Bad Mergentheim. Auch wenn ein Tatverdächtiger bereits in Untersuchungshaft sitzt, ist für die Justiz dennoch eine gewisse Eile geboten. Denn die sogenannte U-Haft soll eine Frist von sechs Monaten nicht überschreiten. In bestimmten Fällen, beispielsweise bei besonders umfangreichen oder schweren Ermittlungen, ist eine längere U-Haft zwar möglich, deren Rechtfertigung muss aber durch ein Oberlandesgericht geprüft werden.
Im vorliegenden Fall der Messerattacke auf dem Bad Mergentheimer Würth-Areal war die Frist der sechs Monate schon fast abgelaufen, seit der Tat im Mai ist der 28-Jährige bereits inhaftiert. Demnach war es also höchste Zeit für das Landgericht in Ellwangen, mit dem Prozess zu beginnen.
Besagter Beginn war nun am vergangenen Montag mit einer äußerst kurzen Auftaktsitzung. Oberstaatsanwalt Jörg Böhmer verlas lediglich die Anklageschrift, die insgesamt zehn Zeugen sollen in Folgesitzungen am 3. und 20 Dezember gehört werden.
Es geht auch dann wieder um die Frage, inwiefern die Attacke des 28-jährigen Angeklagten als gefährliche Körperverletzung oder versuchter Totschlag eingeordnet werden kann. Angeklagt hatte die Staatsanwaltschaft Ellwangen den Sachverhalt als gefährliche Körperverletzung am Schöffengericht in Bad Mergentheim. Demnach sah die Anklage in den Handlungen des Angeklagten kein versuchtes Tötungsdelikt, wenngleich der Haftbefehl auf versuchten Totschlag lautete. Hier kam es dann zur Uneinigkeit mit dem Gericht: Denn Richterin Susanne Friedl und die Schöffen sahen sehr wohl einen bedingten Tötungsvorsatz im Handeln des Mannes. Mit dieser Feststellung endete der Prozess am Amtsgericht Bad Mergentheim ohne Urteil, ein bindender Beschluss verwies den Sachverhalt nach Ellwangen, wo er nun am Schwurgericht verhandelt wird.
Amtsgericht war von Tötungsvorsatz überzeugt
Das Schwurgericht ist als Kammer für besonders schwere Straftaten, versuchte und erfolgte Tötungsdelikte, zuständig. Sie könnte in der Tat auch – entgegen der Ansicht von Staatsanwaltschaft und Verteidigung – einen Tötungsvorsatz erkennen und damit der Auffassung des Amtsgerichts Bad Mergentheim folgen.
Dort war man nach Anhörung mehrerer Zeugen mit Blick auf den rekonstruierten Tatablauf von einem „bedingten Tötungsvorsatz“ überzeugt und entschied nach kurzer Beratung, die Verhandlung abzubrechen.
Rückblick: Durch ein Geständnis des Angeklagten sowie mehrere Zeugenaussagen wurde im Verhandlungsauftakt klar, wie die Tat im Mai 2024 ablief. Demnach habe der Angeklagte seinen Arbeitskollegen während einer Auseinandersetzung plötzlich in den Schwitzkasten genommen und mit einem Cuttermesser etwa 20 Zentimeter an dessen Hals entlang geschnitten.
Messerattacke und Hammergriff als Gründe für Tötungsvorsatz
Nachdem er von dem Mann getrennt wurde, habe er im Weglaufen einen Hammer gegriffen und sei mit den Worten „Du musst sterben“ erneut in Richtung des Opfers gelaufen. Ein Kollege nahm ihm den Hammer jedoch ab, führte den Angeklagten vom Tatort und dem stark blutenden Mann weg.
Sowohl in der Messerattacke selbst als auch im Greifen des Hammers, verbunden mit den Worten „Du wirst sterben“, sahen Richterin und Schöffen den Tötungsvorsatz. Unabhängig davon, wie weit die Klinge tatsächlich ausgefahren war, sei ein „Cuttermesser durch die Schärfe extrem gefährlich, die Halsregion ist sehr empfindlich“. Ein Gutachten sprach von „abstrakter, aber keiner konkreten Lebensgefahr für das Opfer.“
Laut einer aktuellen Mitteilung des Landgerichts Ellwangen ist aktuell noch unklar, wann es zu einem Urteil kommen könnte. Dieses könnte bereits auch in der Sitzung am 13. Dezember gesprochen werden.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-prozess-nach-messerattacke-auf-arbeitskollegen-beginnt-_arid,2264594.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Die Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung ist völlig unverständlich