Main-Tauber-Kreis. Laudenbach hat einen Nepomuk, Markelsheim stellte ihn zwischen Urban und Kilian auf, Hochhausen hat einen und Tauberrettersheim hat ihn auf seiner berühmten Balthasar-Neumann-Brücke. Sogar das kleine Dorf Haagen im Vorbachtal ist stolz auf seine recht alte Nepomuk-Statue aus Stein – nur genau die ist gerade „mal weg“. Im Zuge einer laufenden Brückensanierung wurde die Figur von der Weikersheimer Stadtverwaltung eingelagert. Sie kommt aber nach Abschluss der Maßnahmen, und wenn die kunst-gefährlichen Bagger abgezogen sind, wieder an ihren Platz.
Im Gegensatz zu frühen christlichen Märtyrer-Heiligen wie Valentin oder Cäcilia (gestorben 270 bzw. 230) weiß man über Nepomuk vergleichsweise viel – er wurde 1350 im Dorf Pomuk geboren und starb am 20. März 1393 in Prag.
Wenn man heute „vom Nepomuk“ spricht, dann hört sich das wie ein Vorname an. Doch Nepomuk hieß eigentlich Jan – die tschechische Form von Johannes. Adlig war er auch nicht: Er stammte aus dem kleinen Ort Pomuk südöstlich von Pilsen. Und er war natürlich nicht immer ein Heiliger (erst 1729 wurde er von Papst Benedikt XIII. heiliggesprochen), doch ihm galt schon lange eine regionale Verehrung. Zum Brücken-Star wurde er erst ab 1732. Damals erwählten die Jesuiten den „Jan z Pomuku“ offiziell zu ihrem zweiten Ordenspatron.
Für Gegenreformation aufgebaut
Die bekannte und oft angefeindete katholischen Ordensgemeinschaft („Gesellschaft Jesu“, Kürzel „SJ“) verwendet das Christogramm „IHS“ als Symbol. Man findet es vielfach in Kirchen und an christlichen Denkmälern – es zeugt vom starken Einfluss, den der Orden nahm. In Europa hatten Jesuiten einen bedeutsamen Anteil an der Gegenreformation; summarisch eine katholische Erneuerungsbewegung in Reaktion auf den Protestantismus. Den betrachtete man als verdammenswerte Irrlehre. Dem Reformator Jan Hus, ebenfalls Tscheche, wurde Nepomuk als breitenwirksame Gegenfigur aufgebaut – ein vielfach einsetzbarer Werbeträger oder unfreiwilliger „Influencer“ im Gewand des katholischen Klerikers. Die Botschaft: Auf den Priester ist Verlass.
Der reale Johannes Nepomuk arbeitete als kirchlicher Notar und Sekretär, 1380 wurde er zum Priester geweiht. Er studierte und reiste, wurde promoviert. Er galt als äußerst gelehrt. Dann geriet er aber zwischen die kirchlichen und politischen Mühlsteine seiner Zeit. Das „Große Abendländische Schisma“ mit den konkurrierenden Papstansprüchen in Rom hier und Avignon dort führte zur Verhaftung von Jan Pomuk. Als ranghöchster, seiner Herkunft nach aber eher unbedeutender Bischofsvertreter, wurde er gefoltert, von der Prager Karlsbrücke in die Moldau gestürzt und ertränkt. Das war im Mittelalter die übliche Todesstrafe für Geistliche. Die Brücke als Ort seines Martyriums – sie wurde Nepomuks Markenzeichen.
Fünf Flammen über der Leiche
Die Legendenbildung setzte schon unmittelbar post mortem ein: Die Leiche des im Wasser Treibenden soll von fünf Flammen oder „hell glänzenden Wunderzeichen“ umsäumt gewesen sein. Deshalb wird Johannes Nepomuk oft mit Sternen um sein Haupt abgebildet.
Seine Begräbnisstätte im Prager Veitsdom wurde (ab 1736) kunstvoll barock ausgestaltet. Das Hochgrab des (jetzt) Heiligen besteht aus rund 1,7 Tonnen Silber. Eine Heiligsprechung bedeutet einen großen Popularitätsschub und Pilgerfahrten. Nepomuk hatte schnell Fans in allen Bevölkerungsschichten. Im 18. Jahrhundert drängte er sogar den böhmischen Nationalheiligen Wenzel in den Hintergrund.
Es war die Habsburgermonarchie, in der sich ein großer Nepomukkult entwickelte, der neben den österreichischen Ländern, bis nach Schlesien, ins Banat (Gebiete in Rumänien, Serbien, Ungarn) und die österreichische Walachei reichte. Die Donau aufwärts verbreitete sich der Kult vor allem in Süddeutschland weiter. Nepomuk kann für die Zeit des Barock als „Staatsheiliger“ des gesamten Habsburgerreiches gelten.
Nepomuk gilt vor allem als Nothelfer der Reisenden. Und weil Brücken wichtige Übergänge markieren, wurde er dort um Schutz angefleht. Er ist aber auch der Hüter des Beichtgeheimnisses. Dieser Zusammenhang ist zwar Legende, dennoch hat gerade er maßgeblich zur Heiligsprechung geführt: Nepomuk habe sich geweigert, das Beichtgeheimnis zu brechen – König Wenzel IV. verdächtigte seine Frau der Untreue und Nepomuk soll als Beichtvater davon gewusst haben. Weil er trotz Torturen standhaft und verschwiegen blieb, musste er sterben.
In den früher weit verbreiteten „Lebensbeschreibungen der Heiligen Gottes“ des Jesuiten Matthias Vogel (Ausgabe 1906 der Erstauflage 1891 mit „heilsamen Lehrstücken“) wird von den „grausamen Peinen“ Nepomuks berichtet – natürlich vom Autor in seraphischem Ton zusammenfabuliert. Nepomuk habe gegen die Mächtigen geredet, wo es geboten und geschwiegen, wie es seine priesterliche Pflicht war. Vogel bezieht sich bei seiner Auslegung vermutlich auf die bekannte Bibelstelle bei Ekklesiastes (Luther: Prediger Salomo): „Alles hat seine Stunde: (...) eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben / und eine Zeit zum Hassen.“ Zu unterscheiden, welche Zeit es denn sei, darauf müsse man „wohl Acht haben“, damit man „mithin seine Zunge einhalte“, mahnt Vogel.
Immer informiert sein
Angeblich „unverweset“
Apropos Zunge: Bei manchen Nepomuk-Darstellungen wird dessen Zunge in einem Wappen gezeigt. Auch dazu gibt das „Leben der Heiligen“ einen wichtigen Hinweis: „Als nach mehr als 300 Jahren der Leib des heiligen Johannes erhoben (wurde) ... fand sich ein großes Wunder: vom ganzen Leibe war nach so langer Zeit nur die Zunge noch unverweset und wohl erhalten.“
Dieses angebliche Nicht-Verwesen von Leichen(teilen) religiöser Persönlichkeiten wird als quasi-beweiskräftiger Ausdruck besonderer Heiligkeit interpretiert. Berichte und Fotos im Zusammenhang mit der Exhumierung des Neo-Heiligen Padre Pio (Francesco Forgione) im Jahr 2008 zeigen, wie man hier bei Bedarf nachhilft: Lebensecht wirkende Silikonmasken kaschieren das, was vielleicht doch nicht mehr so appetitlich aussieht.
Die Zunge des Nepomuk wurde 1973 immerhin histologisch untersucht und siehe da: Die vermeintliche Zunge des Johannes ist keine. Sie ist ein Stück seines vertrockneten Kleinhirns.
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