Bürgerspital Wertheim

„Wer uns Emotionen vorwirft, hat den Schuss nicht gehört“

Engagierte Mitstreiter erhalten Urkunden und viel Applaus. Sie haben Kurs gehalten auf der „Berg- und Talfahrt“ zur Rettung des Krankenhauses.

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Gerd Weimer
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Vertreterinnen und Vertreter der geehrten Mitstreiter-Organisationen mit dem Landtagsabgeordneten Wolfgang Reinhart (links) und OB Markus Herrera Torrez. © Gerd Weimer

Wertheim. Urkunden und viel Lob von Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez gab es beim Bürgerempfang der Stadt Wertheim für die Gruppen, die sich beim Erhalt des Wertheimer Krankenhauses mit besonderem Engagement eingebracht hatten: den Frauenverein, das Aktionsbündnis, die Ärzteschaft und den Förderverein.

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Marlise Teike sagte für den Frauenverein, man habe sich „von Anfang an aktiv dafür eingesetzt, dass die medizinische Versorgung unserer Region gesichert ist“. Dabei sei es unter anderem um diverse Postkartenaktionen, die Organisation von Demonstrationen und die Bereitstellung von Räumen für die Vorbereitungstreffen gegangen „Dass wir heute gemeinsam hier stehen, zeigt, wie viel erreicht werden kann, wenn Engagement, Zusammenhalt und Beharrlichkeit aufeinandertreffen“, bekräftigte sie.

Die Vertreterinnen des Wertheimer Frauenvereins: Tanja Lemmen, Heidi Fahrekrog-Keller, Marlise Teike und Martina Dosch. © Gerd Weimer

Das Wirken des Aktionsbündnisses „Rettet das Krankenhaus“ sei auch deshalb bemerkenswert, so OB Herrera Torrez, weil es nicht über eine etablierte Vereinsstruktur verfüge. Herrera Torrez erinnerte an die große Kundgebung mit tausenden Teilnehmern auf dem Marktplatz. Tarek Nasser, der Sprecher, sprach von einer „Berg- und Talfahrt“, weil es viele Hindernisse gegeben habe.

„Wertheim ist eine Stadt der Retterinnen und der Retter“

„Aber der Zusammenhalt und die große Unterstützung hat das Projekt nach vorne gebracht“, so Nasser. Martina König sagte: „Wertheim ist eine Stadt der Retterinnen und der Retter.“ Die Anwesenheit der vielen Gäste bedeute, dass man auch in Zukunft zum Krankenhaus stehe, „mit allem, was dazugehört“.

Die niedergelassenen Ärzte hätten darüber aufgeklärt, „was eigentlich Sache ist“, sollte es keine Notfallversorgung mehr in Wertheim geben, sagte OB Herrera Torrez. „Sie haben nicht einfach nur den Finger in die Wunde gelegt, sondern aktiv mitgewirkt: Konzepte geschrieben, Ideen zusammengetragen – und das ehrenamtlich.“ Es habe das ein oder andere Streitgespräch im Rathaus gegeben. Die Neurologin Sandra Rückert habe als „Lautsprecherin“ mitunter „sehr pointiert und manchmal auch sehr kontrovers Punkte eingebracht“. Das sei wichtig gewesen, weil man auf das Fachwissen angewiesen war, um andere zu überzeugen.

„Das ein oder andere Streitgespräch im Rathaus“

Christina Gläser sagte stellvertretend für die Ärzteschaft: „Wertheim ohne ein Haus der Grund- und Regelversorgung, das konnte ich mir nicht vorstellen.“ Als von einer Fachklinik und Insolvenz die Rede war, sei ihr klargeworden, dass es „ganz schlecht für die Region ausgehen“ könne. Die Ärzteschaft habe sich „ganz schnell zum Kampf formiert“. Mehrfach pro Woche habe man sich „die Nächte um die Ohren geschlagen, Konzepte erstellt, Informationen eingeholt, Politiker kontaktiert, angeschrieben und genervt“.

Christina Gläser, Sprecherin der Wertheimer Ärzteschaft. © Gerd Weimer

Man habe dann ein „Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffen und Bangen“ erlebt. Immer sei klargewesen, dass es eine Notfallversorgung nur in Verbindung mit einem richtigen Krankenhaus geben könne. Die Aussage von Gesundheitsökonomen, dass kleine Häuser nicht überleben werden, mache sie betroffen. Patienten müssten nicht nur weite Wege mit möglicherweise fatalen Folgen zurücklegen. Vielmehr würden die Ambulanzen und Notaufnahmen in den großen Zentren überlastet. „Selbst in Häusern der Maximalversorgung herrscht dann de facto eine Unterversorgung“, so die Ärztin. Die geforderten Schließungen würden viele Menschen, insbesondere Alte und Pflegebedürftige, von der Grund- und Regelversorgung abschneiden.

Notfallmedizin als gesamtgesellschaftliche Angelegenheit ansehen

Wer vor diesem Hintergrund „uns Bürgern unterstellt, dass nur Emotion das Motiv für den Kampf um unsere Versorgung ist, der hat den Schuss nicht gehört oder will ihn nicht hören“, schrieb Christina Gläser den Kritikern ins Stammbuch. Man müsse die Notfallmedizin als gesamtgesellschaftliche Angelegenheit ansehen. „Es gibt Dinge, die sind nicht wirtschaftlich, und man muss sie sich eben trotzdem leisten“, so die Allgemeinärztin. „Es war ganz schön knapp und trotz aller Bemühungen hätte es auch schief gehen können, wenn man nicht mit Alexander Gläser, dem Betreiber des Bürgerspitals, einen Investor gefunden hätte“, sagte sie.

Auch die Leute des Fördervereins durften schließlich Urkunde und Präsent in Empfang nehmen. Der Vereinschef und Kreuzwertheims Bürgermeister Klaus Thoma sprach von einem „tollen Team“, das „sehr kreativ mit mir die verrücktesten Ideen durchzieht“. Thoma forderte die Gäste dazu auf, Mitglied zu werden.

Förderverein sammelt über 750.000 Euro ein

Bisher habe der Verein 764.000 Euro eingesammelt. „Das ist ein Wahnsinn“, schwärmte Thoma, der auf den Kampf der bayerischen Kommunen, das Bürgerspital unterstützen zu dürfen, einging. „Man schickt einem Bürgermeister aus Unterfranken keinen elfseitigen Brief aus dem Ministerium“, sagte er in Anspielung auf die Anweisung der Staatsregierung, eine Unterstützung des Bürgerspitals zu unterlassen. Das habe ihn angespornt, Widerstand zu leisten.

Klaus Thoma, Vorsitzender des Fördervereins. © Gerd Weimer

Mit Erfolg. Durch die bayerischen Kommunen würden bis Ende des Jahres 170.000 Euro zusammenkommen. Jeder Gemeinde falle es schwer, Geld zur Verfügung zu stellen. „Aber die Solidarität in der kommunalen Familie ist vorhanden. Der Main dürfe keine Rolle spielen“, spielte Thoma auf die Landesgrenze an.

Der Förderverein verzeichne mittlerweile etwa 1.500 Mitglieder. „Wir wollen die 2.000er-Marke knacken“, kündigte er an. Man habe fleißige Mitstreiter. „Egon Becker, der war bei Ihnen vielleicht noch gar nicht an der Haustür, aber der kommt noch“, kündigte Thoma an und erntete neben vielen Lachern ordentlich Applaus.

Redaktion Reporter Wertheim

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