75 Jahre – FN on Tour - Ortschronist und Archivpfleger Manfred Schneider und „Kreuzemer Original“ Berthold Kunkel haben zahlreiche Geschichten auf Lager

Kreuzwertheim: Warum der Bahnhof außerhalb liegt

Das namensgebende Kreuz ist in der Geschichte der Marktgemeinde Kreuzwertheim allgegenwärtig. Bei einem Ortsrundgang führte Manfred Schneider zu besonderen Punkten rund um das Zeichen und die Geschichte der Marktgemeinde.

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Birger-Daniel Grein
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Bei einem Ortsrundgang führten Manfred Schneider (links) und Berthold Kunkel zu interessanten Orten der Marktgemeinde. © Birger-Daniel Grein

Kreuzwertheim. Seit 34 Jahren ist Manfred Schneider Vorsitzender des Geschichts- und Heimatvereins Kreuzwertheim und seit 1983 ehrenamtlicher Ortschronist und Archivpfleger. Mit der Länge dieser Amtszeit als Chronist hält er einen Rekord in Kreuzwertheim. Und natürlich kennt sich Schneider als Chronist mit den Plätzen und vor allem der Geschichte in der Marktgemeinde aus.

Start des Rundgangs mit den Fränkischen Nachrichten war der Platz vor der evangelischen Kirche. Er regte dazu an, einen etwas genaueren Blick auf die Geschichte der Marktgemeinde zu werfen, die einst mit dem Namen Wertheim gegründet wurde. Weil der Main oft Hochwasser gehabt habe, entwickelte sich die Siedlung auf der sicheren Hochlage. Der Name Wertheim gehe zurück auf das althochdeutsche „warit“ oder „werit“, was Heim am sicheren Ufer bedeute, sowie auf das Wort „wörth“, das für Halbinsel stehe. 1009 habe die Gemeinde das Marktrecht von Heinrich II. bekommen.

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Der fromme Einsiedler

Als die Grafen ihren Schwerpunkt auf die andere Mainseite verlegten, sei das neue Wertheim. Auch zur Namensentstehung von Kreuzwertheim gebe es Hinweise in der Geschichte. „Hier in Kreuzwertheim soll ein frommer Einsiedler gelebt haben, der bekannt war und mit seinen Predigten viele Leute anzog. Bei einer solchen Predigt sei einmal ein Reiter mit einem wilden Rappen gekommen und habe eine Jungfrau aus den Reihen der Zuhörer rauben wollen. Daraufhin hielt der Einsiedler ein Kreuz in die Höhe. Das Pferd habe gescheut, der Reiter stürzte in den Tod und das schwarze Pferd habe sich in einen Schimmel gewandelt. Als Erinnerung daran habe man ein Kreuz aufgestellt“, berichtete Schneider.

Die evangelische Kirche sei die Keimzelle der Pfarreien im südöstlichen Spessart. Sie sei wohl um das Jahr 1300 entstanden und wurde mehrfach umgebaut und erweitert. 1753 wurde der Kirchturm erhöht. Schneider verwies auf ein Hufeisen an der alten Kirchenpforte. Es soll angeblich das Hufeisen jenes Pferdes sein, das der Einsiedler verwandelt habe. Die Kirche habe den Namen „Zum Heiligen Kreuz“ bekommen. „Dieses Patrozinium war höchstwahrscheinlich prägend für die Namensgebung der Siedlung“, vermutete der Chronist.

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Der Name „Heiligencrüceswertheim“ für die rechtsmainische Siedlung sei erstmals 1311 urkundlich erwähnt worden. In Urkunden finde man verschiedene Schreibweisen des Orts. „Alle beinhalten das Wort Kreuz als Kennzeichnung der Siedlung.“ Auch heute würden die Leute sagen: „Wir fahren nach Kreuz“, wenn sie den Weg in die Marktgemeinde meinen.

Das irische Kreuz über der alten Kirchentür sei ein Hinweis auf die Missionierung durch die irischen Mönche, erklärte Schneider. Auf dem Kirchplatz findet sich ein großes irisches Radkreuz. Es stamme wahrscheinlich aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. „Offen ist jedoch, ob es das Missionskreuz der Pfarrei oder das Marktkreuz war.“ Vielleicht sei es auch beides gleichzeitig gewesen. Der Kirchplatz sei für die Gemeinde auch der Marktplatz gewesen und somit „das Herz und die Mitte des alten Kreuzwertheim.“ Um das Kreuz herum habe es mehrere Gasthäuser gegeben, unter anderem das alte Gasthaus zur Sonne. „Es stand am Kirchplatz Nummer 8 und war das älteste Gasthaus des Orts. Geschlossen wurde es nach dem Ersten Weltkrieg.“

Der vor wenigen Jahren neu gestaltete Quätschichplatz erinnert an den Obstanbau in der Gemeinde, bei dem Zwetschgen eine besondere Rolle spielten. © Grein

Am Standort der heutigen Spessart-Brauerei habe das „Gasthaus zum Löwen“ gestanden, auch das Gasthaus Adler, heute Landgasthof Franz, habe sich nahe dem Kirchplatz befunden.

Am Kirchplatz Nummer 4 verwies er auf das Frühmesserhaus aus dem 16. Jahrhundert. „Es wurde vorbildhaft ab 2012 saniert“, lobte Schneider. Der Ortschronist verwies auf die am Haus angebrachten und von ihm erstellten Infotafeln. Demnächst sollen an weiteren bedeutenden Gebäuden und Denkmälern Tafeln angebracht werden, die über deren Geschichte berichten.

Schneider könne sich auch vorstellen, dass die Gäulsgasse, die in Richtung Main führt, auf die Geschichte des Einsiedlers zurückgeht. Es heißt, er habe kranke Pferde zum Main geführt und sie mit dem Mainwasser geheilt. „Wahrscheinlich geht der Name aber auch auf die Leinreiter zurück“, vermutet Schneider.

Am Kirchplatz stieß Berthold Kunkel zum Rundgang dazu. Kunkel ist ein „Kreuzemer Original“. Er brachte beim Rundgang den Quätschichplatz an der Hauptstraße ins Gespräch. „Die Kreuzemer Quätschich hat eine große Bedeutung, weil es früher im Umland mehr Obst- als Getreideanbau gab.“ Vor allem die Zwetschge wurde angebaut.

Seit 1953 feiere die Gemeinde die Frucht mit dem „Quätschichfest.“ Kunkel selbst ist Eigentümer des Hauses Kirchplatz 8. „Er hat dies mit viel Eigenleistung innen wie außen vorbildlich erhalten und restauriert“, lobte Schneider. „In Kreuz sagen die Leute, was neu ist, taucht nix“, sagte Kunkel in Mundart. Und Schneider ergänzte, dass dies auch für die Bahn gegolten haben soll, weswegen der Bahnhof auch zwei Kilometer außerhalb der Gemeinde gebaut wurde. Weiter ging der Rundgang zum Schloss in der Hauptstraße. In ihm wohnt heute Ludwig Fürst zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg mit seiner Familie. „Das Schloss von 1763 entstand auf Grundlage eines gefreiten Hofs. Dieser wurde umfassend erweitert und zum Schloss ausgebaut.“

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Der Haslocher Turm

Vorbei am Schloss führte der Weg zum Oberen Tor in der Pfarrgasse, einem der beiden noch bestehenden Wehrtürme der Gemeinde. Der zweite, der Haslocher Turm, befindet sich direkt an der Hauptstraße. Das Obere Tor sei früher der Ortsausgang Richtung Triefenstein gewesen, so Schneider. Die alte Wegverbindung dorthin existiere nicht mehr, jedoch ein Radweg. „1368 verlieh Kaiser Karl IV. den Grafen von Wertheim das Recht in Kreuzwertheim Münzen schlagen zu lassen.“ Diese hätten das Bild der Grafen Johann I. oder II., den Adler und ein Kreuz gezeigt.

„Die Münze war natürlich für Überfälle interessant, deswegen hatte man wahrscheinlich die Schutzvorkehrungen errichtet.“ Im Ort habe es um 1440 vier Türme gegeben. Zwei davon seien durch eine Mauer verbunden, die anderen beiden durch eine schützende Dornenhecke, den Dorfhag.

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