Medizinische Versorgung

Wie der Neustart im Krankenhaus Wertheim lief

Seit vergangener Woche ist das Bürgerspital samt Notaufnahme in Betrieb. Es gab bereits erste Operationen. Das Angebot wird jetzt nach und nach erweitert.

Von 
Gerd Weimer
Lesedauer: 
die Stellvertretende Geschäftsführerin Brigitta Lahode und der Ärztliche Direktor Gerhard Schüder im Bürgerspital. © Gerd Weimer

Wertheim. Der rüstige Wertheimer Rentner begrüßt Dr. Gerhard Schüder auf dem Eingangsflur mit einem freundlichen Lächeln und drückt ihm fest die Hand. Er bedankt sich überaus herzlich bei dem Chirurgen, der ihn vor wenigen Tagen operierte. Seine Frau pflichtet bei. Gerhard Schüder spricht von einer Selbstverständlichkeit, will die Sache nicht zu hoch hängen.

Von einer Selbstverständlichkeit kann allerdings keine Rede sein. Dass im Wertheimer Krankenhaus überhaupt wieder operiert wird und Patienten stationär versorgt werden, schien nach dem endgültigen Aus der Rotkreuzklinik vor einigen Monaten kaum vorstellbar. Bis vor einer Woche hätte der Mann nach Tauberbischofsheim oder noch weiter entfernt fahren müssen, um behandelt werden zu können. Jetzt ist der Heimweg für ihn und seine Frau, die ihn zwischenzeitlich ohne größeren Aufwand besuchen konnte, nur ein Katzensprung.

Mehr zum Thema

Bürgerklinik

„Wie Hohn in unseren Ohren“

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
FN-Gespräch mit OB Markus Herrera Torrez

Krankenhaus Wertheim - "Wir sind nahe am Ziel"

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
Bürgerspital Wertheim

Kein Zuschuss aus Bayern für Notfallversorgung in Wertheim

Veröffentlicht
Von
Birger-Daniel Grein
Mehr erfahren

100 Beschäftigte arbeiten seit Anfang des Jahres am Wiederaufbau des Krankenhausbetriebs oben auf dem Reinhardshof, davon 14 Ärzte, 55 Pflegekräfte und weitere Mitarbeiter, die sich um das Patientenmanagement kümmern. Es wird noch gewerkelt. Handwerker und Lieferanten sind unterwegs. Der Neustart nach dem bitteren Niedergang unter der Führung der Rotkreuzschwestern fühlt sich gut an. Man duzt sich. Es herrscht Start-Up-Feeling, und es werden Kräfte freigesetzt, die es üblicherweise zu Beginn eines solchen Projekts auch braucht.

Chefarzt Schüder will Vertrauen wieder herstellen

Gerhard Schüder ist in Wertheim kein Unbekannter. Er war seit 1998 Chefarzt der Chirurgie am Krankenhaus und der späteren Rotkreuzklinik, bevor er 2016 vor den Rotkreuzschwestern das Weite suchte und in Tauberbischofsheim anheuerte, mit einigen seiner Mitarbeiter. Nach seiner Pensionierung Ende 2016 operierte er als Vertretung für Thorsten Gläser im ambulanten OP-Zentrum in der Bahnhofstraße.

Seit vergangener Woche ist das Wertheimer Bürgerspital in Betrieb. © Gerd Weimer

Jetzt, mit immerhin 70 Jahren, steigt er wieder voll ein. Schüder ist den Verantwortlichen der Westfalenklinik-Gruppe dankbar, dass die Klinik „wieder reanimiert“ wird. Das Konzept, eine Fachklinik mit den Aufgaben eines Hauses der Grund- und Regelversorgung zu kombinieren, habe ihn fasziniert. Als Chefarzt und Ärztlicher Direktor wolle er dabei helfen, „der Bevölkerung wieder das Vertrauen in diese Klinik zu geben, indem jemand vor Ort ist, den die Leute noch kennen und der nicht in ganz so schlechter Erinnerung ist“. Es sei für ihn das „Gebot der Stunde“ gewesen, noch ein „paar Jahre beim Wiederaufbau mitzumachen, damit die Leute wieder kommen, damit das Krankenhaus wieder seinen alten, guten Ruf bekommt“.

Bürgerspital-Chef Alexander Gläser zur Finanzierung der Notaufnahme

Alexander Gläser, Geschäftsführer des Wertheim Bürgerspitals, nimmt gegenüber den FN Stellung zum Finanzierungsmodell für die Notfallaufnahme.

  • Der Betrieb der Zentralen Notaufnahme sei ein „Vertrauensbeweis in eine funktionierende und verantwortungsvolle Kommunalpolitik“, so Gläser. „Das einzige Krankenhaus für 50 000 Menschen zu erhalten, muss Minimalkonsens für alle sein, die Politik für alle machen wollen und sich für die Menschen einbringen“.
  • Das Finanzierungskonzept sei „nicht nur das einzig verbliebene, sondern bei Weitem auch das für die öffentliche Hand kostengünstigste Modell. Jeder der etwas anderes behauptet, verkennt die Realitäten“, so Gläser weiter.
  • „Wir haben eine rechtlich einwandfreie Grundlage für die öffentliche Unterstützung erarbeitet, welche alle Rechtsvorschriften, unter anderem des EU-Beihilferechts, respektiert“, spielt der Geschäftsführer auf frühere Bedenken vor allem aus dem Landratsamt Main-Tauber an. „Die subventionierte Notfallversorgung wird betriebswirtschaftlich getrennt gerechnet und jährlich gegenüber der der Stadt Wertheim offengelegt.“
  • Nur echte Verluste der Notfallversorgung würden von der Stadt mit maximal 2,75 Millionen Euro mitgetragen. Jedes Risiko darüber hinaus trage die Westfalenklinik-Gruppe. „Man möge sich erinnern: die frühere Betreiberin hat mit dem gesamten Haus bis zu 6,5 Millionen Euro pro Jahr Verluste gemacht“, stellt Gläser klar.
  • Und weiter: „Wir haben den Verwaltungen und der Rechtsaufsicht alle Fragen beantwortet, sämtliche Dokumente vorgelegt und weit mehr Informationen bereitgestellt, als wir überhaupt verpflichtet wären. Wir haben sämtliche Hausaufgaben erledigt.“
  • Das neue Krankenhaus sei der Gemeinnützigkeit verpflichtet. Alles, was an Werten und eventuell in einigen Jahren an moderaten Gewinnen erwirtschaftet wird, reinvestiere man in die Verbesserung der Versorgung. Es könnten hiernach keine öffentlichen Mittel abfließen.
  • „Die privatwirtschaftlich organisierte Westfalenklinik-Gruppe und die Weight Doctors bringen zusätzlich Einnahmen für das Haus durch Operationen an Patienten, die andernfalls nie nach Wertheim gekommen wären. Hierdurch entstehen die dringend notwendigen Synergien für die langfristige Wirtschaftlichkeit“, erklärt Gläser das Geschäftsmodell. wei

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen der Westfalenklinik-Gruppe, die vornehmlich Adipositas-Chirurgie (Eingriffe bei übergewichtigen Patienten) praktizieren, laufe hervorragend. „Eine super Ergänzung“, betont Schüder. Brigitta Lahode, Vertreterin von Geschäftsführer Alexander Gläser, berichtet von den ersten Operationen in dem Spezialgebiet. Alleine am vergangenen Dienstag habe es sieben Eingriffe gegeben. „Es läuft sehr gut an“, freut sich Brigitta Lahode. Bisher seien Selbstzahler behandelt worden. In Zukunft kommen in Wertheim aber auch Kassenpatienten unters Messer.

Für Röntgenausrüstung fehlt noch technische Freigabe

Die herkömmlichen OP-Möglichkeiten im Bürgerspital sind derzeit allerdings eingeschränkt. Weil die technische Freigabe des Regierungspräsidiums für die vorhandene Radiologieausrüstung noch nicht vorliegt, können Patienten nicht vor Ort geröntgt werden. Durch die Zusammenarbeit der Neuropraxis Wertheim von Sandra Rückert und der radiologischen Praxis Wertheim kann die Notfalldiagnostik im Ärztezentrum in der Bahnhofstraße stattfinden.  Während der Öffnungszeiten der Zentralen Notaufnahme (werktags von 8 und 18 Uhr) bringt der Rettungsdienst beispielsweise Schlaganfallpatienten zunächst dort hin. Wenn die Computertomographien im Haus betrieben werden dürfen, entfällt der Umweg, stellt Gerhard Schüder klar.

Auch Herzinfarktpatienten würden von der Notaufnahme angenommen. Nach der Diagnostik werde entschieden, ob sofort eine Herzkatheterbehandlung notwendig sei und er in entsprechend ausgestattete Hospitäler verlegt werden müsse. Dies war vergangene Woche beim ersten Patienten in der Notaufnahme der Fall. Er wurde dann vom Rettungsdienst nach Bad Mergentheim gebracht.

Ein eigenes Herz-Katheter-Labor werde es im Bürgerspital künftig nicht geben, so Schüder. Dies sei wirtschaftlich nicht machbar. Allerdings könne man die notwendige Diagnostik beispielsweise per Ultraschall und die Primärversorgung vornehmen.

Welche Fälle in der Notaufnahme behandelt werden

Ansonsten werden in der Notaufnahme kleinere Verletzungen und kleinere Frakturen behandelt. Größere Knochenbrüche werden erstversorgt, um die Patienten in geeignete Kliniken zu bringen. In naher Zukunft werde eine Unfallchirurgie eröffnet. Darüber verhandle man gerade mit einem potenziellen Chefarzt. Unterdessen ist Dr. Stephan Vögeli, vormals Chefarzt der Orthopäde und Unfallchirurgie, als Belegarzt mit in Bord.

Weitere Fälle, die laut Gerhard Schüder in der Notaufnahme behandelt werden, sind Patienten mit akuten Bauch-, Brust- und Rückenschmerzen oder Atemnot. Auch Patienten mit neurologischen Problemen wie Lähmungserscheinungen oder Kribbeln in den Extremitäten sind gut aufgehoben, sofern es sich um Notfälle handelt. Man wolle die neurologische Praxis in Wertheim nicht umgehen, die für chronische Fälle zuständig sei.

Die begrenzten Öffnungszeiten der Notaufnahme werde man nicht erweitern können, wenn dafür nicht die notwendigen Gelder fließen, so Schüder.

Ohne finanzielle Unterstützung wird Notaufnahme zetlich nicht ausgeweitet

Das Bürgerspital könne das Millionen-Defizit, das dabei anfallen würde, nicht auffangen. „Für einen Notfall zahlen die Kostenträger 58 Euro. Das funktioniert nicht“, so Schüder. Unter diesen Umständen könne man das notwendige Personal und die Gerätschaft keinesfalls rund um die Uhr vorhalten.

Mehr zum Thema

Jahresrückblick

Wertheim: Krankenhaus-Drama dominiert

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
Finanzen

Wegen Bürgerspital: Grundsteuer in Wertheim steigt

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
Finanzen

Wertheim: Bürgerspital verzögert Haushaltsverfahren

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren

Die Klinik lege Wert darauf, dass im Haus keine Unterschiede zwischen Kassen- und Privatpatienten gemacht werden, sagt Brigitta Lahode. Man werde „patientenführend arbeiten“, weniger bürokratisch und formal. Das Bürgerspital solle künftig in Wertheim und Umgebung in aller Munde sein. „Die Menschen sollen gerne kommen, weil die Leute dort nett und zuvorkommend sind. Da wird man gut behandelt, weil es dort großartige, spezialisierte Ärzte gibt“, so das Zielbild der Managerin.

Fachärzteausbildung möglich

Eine für die langfristige medizinische Versorgung in Wertheim wichtige Nachricht hat Gerhard Schüder noch im Gepäck: Mit der Ärztekammer sei vereinbart, dass alle Chefärzte der Klinik zunächst eine Weiterbildungsberechtigung erhalten. So werden in Zukunft also wieder Fachärzte ausgebildet, die sich dann später in der Main-Tauber-Stadt und Umgebung niederlassen könnten, wie es in der Vergangenheit schon oft der Fall war.

Redaktion Reporter Wertheim

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke