FN-Serie „Mein schönster Platz“ - Bernhard Schneider ist der neue Ortsvorsteher von Dertingen. Seine Maxime: auf Augenhöhe miteinander reden

„Hier bin ich jetzt zuhause“

Vor einigen Jahren hätte sich der Würzburger Bernhard Schneider nicht vorstellen können, auf’s Land zu ziehen. Inzwischen hat er in Dertingen eine neue Heimat gefunden und setzt sich mit großem Engagement für seinen Ort und dessen Bürger ein.

Von 
Heike Barowski
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Bernhard Schneider genießt auf der Spitze des „Kapf“ den Blick über den Weinberg und Dertingen bei einem Schluck „Ortsvorsteherwein“. © Heike Barowski

Dertingen. „So einfach ist das gar nicht mit dem Lieblingsplatz“, gibt Bernhard Schneider zu. Sehr gern sitzt der neue Ortsvorsteher von Dertingen natürlich in seinem Garten, lässt dort die Seele nach einem stressigen Arbeitsalltag baumeln, während er sich um seine mediterranen Pflanzen kümmert und die Vögel an den aufgestellten Futterhäuschen beobachtet.

Aber es gibt für ihn noch einen zweiten wunderbaren Platz, dessen besonderem Flair er sich nicht entziehen kann und der für ihn etwas Magisches an sich hat: auf der Bergspitze des „Kapfs“. Dort steht Schneider an diesem warmen Herbstnachmittag. Vor ihm zu Füßen ziehen sich in langen Reihen die Weinstöcke bis an den Rand des Ortes, der von dort oben wie eine kleine Spielzeugstadt aussieht. Das inzwischen bunte Laub der Reben eifert mit den Farben des Dorfs um die Wette.

„Der Blick über Dertingen, der Wein und direkt hinter uns das Naturschutzgebiet mit dem Diptam – es ist einfach wunderbar hier“, sagt Schneider. Für einen Moment verweilt sein Blick. Der Atem geht ruhig, dann wendet er sich der Sitzgruppe aus grobem Holz zu und zaubert zwei Weingläser und einen Bocksbeutel vom leckeren „Ortsvorsteherwein“ hervor. Die spezielle Abfüllung, ein Silvaner Kabinett vom Mandelberg, schimmert hellgolden im Glas. „Wenn Bekannte dabei sind, haben wir hier oben auch schon Brotzeit gemacht und dabei den Blick genossen“, sagt er.

Bernhard Schneider ist gebürtiger Würzburger. Nach langjährigem Wehrdienst entschied er sich aus familiären Gründen, statt Berufssoldat zu werden, für eine Laufbahn bei der Würzburger Stadtverwaltung. Als Vollstreckungsbeamter hat er oft mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu tun.

Auf das Land zu ziehen, war damals für ihn unvorstellbar. 2017 verschlägt es Schneider mit seiner Frau, die aus Bestenheid stammt, auf der Suche nach einem passenden Wohnsitz in den 920-Seelenort. „Die Gesellschaft in der Stadt hat sich derart verändert, dass mir dieser Schritt nicht schwergefallen ist.“ War Hilfe im Dorf nötig, packte er mit an.

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Nachfolge angetreten

Im Sommer dieses Jahres trat Schneider dann die Nachfolge des langjährigen Ortsvorstehers Egon Beuschlein an. „Ich lebe hier und werde hier wahrscheinlich auch beerdigt. Hier bin ich zuhause. Dertingen ist jetzt meine Heimat. Ich fühle mich hier sehr wohl und will dem Ort etwas zurückgeben“, begründet er die Entscheidung, sich für den Ortschaftsrat aufstellen zu lassen. Mitglied des Gremiums zu werden war ursprünglich Schneiders Idee – die dann jedoch im verantwortungsvollen Posten des Ortsvorstehers endete.

Ob es um die Ersatzteile für den Defibrillator oder die Abholung einer Babybox geht – an die E-Mail-Flut hat sich der neue Ortsvorsteher nach ein paar Monaten gewöhnt. „Da kommt schon einiges zusammen“, lacht er.

Sein Ansporn ist, dass er dem durch die Wahl entgegengebrachten Vertrauen der Bürger gerecht wird. Doch dafür muss Bernhard Schneider gemeinsam mit dem Rat Lösungen für ein paar große und kleine Probleme im Ort finden. Noch immer ist die Zufahrt zum Feuerwehrgerätehaus heikel. Und das in ein paar Jahren erwartete neue Löschfahrzeug passe nicht einmal in das Gerätehaus, gibt Schneider zu. Eine mögliche Lösung scheint aber in Sicht.

Ein weiteres Problem ist verkehrstechnischer Natur. Am Ortsausgang Richtung Wüstenzell endet der Gehweg des Neubaugebiets direkt an der Landstraße. „Die Schulkinder beispielsweise laufen parallel zum Bach auf privatem Grund und müssen mehrfach die Straße überqueren, weil kein Gehweg vorhanden ist. Eine Mutter mit Kinderwagen muss direkt auf der Landstraße laufen. Dass dieser Zustand sich bessert, das habe ich mir auf die Fahne geschrieben.“ Die Sorge, dass bei sehr hohem Verkehrsaufkommen, wenn die Autobahn mal wieder gesperrt ist, dort etwas passieren könnte, treibt ihn an. „Ich möchte, dass dort mindestens eine ordentliche Beschilderung montiert wird und Autofahrer auf die Schulkinder aufmerksam gemacht werden.“ Nach einer Verkehrsmessung an der Stelle stand fest, dass 51 Prozent der Autofahrer zu schnell unterwegs sind. „Der Schnellste hatte über 120 Stundenkilometer drauf, wo nur 50 Stundenkilometer erlaubt sind“, berichtet Schneider.

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Auf Augenhöhe

Auf Augenhöhe miteinander reden und gemeinsam etwas bewirken, ist seine Maxime. „Wir haben hier ein tolles Vereinsleben. Wenn etwas Größeres ansteht, sind alle Helfer mit Herzblut dabei“, kehrt er die Vorteile von Dertingen heraus. Und noch etwas hat Schneider ganz besonders gefreut: „Als wir hierher gezogen sind, sind viele Einwohner offen auf uns zugegangen.“

Auch wird Schneider nicht müde, die geografischen Besonderheiten aufzuzählen – allen voran die rings um Dertingen befindlichen Weinlagen, die das Ortsbild und auch die Infrastruktur deutlich prägen.

Gerade ploppt eine Mail zum Adventsmarkt auf. Natürlich beteiligt sich Bernhard Schneider daran – gar keine Frage. Der Ortsvorsteher wird seine Mitbürger mit leckeren Crêpes versorgen.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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