt helfen können. Dabei liegt auf der Hand, dass der Kreishaushalt nicht in Schieflage geraten darf. Unabhängig davon kann das Krankenhaus seinen Betrieb jederzeit aufnehmen. Die Genehmigung für den Krankenhausbetrieb liegt vor. Im Übrigen erwirtschaftet ein Krankenhaus vom ersten Tag an nicht nur Verluste, sondern generiert auch Einnahmen. Wie hoch ein Defizit ist, steht erst fest, wenn ein Krankenhaus über einen längeren Zeitraum gearbeitet hat. Darüber hinaus betont der Betreiber des Bürgerspitals immer wieder, dass sein Unternehmen solide aufgestellt sei.

Sie fordern Zahlen des Krankenhausbetreibers.

Schauder: Wer öffentliche Gelder will, muss die notwendige Transparenz an den Tag legen. Alles, was beim Thema Bürgerspital ansonsten interpretiert wird, ist eine Phantomdiskussion und in der Sache nicht hilfreich.

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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