Wertheim/Mosbach. Ein 46-Jähriger hatte Anfang Mai seine Lebensgefährtin mit mehreren Messerstichen umgebracht (wir berichteten). Jetzt fiel das Urteil. „Er hat Ihre Mutter im Zustand der Schuldunfähigkeit getötet,“ sagte Richterin Barbara Scheuble bei der Begründung in Richtung der Töchter des Opfers. Die beiden jungen Frauen waren am dritten Prozesstag vor dem Landgericht Mosbach als Nebenklägerinnen erschienen und sagten als Zeuginnen aus. Der Beschuldigte Manfred H. (Name geändert) habe nicht erkennen können, dass seine Tat Unrecht ist. „Vielleicht ist das für Sie eine gewisse seelische Entlastung, auch wenn der Tod der Mutter bleibt“, so Barbara Scheuble. Nach dem Urteil der Strafkammer muss Manfred H. sein Leben auch künftig in einem psychiatrischen Krankenhaus verbringen. Die angeordnete Unterbringung bleibt in Kraft.
Bei der Fortsetzung des Sicherungsverfahrens sagten neben den Töchtern, ein Gerichtsmediziner, der psychiatrische Gutachter und ein Beamter der Tauberbischofsheimer Kriminalpolizei aus. Es war ein schwerer Gang für die beiden Töchter, wie ihnen anzumerken war. Sie saßen nach ihren eigenen Aussagen dem Täter gegenüber, mussten sich Details über die Verletzungen ihrer Mutter anhören. Die Frage nach dem Warum bleibt allerdings im Unklaren, denn ein Motiv im herkömmlichen Sinne gab es nicht, sondern einen „symptomatischen Zusammenhang zwischen der Schizophrenie des Beschuldigten und der begangenen Tat“, so die Richterin.
Mutter war verliebt
Die Töchter schilderten dem Gericht, wie ihre Mutter sie am vorherigen Tag per Textnachricht über einen plötzlichen Ausbruch der Gewalt von Manfred H. unterrichtete. Er habe ihr auf den Kopf geschlagen und sie getreten. Die Töchter boten dann ebenfalls mit einer Nachricht, aber auch telefonisch an, sie sofort in Wertheim abzuholen. Sie habe nach einigem Hin und Herr darauf verzichtet und gesagt, dass sie es am Morgen eigenständig schaffe, die Wertheimer Wohnung zu verlassen. Am frühen nächsten Morgen sei noch die Nachricht eingetroffen, dass nichts mehr passiert sei. „Dann kam stundenlang nichts.“ Die Mutter war da bereits tot.
Wie die ältere Tochter schilderte, konnte man die Beziehung zwischen ihrer Mutter und Manfred H. zunächst durchaus als harmonisch bezeichnen. Beide hätten sich bei einem gemeinsamen Aufenthalt vor drei Jahren in der Tauberbischofsheimer Psychiatrie kennengelernt. Die Mutter sei verliebt gewesen – „glücklich und zufrieden“. Ihr neuer Lebenspartner machte demnach einen „ruhigen und zurückhaltenden Eindruck“.
Die Mutter lebte nach ein paar Monaten der Beziehung weitestgehend bei Manfred H.. Es schien alles in Ordnung zu sein. Beim 60. Geburtstag der Mutter habe sich der Beschuldigte allerdings seltsam verhalten und ständig Krümel auf dem Boden verteilt. Zusätzlich habe man entdeckt, dass Manfred H. ein Messer bei sich trägt. „Wir haben uns nichts dabei gedacht“, so die Tochter.
Dass sich Manfred H. wenige Zeit später in einer fatalen psychischen Krise befinden sollte, ließ sich also nicht vermuten. Im Ergebnis gipfelte diese Krise in 17 Messerstichen, wie der Rechtsmediziner Ulrich Preiß von der Universität Würzburg, der die Verletzungen beschrieb und als Todesursache Herzversagen durch Blutverlust angab. Der Täter hatte bei seinen Stichen die Leber und eine Arterie getroffen.
Der Kripo-Beamte aus Tauberbischofsheim schilderte, wie Manfred H. nach der Tat immer wieder wirre Aussagen gemacht habe und für die erkennungsdienstlichen Maßnahmen teils fixiert werden musste. Beim ersten Termin vor Gericht, als es um die Unterbringungsanordnung ging, habe er die Beamten bespuckt, sei außerordentlich aggressiv gewesen.
Schwere psychische Störung
Der hinzugezogene Gutachter Hartmut Pleines, Heidelberger Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, brachte dann Licht in die psychische Störung des Beschuldigten. Es liege eine „paranoide Schizophrenie“ vor, die seine Persönlichkeit erheblich beeinträchtige. Die Akten der früheren medizinischen Behandlungen als auch die eigenen Untersuchungen wiesen auf massive „Störungen im Kontakt zur Realität“ hin. Der Beschuldigte leide unter „Wahnvorstellungen und Halluzinationen“. Hinzu kämen „faktenresistente Überzeugungen, wie die Behauptung des Beschuldigten, er sei ein ehemaliger BKS-Beamter oder Frontex-Mitarbeiter.
Der Wahn habe sich auch in einer „Ich-Störung“ geäußert. Manfred H. habe für sein Handeln eine „Fremdbeauftragung“ ausgemacht und den Kontakt zur Realität vollends verloren. Die Kriterien für die Diagnose Schizophrenie seien „eindeutig erfüllt“. Darüber hinaus fehle es Manfred H. an der Fähigkeit, Fehlverhalten selbst als solche einzusehen. Die „fehlende Einsicht“ sei „kein vorwerfbarer Befund“, so Pleines. Aufgrund der „tiefgreifenden Störung des gesamten Seelenlebens“ liege eine starke Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit vor. Manfred H. sei es nicht möglich, über Recht und Unrecht zu reflektieren.
Durch die „gestörte psychische Grundstruktur“ seien die rationalen Kontrollmechanismen aufgehoben. Dabei handele es sich um eine „Lebenszeitdiagnose“, die man nicht abschütteln könne und mit der Tat eine neue Ausprägung gefunden habe. Insgesamt komme er zu einer ausgesprochen ungünstigen medizinischen Prognose. Künftige Straftaten seien wegen schlechter Sozialprognose nicht auszuschließen, was Tötungsdelikte einbeziehe, so Pleines.
Frage nach dem Motiv
Oberstaatsanwalt Hansjörg Bopp hielt sein Plädoyer kurz. Der Tatbestand des Totschlags sei eindeutig erwiesen. Mordmerkmale hätten sich nicht ergeben, „Die Rechtsfolge ist eindeutig“, so Bopp. Der Beschuldigte müsse in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden, wie es das Strafgesetzbuch vorschreibt. Es mache wegen der psychischen Erkrankung wenig Sinn, nach dem Motiv zu fragen.
Dies macht den Hinterbliebenen zu schaffen, wie Nina Schnabel, Anwältin der Nebenlage, betont. Die Tat sei für die Angehörigen nicht nachzuvollziehen. Nicht der Beschuldigte, sondern seine Krankheit habe die Tat begangen. Die Unterbringung in der Psychiatrie sei wohl das Einzige, was als Folge in Betracht komme. Das Verfahren sei für die beiden Töchter wichtig gewesen, um die Umstände besser zu verstehen. „Aber nichts bringt ihre Mutter zurück“, so Nina Schabel.
Verteidiger Niklas Baudach zweifelte indes daran, dass die Unterbringung die richtige juristische Konsequenz ist. Sein Mandant habe sich strafrechtlich bis zur Tat nichts zu schulde kommen lassen. Prognosen seien schwierig zu erstellen, zumal man bei einem erwachsenen Ersttäter „sehr vorsichtig sein“ müsse. Ob er für seinen Mandanten Rechtsmittel einlegen wird, war am Montag offen. Manfred H. jedenfalls hat in seiner einzigen Aussage im Prozess bei seinem letzten Wort, das ihm die Richterin vor Urteilsverkündung erteile, gesagt: „Es tut mir leid.“
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/wertheim_artikel,-wertheim-totschlag-in-wertheim-beschuldigter-muss-in-psychiatrie-_arid,2264760.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/mosbach.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/wertheim.html
[3] https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim.html