Medizinische Versorgung

Wertheim: Stadträte hadern mit Gesundheitszentrum

Endlich ist ein Gelände für das Gesundheitszentrum gefunden - auf dem Reinhardshof. Doch einige Stadträte hadern wegen der Krise an der Rotkreuzklinik. Im Hintergrund torpediert der Stadtteilbeiratsvorsitzende das Vorhaben.

Von 
Gerd Weimer
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Bildmodell aus den Planungsunterlagen für das Gesundheitszentrum auf dem Reinhardshof. © Hollerbach-Bau

Wertheim. Schon seit längerer Zeit ist die Neuropraxis Wertheim, vertreten von der Ärztin Dr. Sandra Rückert, zusammen mit den Partnern Ergotherapie-Praxis Krude und der Physio-Gesellschaft Gesundheitsrondell in der Main-Tauber-Stadt auf der Suche nach einem Gelände für ein Gesundheitszentrum. Sandra Rückerts Praxisräume im Ärztehaus in der Bahnhofstraße sind zu eng geworden, um ein breiteres Leistungsspektrum abzubilden. In der Stadtverwaltung stieß die Ärztin mit ihrem Ansinnen auf Wohlwollen, schließlich ist die medizinische Versorgung in der Großen Kreisstadt ein wichtiger Standortfaktor.

Im November 2021 meldete die Stadt, ein geeignetes Gelände sei gefunden worden, und zwar in Bestenheid auf einem Grünstreifen in der Nähe der evangelischen Kita an der Kreuzung Bestenheider Höhenweg/Breslauer Straße. Doch im Februar dieses Jahres dann die Wende: Aus verschiedenen Gründen erwies sich das Flurstück als ungeeignet. Unter anderem verläuft unter dem Gelände eine Gashochdruckleitung, die sich nicht verlegen lässt. Auch der baurechtlich erforderliche Abstand zum Wald hätte unterschritten werden müssen.

Geeignetes Gelände gefunden

Also machte sich Jürgen Strahlheim von der städtischen Wirtschaftsförderung erneut auf die Suche und wurde im Gewerbegebiet des Stadtteils Reinhardshof fündig. Hier gibt es eine Fläche an der Ecke Karl-Carstens-/Charles-de-Gaulle-Straße, die der Stadt gehört. Nicht weit weg von der Rotkreuzklinik, zwischen Mix-Markt und den Schrebergärten.

Alles schien auf einem guten Weg. Nun kommt aber das Insolvenzverfahren der Rotkreuzklinik dazwischen. Als Sandra Rückert am Montag im nicht-öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung ihr umfangreiches Projekt vorstellte, war manchem der Gremiumsmitglieder anscheinend mulmig zumute. Im Hinterkopf hatten sie, dass die Klinik in ein paar Monaten nach einer erfolgreichen Sanierung in abgespeckter Form weiterarbeitet, aber viele Flächen nicht genutzt werden könnten. Wie berichtet, planen die Sanierer um den Generalhandlungsbevollmächtigten Mark Boddenberg, die Kapazität des Hauses an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und freie Flächen zu vermieten.

Die könnte man der Neuropraxis zur Verfügung stellen. Warum sollte in unmittelbarer Nachbarschaft noch ein ambitioniertes Gesundheitszentrum entstehen? Stimmungslage im Gremium war offenbar, dass man den Initiatoren des Projekts auf jeden Fall eine Perspektive bieten will, aber in der derzeitigen, prekären Situation noch etwas Zeit für eine Entscheidung benötige.

Doch Zeit ist für Sandra Rückert ein kostbares Gut, und sie will so rasch wie möglich loslegen – zumal sie und ihre Partner, wie sie gegenüber den Fränkischen Nachrichten sagt, viel Geld für die Vorgutachten beim Bestenheider Projekt „verpulvert“ hatten. Sie spricht von mehr als 50 000 Euro.

Mietflächen in der Klinik

Im Übrigen stehe sie bereits mit Mark Boddenberg in Kontakt und könne eventuell Interessenten für freiwerdende Mietflächen in der Rotkreuzklinik vermitteln. Auch sie selbst könnte in einer Übergangszeit für zwei, drei Jahre noch Flächen für die Praxis anmieten, um geeignete Leistungen dort unterzubringen. Bis zur Fertigstellung des Gesundheitszentrums benötige sie dringend Flächen, weil ihre derzeitigen Räumlichkeiten in der Bahnhofstraße aus allen Nähten platzen.

Aber grundsätzlich seien das Krankenhaus und ihr geplantes Gesundheitszentren „zwei völlig verschiedene Dinge“. Als ehemalige Leiterin der Neurologie kenne sie die Räume in der Rotkreuzklinik. „Unsere geplanten Abläufe funktionieren dort nicht“, argumentiert sie. Im Übrigen habe sie auch die Möglichkeit, ihr Projekt mit 4000 Quadratmetern auf vier Etagen außerhalb der Großen Kreisstadt zu realisieren und lege sich selbst „keine Denkverbote“ auf. „Aber ich will das eigentlich nicht“, sagt Sandra Rückert.

Irritiert war sie auch über Querschüsse aus dem Stadtteilbeirat Reinhardshof. Der hatte im Sommer in nichtöffentlicher Sitzung über den Bebauungsplan für das betroffene Gebiet beraten und gefordert, „innenstadtrelevanten Einzelhandel“ nicht zuzulassen. Begründet wurde das Ansinnen damit, dass derartiges Gewerbe laut einem von der Stadt in Auftrag gegebenem Konzept außerhalb der Innenstadt ausgeschlossen werde. Auf der Liste der Einzelhandelstypen stehen unter vielen anderen auch Apotheken und Sanitätsgeschäfte. Beides sind allerdings elementarer Bestandteile des Konzepts für das Gesundheitszentrum.

Antrag gescheitert

Treibende Kraft hinter dem Beschluss des Stadtteilbeirats war dessen Vorsitzender Walter Ploch. Seine Tochter ist laut Impressum auf der Internetseite Inhaberin der Reinhardshof-Apotheke, vormals war es ihre Mutter. Sandra Rückert erklärt, sie sei bereits im Februar dieses Jahres auf die Plochs zugegangen, um zu prüfen, ob ein Umzug ihrer Apotheke in das Gesundheitszentrum vorstellbar wäre. Eine komplette Verlagerung der Apotheke kam für die Familie nicht in Betracht, so dass das Vorhaben weiter mit der bereits für Bestenheid vorgesehenen Apotheke geplant wurde, erklärt Sandra Rückert.

Aus dem Antrag des Stadtteilbeirats, Apotheken und Sanitätshäuser planungsrechtlich auszuschließen, ist letztlich nichts geworden. Die Stadtverwaltung hat ihn dem Vernehmen nach zur Seite gelegt und nicht weiter bearbeitet.

Vor der Sitzung des Gemeinderats am Montag verschickte Walter Ploch im Namen des Stadtteilbeirats ein zweiseitiges Papier an die Stadträte, das den Fränkischen Nachrichten vorliegt. „Dieses parallele Projekt auf der ‚Grünen Wiese’ ist angesichts der aktuell schwierigen Lage des Krankenhauses unverantwortlich, weil kontraproduktiv“, heißt es darin. „Ärzte und Investoren, die nicht den Ernst der Lage für das Krankenhaus erkennen oder erkennen wollen und weiterhin mit einem eigenen großen Projekt im Gewerbegebiet Reinhardshof im Gesundheitsmarkt aufschlagen wollen, sollte man ziehen lassen“, so das Papier weiter. Das Gesundheitszentrum würde mit der Klinik konkurrieren und müsse deshalb verhindert werden.

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Lobbyist in eigener Sache

In der Sitzung des Gemeinderats drang Walter Ploch mit seinem Ansinnen nicht durch. Laut Auskunft von Sitzungsteilnehmern herrschte vielmehr unterschwellig Unmut darüber, dass der Stadtteilbeiratsvorsitzende in mehreren Redebeiträgen sein Amt offenbar dafür nutzte, um Konkurrenz von der Apotheke seiner Familie fernzuhalten. Er habe sich endgültig als Lobbyist in eigener Sache zu erkennen gegeben, sagt ein Teilnehmer. Mit seiner Forderung, dass sich noch am Montag „Gemeinderat und Oberbürgermeister“ eindeutig gegen das Gesundheitszentrum positionieren sollten, scheiterte der Stadtverbandsvorsitzende.

Walter Ploch wollte sich gegenüber den FN nicht zu der Frage äußern, ob ein Interessenskonflikt besteht. „Kein Kommentar“, war seine Antwort. Auch die Frage, ob er sich deswegen nicht selbst in der Angelegenheit für befangen hält, ließ er unbeantwortet.

Dr. Sandra Rückert will bald mit dem Projekt loslegen. Sie ärgert sich über Quer-schüsse aus dem Stadtteilbeirat. © Gerd Weimer

Redaktion Reporter Wertheim

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