„Mein schönster Platz“

Kembach: Am Rathaus kommt das Dorf zusammen

Mit der Sanierung ihres Rathauses haben sich die Kembacher selbst einen Lieblingsplatz mitten im Dorf geschaffen. Dort öffnet regelmäßig freitags die Dorfkneipe.

Von 
Katharina Buchholz
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Ortsvorsteherin Tanja Bolg sitzt auf einer der Bänke vor dem Rathaus, die die Kembacher Schießbuben gebaut haben. Der Bürgertreff im sanierten Rathaus wird freitags regelmäßig zur Dorfkneipe. © Katharina Buchholz

Kembach.

Ein Vormittag unter der Woche ist eigentlich der falsche Zeitpunkt, um Tanja Bolgs Lieblingsort im Dorf zu besuchen: Die Kembacher Ortsvorsteherin empfängt vor dem Rathaus an der Kembachtalstraße.

Dorfgaststätte: Bewirtung durch Freunde, Gruppen und Familien

Während auf dem Platz rechts der Dorfbrunnen plätschert, blüht vor dem Gebäude in einem breiten Beet leuchtend gelb der Sonnenhut. Drei Bänke stehen vor den großen Fenstern – zwei davon sind tomatenrot und ruhen auf den Radachsen historischer Wagen. „Am Freitagabend kann man hier schön in der Sonne sitzen und der Gemeinschaft frönen“, sagt sie. Dann nämlich hat die Dorfgaststätte „Zum Rathaus“ geöffnet, in der im wöchentlichen Wechseln verschiedene Gruppen, Freundeskreise oder Familien die anderen Dorfbewohner mit ihren Lieblingsgerichten bewirten. „Wir haben mit acht Vereinen ein reges Vereinsleben, wenn da eine Veranstaltung stattfindet, nehmen wir natürlich Rücksicht und die Dorfkneipe bleibt zu“, erklärt Bolg mit Blick auf einen gut gefüllten Jahreskalender.

Anziehungspunkt Dorfkneipe: Großer Zusammenhalt in Kembach

Hat die Gaststätte geöffnet, sitzen die Kembacher oft bis Mitternacht zunächst vor ihrem Rathaus und später drinnen: Der Bürgertreff im Erdgeschoss ist gemütlich, aber modern mit geölten Holzmöbeln eingerichtet. Eine Küche und eine Theke bieten die Möglichkeit zum Ausschank. „Leute, die früher nie im Dorf aktiv waren, kommen und setzen sich dazu“, beschreibt Bolg die Anziehungskraft der Dorfkneipe. Eine Sitzordnung gebe es nicht: „Jeder nimmt da Platz, wo etwas frei ist“, sagt sie.

Der Umbau des sanierungsbedürftigen, historischen Rathauses zwischen 2016 und 2018 hat dem Zusammenhalt im Dorf einen Schub gegeben. Den größten Teil der Arbeiten stemmte die Gemeinschaft in Eigenarbeit und wurde dafür in diesem Jahr mit dem Deutschen Kulturlandschafts-Preis ausgezeichnet. „Wir haben eine intakte Dorfgemeinschaft und einen super Zusammenhalt. Jeder ist hier für den anderen da.“

Vorbereitungen für 1250-Jahr-Feier im Jahr 2025 laufen

Der ehrenamtlichen Mitarbeit der Bürger sind auch die blühenden Beete zu verdanken, die nicht nur den Platz vor dem Rathaus, sondern viele der Straßen schmücken. „Die Pflege übernehmen Mitglieder des Dorf- und Verschönerungsvereins oder Anwohner“, betont Bolg. Zahlreiche Beete entlang der Kembachtalstraße wurden in diesem Jahr neu bepflanzt.

Der Grund: Im nächsten Jahr im Juni feiert das Dorf zunächst seine 1250-Jahr-Feier, der Sportverein ist kurz darauf Gastgeber der Wertheimer Stadtmeisterschaft. „Da wollen wir das Dorf natürlich von seiner schönsten Seite zeigen“, gibt Bolg zu.

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Damit die Gäste beim Jubiläum gut unterhalten sind, arbeitet die Dorfgemeinschaft an einem bunten Programm. „Unser Fest wird nicht so groß werden wie das in Urphar, denn wir wollen unsere Leute nicht überlasten, gerade weil im Anschluss noch die Stadtmeisterschaft ist“, sagt Bolg. Aber jede Gruppe im Dorf werde sich beteiligen und etwas vorbereiten.

Kaum Leerstand in Kembach

Während Bolg erzählt, kommt ein Senior durch die offene Tür des Bürgertreffs. „Tanja, wir bräuchten Müllsäcke. Kannst du uns welche rausgeben?“, fragt er. Bolg bittet ihn kurz zu warten. Einige Rollen gelbe Säcke hat sie griffbereit im Bürgertreff. „Wenn die Dorfkneipe geöffnet hat, ist meine zweite Sprechstunde“, sagt sie und schmunzelt.

Seit 15 Jahren begleitet Bolg ihre Ortschaft nun als Ortsvorsteherin. „Vieles hat sich in dieser Zeit zum Besseren verändert“, findet sie. Das Landessanierungsprogramm, das bereits vor ihrer Zeit als Ortsvorsteherin startete, habe dazu beigetragen, dass viele baufällige Häuser saniert wurden. Andere wurden abgerissen und machten Platz für Neubauten, in denen heute junge Familien leben. „Es gibt kaum Leerstand bei uns“, unterstreicht Bolg stolz. Im Baugebiet „Buschhölzlein“ stehen noch fünf Bauplätze zur Verfügung, fünf weitere freie Flächen befinden sind in Privatbesitz. Ein neues Baugebiet benötige das Dorf deshalb nicht, zumal damit zu rechnen sei, dass in den kommenden zehn Jahren auch wieder Häuser im Ortskern frei werden.

Mietwohnungen in Kembach dringend benötigt

Mietwohnungen dagegen fehlen in Kembach. Aus diesem Grund hofft Tanja Bolg, dass der Investor, der in der Baulücke der ehemaligen Bonbonfabrik ein Mehrfamilienhaus plant, bald mit dem Bau beginnen kann. „Wohnungen zum Mieten werden dringend benötigt, nicht jeder kann ein Haus bauen in der heutigen Zeit“, sagt Bolg.

Die Vorteile ihres Dorfes liegen für die Ortsvorsteherin auf der Hand: „Wir wohnen hier sehr ruhig mit der Natur ringsum. Wenn ich eine Auszeit brauche, bin ich im Whirlpool in meinem Garten. Wenn man Action braucht, ist man schnell auf der Autobahn und nach Würzburg, Tauberbischofsheim und Marktheidenfeld ist es nicht weit.“

Glücklich über Kita-Erweiterung

391 Menschen leben derzeit im Dorf. „Erst letzten Montag hat sich wieder einer angemeldet“, freut sich Bolg. Und: Kembach ist kinderreich. Deshalb sei die Erweiterung und die Sanierung der Kindertagesstätte, deren Abschluss in diesem Jahr gefeiert wurde, der richtige Schritt gewesen. „Wir sind glücklich. Teilweise mussten Kinder vorher auf bayerische Nachbargemeinden ausweichen. Jetzt haben wir einen Kindergarten, in dem alle Kinder Platz finden.“

Das Sorgenkind der Kembacher steht dagegen am Ortsausgang Richtung Dietenhan: Die städtische Turnhalle ist in die Jahre gekommen – das Dach ist an mehren Stellen undicht und die Heizung unter dem nicht gedämmten Dach marode. Nun soll ein Angebot erstellt werden, wie das Dach verbessert werden könnte. Ziel sei es, die Halle Schritt für Schritt zu sanieren. „Die Betriebskosten sind momentan enorm, hier im Rathaus dagegen brauchen wir durch die Isolierung heute wenig Heizung“, sagt Bolg zufrieden. Die mehr als 8000 ehrenamtlich geleisteten Stunden Arbeit, die die Kembacher in ihr Rathaus investiert haben, machen sich auch auf diese Weise bezahlt.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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