Reicholzheim. In aller Seelenruhe und ziemlich geräuschlos zieht der große Mähroboter seine Runden. Ein gut gepflegter Rasen macht immer etwas her. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen englischen Vorgarten, sondern den Fußballplatz des VfB Reicholzheim. „Wenn der Roboter funktioniert, ist es eine schöne Arbeitserleichterung“, sagt Ortsvorsteher Sebastian Sturm und folgt dem elektrischen „Hilfsarbeiter“ mit den Augen. Für ihn ist dieser Ort inklusive Vereinsheim und Mehrzweckhalle der Platz, an dem er am liebsten ist.
„Es gibt in Reicholzheim wirklich viele schöne Plätze, wie beispielsweise an der Kapelle, oberhalb des Ortes, am First bei Sonnenuntergang oder am Satzenberg mit Blickrichtung Bronnbach – aber der Sportplatz hat mich geprägt“, sagt Sturm.
Nachdem er seine Moto-Cross-Karriere an den Nagel gehängt hatte, wechselte er mit 14 Jahren zum Fußball, spielte bis 2017 aktiv als linker Verteidiger oder im linken Mittelfeld. Über ein Vierteljahrhundert war Sturm im Vorstand des VfB tätig, als Jugendvorstand, Schriftführer und über 20 Jahre als Kassierer. Vor einigen Monaten schied er aus dem Gremium aus, bleibt aber als Jugendtrainer für die F-Jugend weiterhin im Verein aktiv.
Zwei Mal in der Woche verbringt der gebürtige Reicholzheimer Zeit auf dem Sportplatzgelände. Erst am Tag vor dem Interview war er im Vereinsheim, hat Trikots zurückgebracht.
Hier findet vieles statt
„Der Sportplatz steht für mich sinnbildlich vor allem auch für unsere Gemeinschaft. Hier finden Fußballspiele und Volleyballturniere statt. Im Vereinsheim sind viele Jahreshauptversammlungen der Vereine. Der VfB feiert hier seine Feste. Wenn größere Veranstaltungen sind, dann finden diese in Regel auf dem Vorplatz statt“, erklärt Sturm den Hintergrund. In Kürze werden beispielsweise die Freiwillige Feuerwehr und der Sängerkranz ihr Jubiläum in der Halle und auf dem Platz begehen.
Wenn er über Reicholzheim spricht, gerät er fast ins Schwärmen. „Die Vielfalt, die wir haben, ist besonders“, sagt er und meint damit nicht nur die Vielfalt der Sportmöglichkeiten und die Anzahl der Vereine, sondern auch, die vielfältige Natur und im übertragenen Sinn eine intakte Infrastruktur mit Hausarzt, Physiotherapiepraxis, Metzger, Bäcker, Obstbauer, Weingut, Gaststätten, Grundschule, Friseur und Kindergarten. Nicht zu vergessen, der Tante M-Laden, ein besonderer Nahversorger, der inzwischen sehr gut angenommen wird.
„Wo Menschen sind, menschelt es – aber eigentlich wird hier am Ende doch immer an einem Strang gezogen“, beschreibt Sturm seine Reicholzheimer. Als Beispiel führt er die Organisation des Festbetriebs zum autofreien Sonntag an. Haben früher der Sängerkranz und der MSC das Fest ausgerichtet, stemmten es im vergangenen Jahr alle Vereine gemeinsam. Auch für die Weihnachtsmärkte oder Faschingsveranstaltungen tun sich die Vereine zusammen.
Sebastian Sturm ist mit Leib und Seele Ortsvorsteher. „Wenn es den Vereinen gut geht und die Gemeinschaft funktioniert, ist die Arbeit für mich oftmals leicht“, sagt er. Seit 2009 ist er im Ortschaftsrat tätig, seit 1. April 2012 als Ortsvorsteher. Sturm löste damals mitten in der Legislaturperiode seinen Amtsvorgänger Rolf Sommer ab, als das Großprojekt „Ortsdurchfahrt“ beendet war. Die Entscheidung, das Amt zu übernehmen, fiel nicht schnell, denn seine zukünftige Frau war nach München versetzt worden. „Dank meiner Familie hat dann doch alles funktioniert“, sagt Sturm rückblickend. Bereut hat er die Entscheidung nie. „Ich war mit 30 Jahren als Ortsvorsteher relativ jung – und das in einer Runde gestandener Kommunalpolitiker, wie Hubert Sadowski oder Hubert Englert.“ Von Ehrfurcht vor jenen will er jedoch nicht sprechen. Über die Gründe, den Posten zu übernehmen, sagt er: „Mich hat die Verantwortung gereizt, etwas bewegen zu können.“
Das hat er hinreichend. Erinnert sei an die Eröffnung einer Physiotherapiepraxis und die Nachfolgeregelung für die Zahnarztpraxis. „Wenn den Leuten kein attraktives Wohnumfeld bieten kann, sinkt die Einwohnerzahl noch mehr“, meint Sturm. Lob will er nicht – so einer sei er nicht. Er erfülle diese Funktion, weil es ihm Spaß macht, etwas zu bewegen.
Und die nächste große Aufgabe steht auch schon fest: die Erweiterung des aus allen Nähten platzenden Kindergartens.
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