Medizinische Versorgung

Mut in Wertheim: Wie Engagement einem Krankenhaus neue Zukunft schenkt

Rund 1000 Menschen kamen zum Bürgerempfang. OB Herrera Torrez sprach von einem Kraftakt, den man gemeinsam bewältigt habe. Landrat Schauder setzte ein „persönliches Zeichen“.

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Gerd Weimer
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OB Markus Herrera Torrez hob die Gemeinschaftsleistung hervor, die für die Wiederbelebung des Krankenhauses erbracht wurde. © Gerd Weimer

Wertheim. Bei „Kaiserwetter“ – intensiver Sonnenschein und um die 30 Grad – fand am Samstagmittag der Bürgerempfang samt Tag der offenen Tür im wiederbelebten Wertheimer Krankenhaus statt. Rund 1000 Menschen waren nach Angaben der Stadt gekommen. Die Redner hoben die Bedeutung des Bürgerspitals für die medizinische Versorgung in Wertheim und Umgebung hervor. Es gab zudem Ehrungen für all jene, die dabei halfen, die hohen Hürden aus dem Wege zu räumen.

Auf dem Hof des DRK-Campus versammelten sich die Leute, darunter zahlreiche Gäste aus Gesellschaft und Politik wie zum Beispiel einige Rathauschefs der Region, die Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez begrüßte. „Es war wahrlich ein Kraftakt“, dessen Ausgang teils ungewiss gewesen sei, sagte Herrera Torrez. Angesichts der „gegenwärtigen Finanzierungssituation in der Gesundheits- und Krankenhausversorgung“ werde es für die Akteure im Wertheimer Krankenhaus eine Herausforderung bleiben.

OB Herrera Torrez: Setzen das um, was Experten fordern

Die Rettung des Krankenhaustandorts sei eine „große Leistung von uns allen“ gewesen. Trotz aller Widrigkeiten habe man an eine gute Lösung geglaubt. Herrera Torrez verwies auf den Finanzierungsbeitrag der vielen Spender, insbesondere aus der lokalen Wirtschaft und aus den bayerischen Nachbargemeinden. Fast 950.000 Euro sind mittlerweile bei der Stadt eingetroffen. Angesichts der jährlichen Unterstützung von 625.000 Euro durch den Kreis, freute sich der Oberbürgermeister über die Anwesenheit des Landrats Christoph Schauder.

Bedenkenträger, wie sie im ARD-Morgenmagazin und auch in den FN jüngst zu Wort kamen, hielt er vor, sich nicht ausreichend mit den Tatsachen vor Ort befasst zu haben. In Wertheim würden die Kooperationspartner umsetzen, was von Experten der Gesundheitspolitik gefordert wird. Mithilfe der Spezialisierung schaffe man das Fundament für die Grund- und Regelversorgung. Die niedergelassenen Ärzte vertrauten der „hohen medizinischen Qualität“ und wiesen dem Haus Patienten zu. Herrera Torrez rief die Bürgerschaft dazu auf, das Krankenhaus im Bedarfsfall zu nutzen.

Viele Gäste vefolgten den offiziellen Teil des Bürgerempfangs. © Gerd Weimer

Der Oberbürgermeister verwies auf die jüngst ausgezeichnete Wirtschaftskraft der Main-Tauber-Stadt, ohne die die Rettung der Klinik nicht möglich gewesen wäre und die auch dem Landkreis zugutekomme: 15 Millionen fließen über die Kreisumlage nach Tauberbischofsheim – Tendenz steigend.

Angesichts des Zuschusses von bis zu 2,75 Millionen Euro, der im Haushalt jährlich zu stemmen ist, versicherte Herrera Torrez, dass in der Stadt trotzdem „kein Stillstand herrscht“. Viele Projekte würden umgesetzt oder stünden auf der Agenda. Herrera Torrez nannte unter anderem den Neubau der Sporthalle am Gymnasium, das Feuerwehrhaus in Sonderriet und die Kindergärten als „zentrale Säulen der Attraktivität und Lebensqualität“. Die Gesellschaft neige dazu, „Dinge schwarzzusehen“. Die Projekte der Stadt zeigten, „, dass wir davon weit entfernt sind“. Man dürfe dankbar dafür sein, dass es „so viele engagierte Menschen in unserer Stadt gibt“. Gemeinsam sei es gelungen, das Krankenhaus zu retten.

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Wolfgang Reinhart, Abgeordneter und Vizepräsident des Landtags, sagte, die Wiedereröffnung des Hospitals sei „ein Beweis dafür, dass Mut, Zusammenhalt und Beharrlichkeit vieles bewirken können“. Wertheim dürfe auf eine „tolle Leistung“ zurückblicken. Im ländlichen Raum benötige man „andere Versorgungsstrukturen als in den Städten“, wo es einfacher sei, die Zahl der Krankenhäuser zu reduzieren.

Reinhart: „Ihr habt nicht resigniert, sondern agiert“

Die Demonstration der Wertheimer in Stuttgart im März vergangenen Jahres habe ihre Wirkung nicht verfehlt. Das Gesundheitsministerium habe Einsicht gezeigt, indem das Bürgerspital im Krankenhausplan berücksichtigt wurde. „Dass Bürger ihre Meinung kundtun, ist wichtig“, so Reinhart. „Ihr alle wart nicht deprimiert, sondern motiviert. Ihr habt nicht resigniert, sondern agiert. Ihr habt nicht lamentiert, sondern inspiriert“, rief er den Gästen zu und versprach das Projekt auch weiterhin zu unterstützen.

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Landrat Christoph Schauder sagte, Erfolg sei „ein Prozess, der Geduld, Ausdauer und Engagement“ erfordert. „Genau das ist in Wertheim sichtbar.“ Es sei „großartig“, was hier geschaffen wurde. Schauder verwies auf das große Engagement der Stadtverwaltung, des Gemeinderats und des Oberbürgermeisters. Er sprach von einer „Phalanx an Unterstützern“, zu denen das Aktionsbündnis, der Förderverein, der Frauenverein, die Ärzteschaft und die Unternehmen gehörten. „Mit dem Bürgerspital wurde eine Möglichkeit gefunden, den Krankenhausstandort aufrechtzuhalten“, so Schauder. „Gleichzeitig wurde damit dem berechtigten Wunsch vieler Bürger Rechnung getragen, weiterhin ein Krankenhaus vor Ort zu haben“.

„Ihr habt nicht lamentiert, sondern inspiriert“, hielt Wolfgang Reinhart der Wertheimer Bürgerschaft zugute. © Gerd Weimer

Er freue sich, dass der Krankenhausbetrieb gut angelaufen sei, die Menschen das Angebot annehmen und die Ärzteschaft der Region Patienten einweisen. Das sei eine Grundvoraussetzung für einen dauerhaften Erfolg. Im Hinblick auf den Beschluss des Kreistags, das Projekt finanziell zu unterstützen, sagte der Landrat: „Es war wichtig, dieses Signal zu senden.“

Landrat Schauder: Verbesserungen im Rettungsdienst bleiben erhalten

Die im Zuge der Rotkreuzklink-Insolvenz eingeleiteten Verbesserungen im Rettungsdienst würden beibehalten. „Um ein Zeichen zu setzen“ und die Leistung der Wertheimer Stadtgesellschaft zu würdigen, so Schauder, trat er persönlich dem Förderverein bei. Der Landrat übergab dem Vorstand des Vereins seine unterschriebene Beitrittserklärung. Man könne sich darauf verlassen, dass der Landkreis die weitere Entwicklung des Bürgerspitals „weiterhin konstruktiv begleiten“ werde.

Alexander Gläser, Geschäftsführer der Bürgerspital-Trägergesellschaft, dankte allen Beteiligten für ihren Rettungsbeitrag. Es handle sich über Wertheim hinaus um eine „Gemeinschaftsleistung“. Oberbürgermeister Herrera Torrez und die Stadtverwaltung hätten sich offen für die Vorschläge der Westfalenklinik-Gruppe gezeigt. „Eine solch engagierte, ambitionierte und umsetzende kommunale Verwaltung ist beispielhaft“, lobte er.

Landrat Christoph Schauder lobte "Geduld, Ausdauer und Engagement" der Wertheimer. © Gerd Weimer

Gläser ließ die spendenden Unternehmen und die Bürgerschaft nicht unerwähnt. Sie seien mit fast einer Million Euro „in Vorschuss gegangen“ – ein Zeichen „einzigartiger Solidarität“. Seit der Wiedereröffnung Anfang des Jahres habe man fast 5.000 Menschen medizinisch helfen können, bilanzierte Alexander Gläser, davon fast 2.800 Menschen in der Notfallversorgung. Die Zahlen wachsen demnach rapide. Dies zeige, dass der Standort notwendig sei. 150 Mitarbeiter würden ihr Bestes geben. Man biete „gute, seriöse und hochwertige Medizin“ mit Hilfe herausragender Fachärzte an.

Alexander Gläser: Bürgerspital ist Antwort auf die Krise

In Bezug auf die Äußerungen von Gesundheitsökonomen über die Erfolgsaussichten des Projekts sagte Alexander Gläser, das Bürgerspital-Projekt „ist die Antwort auf die Krise“ der Krankenhauslandschaft. Im Schulterschluss mit den Partnern Mediclin, dem Nierenzentrum und anderen, biete man eine „integrierte Versorgung“ an. Damit nehme man das vorweg, was mit der Krankenhausreform umgesetzt werden soll. „Wir sind Vorreiter für etwas, das in den nächsten Jahren jedes einzelne Krankenhaus betreffen wird“, so Gläser.

Alexander Gläser: Das Bürgerspital-Projekt „ist die Antwort auf die Krise“ der Krankenhauslandschaft. © Gerd Weimer

Mit Mitteln aus öffentlicher Hand habe man die Notfallversorgung wieder reaktivieren können. Gläser bekräftigte den Willen, die Rund-um-die-Uhr-Notfallversorgung bis zum neuen Jahr „wieder auf die Strecke zu bringen“. Er verwies auf die medizinischen Kompetenzen im Haus, insbesondere auf dem Gebiet der Chirurgie. Mithilfe der Spezialisierung auf die Behandlung übergewichtiger Patienten könne man ein Krankenhaus etablieren, das „über die Region hinaus bekannt und stärker denn je ist“.

Im Anschluss an den Bürgerempfang nutzen die Gäste die Möglichkeit, an Führungen im Krankenhaus teilzunehmen oder Vorträge über die Arbeit in der Klinik zu verfolgen. Mit dabei waren auch die Reha-Klinik Mediclin und das Nierenzentrum. Auch der DRK-Kreisverband gab Einblicke in seine Arbeit. Im benachbarten „Top-Vital“ gab es ebenfalls reichlich Informationen über das Angebot und einen Vortrag über medizinisches Fitnesstraining.

Redaktion Reporter Wertheim

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