Mosbach/Wertheim. Am Mosbacher Landgericht fand am Montag der zweite Prozesstag in dem Sicherungsverfahren gegen einen 46-jährigen, offenbar psychisch kranken Mann, aus Wertheim statt. Er soll Anfang Mai seine 60-jährige Lebensgefährtin mit mehreren Messerstichen tödlich verletzt haben.
Vor Gericht sagten am Montag zunächst zwei Polizisten aus, die als erste am Tatort eintrafen, nachdem ein Nachbar des Täters einen Notruf abgesetzt hatte. Auf einer Tonaufnahme, welche Richterin Barbara Scheuble abspielen ließ, ist zu hören, wie der Anrufer sagt: „Wir hören laute Hilferufe einer Frau aus der Nachbarwohnung.“ Die Frau schreie „Hör auf!“ Schon am Vortag sei es laut gewesen. Es handele sich offenbar um Familienstreitigkeiten.
Wie die beiden jungen Polizisten schilderten, habe sie der Bewohner Manfred H. (Name geändert) ohne Aufsehen in die Wohnung gelassen. Im Schlafzimmer habe man auf dem Bett das Opfer entdeckt. „Es war ein Blutbad. Alles war mit Blut beschmiert“, beschreibt einer der Beamten die Situation.
„Ihr könnt sie mitnehmen“
Die Frau habe geröchelt. Es sei klar gewesen, dass sie dem Tode nahe ist. Manfred H. habe gesagt, dass die Frau jede Nacht bei ihm einbreche. „Ihr könnt sie mitnehmen“, forderte er demnach die Polizisten auf. Manfred H. habe dann in der Küche eine Zigarette geraucht und „vor sich hingeredet“. Die mutmaßliche Tatwaffe, das Messer, habe sich noch in einem Holster am Gürtel des Beschuldigten befunden, bevor er es Manfred H. abnahm.
Der andere Beamte schilderte, wie die Polizisten, nachdem der Rettungsdienst angefordert worden war, Manfred H. im Wohnzimmer auf dem Sofa abgelegt und fixiert haben. Der Beschuldigte befand sich laut Aussage des Polizisten zwar in einem „hysterischen Zustand, aber eigentlich gelassen und relativ entspannt“.
Geistig verwirrter Eindruck
Sein Gefühl sei gewesen, es habe den Beschuldigten „nicht tangiert, was da geschehen ist“. Als die Kriminalpolizei eingetroffen war, musste er ihm zur Spurensicherung die Kleidung vom Leibe schneiden, da der Beschuldigte nicht bereit gewesen sei, sie selbst abzulegen.
Im Wohnungsflur versuchte unterdessen der Rettungsdienst, das Opfer zu reanimieren. Auf dem Weg zum nahen Polizeirevier habe Manfred H. keinen Widerstand geleistet, allerdings ständig „zusammenhanglos geredet“ und davon gesprochen, „schon wieder“ verhaftet worden zu sein. Spätere Recherchen hätten ergeben, dass es bis dahin keine Verhaftung gegeben hat.
Richterin Barbara Scheuble zitierte aus einem Protokoll, das anlässlich der erkennungsdienstlichen Maßnahmen angefertigt wurde. Demnach zeigte Manfred H. zunächst wenig Kooperationsbereitschaft, war später aber einsichtig. Er habe einen geistig verwirrten Eindruck gemacht und unter anderem behauptet, die Ausweise der Polizeibeamten seien nicht echt. Er könne als ehemaliger BKA-Beamter den Befehl geben, Raketen abzufeuern. Manfred H. war offensichtlich nicht in der Lage, ein normales Gespräch zu führen. Schließlich habe er sich erneut gewehrt, so dass die Handschellen wieder zum Einsatz kamen.
Die Mutter des Beschuldigten berichtete vor Gericht, ihr Sohn sei „als Baby ein Wonneproppen“ gewesen und habe eine normale Kindheit verbracht. Wegen Problemen mit der Motorik habe sie, als Manfred H. fünf Jahre alt war, mit einer Frühförderung begonnen. Nach der Hauptschule folgte eine Ausbildung zum Gärtner. Zwei Monate nach der Lehre sei bei Manfred H. „wie aus heiterem Himmel“ eine Psychose aufgetreten.
Mutter: „Ich war ratlos und machtlos“
Darauf folgten diverse Stationen in Psychiatrien. Mit immerfort dem gleichen Ergebnis: Nach erfolgreichen Behandlungen unter Einsatz von Medikamenten, habe ihr Sohn die Arzneien eigenmächtig abgesetzt. Zwischenzeitlich gab es einen Selbstmordversuch mit Pflanzenschutzmittel. Ein Motorradunfall hatte später bei Manfred H. eine Gehbehinderung zur Folge. Sein psychischer Zustand habe sich dann aber verbessert. 2005 sei er aus der Psychiatrie entlassen worden.
Die behandelnden Ärzte hätten gesagt, es gebe dafür keine Handhabe mehrt. Die gesetzliche Betreuung sei aufgehoben worden. Es sei länger gut gegangen, aber „irgendwann hat es wieder angefangen zu bröckeln“. „Ich war ratlos und machtlos“, schilderte die Mutter ihre Verzweiflung und berichtete davon, dass ihr Sohn unter Bezug auf Kondensstreifen am Himmel fabulierte, Flugzeuge würden Gift verspritzen. Vor vier Jahren sei der Kontakt abgebrochen.
Auf Nachfrage des anwesenden Gutachters und Nervenarztes, sagte die Mutter, dass sie nicht genau wisse, wie lange der Beschuldigte die Medikamente nahm. Die schweren Schübe seien oft schon nach einem halben Jahr aufgetreten. Er habe offenbar die Diagnose nicht akzeptiert. Besondere Aggressivität habe ihr Sohn nicht gezeigt. Manfred H. sei „eher ein ruhiger, lieber“ Mensch. Wenn er provoziert worden sei, habe er nicht angegriffen. Als Junge sei er kontaktfähig gewesen. Von Alkohol- oder Drogenmissbrauch sei ihr nichts bekannt. Über ein außergewöhnliches Verhältnis zu Messern könne sie auch nichts berichten.
Die Verhandlung wird am Montag, 25. November, fortgesetzt. Dann wird das Landgericht voraussichtlich auch das Urteil fällen. Da es sich um ein Sicherungsverfahren handelt, wird entschieden, ob Manfred H. in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird.
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