Hochwasserkatastrophe - Wertheimer THW Fachgruppe noch im Krisengebiet im Einsatz / Katastrophenschutzzug der Feuerwehr seit Mittwochabend zurück / Kritik an Organisation

Hochwasser-Helfer aus dem Main-Tauber-Kreis: „Großes Lob, wir sind stolz auf Euch!”

Kaum Schlaf, viel Leid und ein kräftezehrendes Schlammschaufeln – der Einsatz der Hilfskräfte aus dem Main-Tauber-Kreis im Krisengebiet ist unvorstellbar. Am Mittwochabend kehrten die Feuerwehrleute aus dem Kreis Ahrweiler zurück.

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Heike Barowski
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Mit „Manpower“ räumten die Feuerwehrleute des Katastrophenschutzzuges aus dem Main-Tauber-Kreis die Häuser in Altenburg. © FFW Wertheim

Wertheim. „Es ist dort wie in einem Kriegsgebiet“, sagte Ernst Josef Zorneth. Seine Tochter Melanie ergänzte: „Nichts, was im Fernsehen gezeigt wird, ist übertrieben – eher untertrieben.“ Vater und Tochter gehören zu den 20 Feuerwehrkräften, die am Montagmorgen als Katastrophenschutzzug des Main-Tauber-Kreises über Bruchsal in das Krisengebiet abrückten. Seit Mittwochabend ist der Zug zurück.

Den 13 Mitgliedern aus den Abteilungen Wertheim, Dertingen, Kembach und Urphar war an diesem sonnigen Donnerstagnachmittag auf der Dachterrasse der Feuerwehrwache die Anspannung immer noch anzumerken. Zwei Tage, 48 Stunden: Kaum Schlaf gehabt, viel Leid erfahren, gegen organisatorische Mängel gekämpft und bis zur Erschöpfung mit allen Kräften geholfen – das zehrt.

Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz. Eines der wichtigsten Ausstattungsgegenstände waren die Sicherheitsstiefel. © Heike Barowski

Die erste Nacht, die erste große Aufgabe: Die Tesla-Satelliten auf verschiedene Ortschaften verteilen, damit Wlan-Empfang möglich wird. „Ich hätte in der Nacht sowieso nicht schlafen können, weil ich mir ständig Gedanken darüber gemacht hätte, was mich am nächsten Morgen erwartet“, sagte Stefan Diehm.

Im Einsatzort Altenburg hieß es dann: Häuser entrümpeln, Keller leer pumpen, Schlamm vom Dach bis ins Untergeschoss herausschaufeln, ein Verkehrsleitsystem einrichten und dabei den Geruch von Moder und Heizöl ständig in der Nase haben. Die Reißverschlüsse der Stiefel ließen sich vor Dreck nicht einmal mehr öffnen. Gewaschen wurde sich nur ganz kurz mit Desinfektionsmittel. Und ab und an stieß einer für einen kurzen Moment an seine emotionalen Grenzen; wie beispielsweise Zugführer Jürgen Segeritz, der während eines Telefonats ein Kinderbild im Schlamm entdeckte und es rausfischte.

Die Wertheimer Ortsgruppe des THW beim Beladen eines Transporthubschraubers mit Trinkwasser für die Bevölkerung. © THW

Nur elf Häuser sind in dem Ort noch bewohnbar. Alle anderen beschädigt, zerstört oder gar nicht mehr da. Für die erfahrenen Einsatzkräfte war das Betreten der demolierten Häuser kaum ein Risiko. Die umherschwimmenden Teile dagegen schon.

Allein über das Thema Verkehr könnten die Helfer jede Menge erzählen. Da ist die Rede von kaputten und nicht mehr vorhanden Brücken, verstopften Zufahrten, fehlender Beschilderung und niemand, den man fragen kann, weil sich keiner auskennt.

Helfer des THW Wertheim pumpen Keller leer. © THW

Wie in einer Geisterstadt

Nachts sei das evakuierte Altenburg wie eine Geisterstadt, berichtete Ernst Josef Zorneth. Fenster und Türen stehen offen, kein Licht, kein Leben. Von Plünderungen brauchten die Kräfte nicht berichten – wohl aber von ständiger Polizeipräsenz in der Nacht. Tagsüber dagegen waren zahlreiche Helfer vor Ort, Menschen die angereist waren, um zuzupacken. Versorgt wurden sie von einer christlichen Organisation, die sogar warme Gerichte an alle verteilen konnte.

Wir sind nicht die Helden, sondern die vielen Freiwilligen vor Ort. Wir haben nur unseren Job gemacht.
Feuerwehrmitglied Melanie Zorneth

Auf der an die Helfer vom Verband ausgegebenen Packliste standen übrigens auch Sonnencreme und eine warme Mütze. „Erst hab ich den Kopf geschüttelt. Jetzt ist mir klar wieso“, meinte Stefan Diehm. Wie kalt die Nächte im Hochwassergebiet werden, hatte auch er im Vorfeld etwas unterschätzt.

Neben Schaufeln, Schläuchen und Sicherheitsschuhen ist auch ein Notstromaggregat nicht mehr mit zurückgekommen. Das haben die Feuerwehrkräfte vor Ort gelassen – dort, wo es dringend benötigt wird.

Feuerwehrleute aus Wertheim, Urphar, Kembach, Dertingen, Tauberbischofsheim und Lauda waren in Altenburg im Kreis Ahrweiler zwei Tage teilweise ohne Schlaf im Einsatz. © FFW Wertheim

Hauptsächlich benötigt werden in Altenburg freiwillige Helfer, darin waren sich sofort alle Anwesenden am Donnerstag einig. Viele von ihnen würden bei einer erneuten Anforderung auch wieder parat stehen. Angefragt für einen nächsten Einsatz sind bereits Führungskräfte der Wehr und die Wasserrettung im Landkreis.

Als jemand das nicht selbstverständliche Engagement würdigen wollte, winkte Melanie Zorneth ab: „Wir sind nicht die Helden, sondern die vielen Freiwilligen vor Ort. Wir haben nur unseren Job gemacht“, bemerkte sie.

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Und dann kam doch noch Kritik aus den Reihen der Feuerwehrkräfte. Genau wie die THW-Helfer berichten auch sie von chaotischer Organisation zu Beginn des Einsatzes. Erst als einer ihrer Führungskräfte auf den Tisch gehauen habe, wurde dem Katastrophenzug aus dem Main-Tauber-Kreis endlich ein Einsatzort zugeteilt. Dass es zunächst keine Unterkunft für die erste Nacht gab, fällt da kaum noch ins Gewicht. Stadtbrandmeister Torsten Schmidt versuchte zu relativieren: „Die Stabsarbeit gestaltet sich sehr schwierig, weil die Situation kaum zu erfassen ist“. Man dürfe nicht den Fehler begehen, und es mit einem Hochwasser in Wertheim vergleichen, so Schmidt.

Ein Bilder der Verwüstung bot sich den Kräften der Feuerwehr in Altenburg. © FFW Wertheim

Bereits am vergangenen Donnerstagabend rückte die Fachgruppe „Wassergefahren“ des Wertheimer THW aus. Zwölf Helfer im Alter zwischen 19 und Mitte 50 sind seitdem unermüdlich im Einsatz. Hermeskeil bei Trier und Grafschaft bei Bad Neuenahr-Ahrweiler waren die ersten Einsatzorte. Seit Samstag sind sie dem Bereitstellungsraum am Nürburgring angegliedert und rücken von hier aus. Neben dem Aufbau von Verpflegungs- oder Übernachtungszelten war eine ihrer ersten Aufgaben: Transporthubschrauber der Bundeswehr mit Lebensmitteln beladen, die dann Menschen in schlecht zu erreichenden Orten aus der Luft versorgen.

Dramatische Bilder boten sich den Helfern auch in Müsch und Rech. Beide Orte liegen an der Ahr.

Die Realität war und ist deutlich schlimmer als es die Fernsehaufnahmen vermitteln können.
Ein THW-Hefler aus Wertheim

Zuerst nach Müsch beordert, bauten sie noch in der Nacht die Beleuchtung auf, damit die Aufräumarbeiten nicht unterbrochen werden mussten. Das Ausmaß der Katastrophe in Müsch offenbarte sich den Helfern dann bei Tagesanbruch. „Die Realität war und ist deutlich schlimmer als es die Fernsehaufnahmen vermitteln können“, schreiben sie auf der Facebookseite.

„Die Helfer sind teilweise sehr betroffen, aber auf der anderen Seite hoch motiviert. Sie wollen gar nicht nach Hause sondern weiter helfen, weil das Ausmaß der Katastrophe so unfassbar groß ist“, fasste Oliver Guglhör, verantwortlich für die Pressearbeit, die Stimmung im Team zusammen. Der Dank der Familien, denen geholfen werden konnte, sei Lohn und Antrieb zugleich weiter zu machen. In Rech beispielsweise sind die Wertheimer seit Tagen dabei, die Keller wieder mit Wasser zu füllen, damit sie dann den Schlamm abpumpen können. Ein der Probleme, die es zu lösen galt: Wie kriegt man das dafür benötigte Flusswasser in die Ortsmitte.

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„Der letzte große Einsatz des THW liegt Jahre zurück. Aber jetzt wird wirklich jedem klar, warum sich Menschen im THW ehrenamtlich engagieren, ständig Kurse belegen und sich fortbilden“, so Guglhör.

Aber nicht nur die Menschen im Katastrophengebiet zeigen ihre Dankbarkeit. „Ihr seid toll. Wir denken an Euch“, ist beispielsweise auf der Facebookseite des THW Wertheim zu lesen. „Einfach Klasse das ihr auch dort seid, großes Lob, wir sind stolz auf Euch!“ heißt es auf der Seite der Wertheimer Wehr. Und überall gehen die Daumen hoch.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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