Gemeinderat

Rotkreuzklinik Wertheim: „Besser eine solche Lösung als gar keine“

Die Rotkreuzklinik in Wertheim steht vor der Umwandlung in eine Fachklinik durch einen privaten Betreiber. Die Beschäftigten und die Politik sind besorgt über die Auswirkungen auf die medizinische Versorgung in der Region.

Von 
Gerd Weimer
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Wertheim. Die Situation an der Rotkreuzklinik stand nicht auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung am Montag. Und doch war sie das dominierende Thema. Zahlreiche Beschäftigte der Klinik füllten die Zuschauerreihen des Sitzungssaals, in dem es bei solchen Anlässen regelmäßig zu voll wird.

Die Sitzung begann eine halbe Stunde später als üblich. Grund: Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez sprach zuvor mit Gesundheitsminister Manfred Lucha und Landrat Christoph Schauder in einer Videokonferenz über die weitere Vorgehensweise, nachdem nun klar ist, dass ein privater Betreiber das Haus höchstwahrscheinlich zu einer Fachklinik umwandeln will.

Eine Notfallversorgung soll integriert werden, nur wie, und vor allem, wer das finanziert, ist noch völlig unklar. OB Herrera Torrez ging nicht näher auf Details des Gesprächs ein. Er habe „den Eindruck, dass es Verständnis gibt“, sagte er lediglich.

Weireres Vorgehen in Sachen Rotkreuzklinik: Gespräch mit Landrat und Minister

Aus dem Landratsamt hieß es dann am Dienstag in einer Mitteilung, man sei sich im Anschluss darüber einig gewesen, „dass es ein sehr konstruktives Gespräch war“ und werde weiterhin im Dialog bleiben, „um gemeinsam und engagiert ein zukunftsfähiges, werthaltiges Konzept für den Standort Wertheim zu entwickeln“. Eine bestmögliche Gesundheitsversorgung – zu der die Notfallversorgung als zentraler Baustein gehöre – „soll für die Bürgerinnen und Bürger in der Region sichergestellt werden“.

Die Erwartungshaltung der Beschäftigten an die Politik ist hoch. Sie sehen nicht nur ihr berufliches Fortkommen in Gefahr, sondern sorgen sich vornehmlich um die medizinische Versorgung in der Region. OB Markus Herrera Torrez schilderte zu Beginn der Sitzung noch einmal die Position der Stadt, die eigentlich – zumindest federführend – nicht für die medizinische Versorgung zuständig ist. Land und Landkreis seien in der Pflicht.

Trotzdem hätten Stadtverwaltung und Gemeinderat sich seit der Nachricht von der Insolvenz der Rotkreuzklinik „intensiv damit beschäftigt“ und nach möglichen Lösungen gesucht. Klar sei gewesen, dass die Stadt die Aufgabe einer Trägerschaft alleine nicht stemmen könne. Beauftragte Wirtschaftsprüfer hätten dies mittlerweile bestätigt: Bis 2030 wäre im besten Fall ein Defizit von 39 Millionen Euro zu schultern gewesen, hätte man die Vorschläge des Insolvenzverwalters Mark Boddenberg zur Umstrukturierung umgesetzt, um eine Grund- und Regelversorgung weiterhin zu gewährleisten. Realistisch seien eher 49 Millionen Euro.

Insolvenzverwalter entscheidet sich für privaten Unternehmer

Unterdessen habe sich der Insolvenzverwalter völlig überraschend für einen privaten Betreiber entschieden, weil der „einen besseren Preis“ anbieten kann. Stadt und Gemeinderat könnten dieser Entscheidung „eigentlich nichts entgegensetzen“. Es sei aber „besser, eine solche Lösung zu haben als gar keine“, so Herrera Torrez.

Zusätzlich brauche es nun eine Notfallversorgung. Nachdem der potenzielle Käufer dazu seine Bereitschaft erklärt habe, müssten andere Stellen entscheiden, spielte der OB auf die Zuständigkeit von Land und Landkreis an. Für Stadtverwaltung und Gemeinderat sei es „frustrierend“, von anderen Entscheidungsträgern abhängig zu sein.

In der Bürgerfragestunde ergriffen dann einige Beschäftigte der Rotkreuzklinik das Wort, wobei OB Markus Herrera Torrez immer wieder auf die Zuständigkeit von Land und Landkreis oder des Insolvenzverwalters verwies. Eine Mitarbeiterin fragte, ob es schon Überlegungen auf Seiten der Stadt zur Finanzierung einer Notfallversorgung gebe, und welchen Umfang die Akutversorgung dann haben werde. Eine weitere verwies auf die Bedeutung der Klinik für die gesamte Region. Teils würden Patienten aus dem weiteren Umkreis nach Wertheim gebracht. Es ging um lange Transportzeiten, die Rolle der Arztpraxen, und welche Ärzte künftig überhaupt noch den Notarztdienst leisten.

Verkauf an Fachklinik sei „Schlechte Lösung“

Ein Bestenheider Bürger schilderte seine Not wegen der Schließung des MVZ in Kreuzwertheim und fragte, ob es nicht gelingen könne, andere Ärzte für das Zentrum zu finden. Tanja Stroisch, Physiotherapeutin, stellte in den Raum, die Standorte der Kliniken im Main-Tauber-Kreis komplett zu überdenken. Bestünden die Häuser in Wertheim und Bad Mergentheim für die Grund- und Regelversorgung weiter, mache dies geografisch mehr Sinn.

OB Herrera Torrez entgegnete, dies wäre sinnvoll, wenn man die Krankenhausversorgung von Grund auf neu planen könnte. Die sei aber nicht der Fall. Die derzeitige Situation sei „historisch gewachsen“. In Bezug auf das MVZ in der bayerischen Nachbarschaft versicherte der OB, mit dem Kreuzwertheimer Bürgermeister Klaus Thoma zu sprechen.

Axel Wältz (CDU) bezeichnete den vom Insolvenzverwalter angestrebten Verkauf an den Fachklinik-Betreiber als „schlechte Lösung“, weil die medizinische Versorgung schlechter werde. Er berief sich bei den Mindestanforderungen an eine Notfallversorgung auf den Brand-Brief des Nierenfacharztes Stefan Seibold, über den die FN berichteten. „Wir erwarten vom Land Baden-Württemberg, dass der Krankenhausplan nicht geändert wird“, sagte Wältz. Hier sei der Bedarf für ein Haus der Grund- und Regelversorgung festgestellt worden. Daran habe sich nichts geändert. Vielmehr seien die Fallzahlen in Wertheim höher als an anderen Häusern der Region. „Wir nehmen die Verschlechterung der medizinischen Versorgung nicht hin“, fasste er die Haltung seiner Fraktion zusammen.

Agieren des Insolvenzverwalters „Miserabler Job“ für die Stadt Wertheim

Patrick Schönig (SPD) pflichtete Wältz bei: „Das ist die gemeinsame Position des Gemeinderats.“ Es sei eine „Herkulesaufgabe“, die Notfallversorgung ohne reguläre Klinik aufrechtzuerhalten und „schwer vorstellbar“. Auch er könne nicht nachvollziehen, dass Stuttgart in Erwägung ziehe, den Krankenhausplan zu korrigieren. Das Agieren des Insolvenzverwalters Mark Boddenberg, der anfangs optimistisch, ja euphorisch aufgetreten sei, bezeichnete Schönig als „Desaster“. Er habe einen „absolut miserablen Job für diese Stadt gemacht“.

Die Zuständigkeiten lägen klar bei anderen, und „trotzdem verstecken wir uns nicht unterm Tisch“. Der OB führe Gespräche mit dem Landkreis und dem Ministerium. Aus Stuttgart seien nichts als „schöne, freundliche Briefe“ gekommen. Landrat Christoph Schauder lehne eine finanzielle Beteiligung ab. „Eine Notaufnahme fürs Pflasterkleben brauchen wir nicht“, so Schönig. „Ob wir etwas Besseres hinbekommen, das kann hier keiner sagen, doch der Wille ist der gleiche wie Ihrer“, sagte er in Richtung Beschäftigte und erntete Applaus aus den Zuschauerreihen.

Richard Diehm (Grüne) versprach: „Wir als Grüne werden auch unser Bestes geben.“ Man werde weiter die politischen Kanäle nach Stuttgart nutzen. Er könne allerdings nicht den Erfolg garantieren. Man sei bereit, einen finanziellen Beitrag der Stadt für die Notfallversorgung zu leisten. „Es darf Richtung einer Million Euro gehen“, so Diehm.

Redaktion Reporter Wertheim

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