Die absolute Nähe zur Tauber machen Waldenhausen einzigartig. So ist es auch kein Wunder, dass der Lieblingsplatz des Ortsvorstehers Gerrit Lang auf der Brücke über den landschaftsprägenden Fluss ist.
Waldenhausen. Gerrit Lang ist Berufssoldat, aktuell in Hardheim stationiert und seit 2019 Ortsvorsteher in Waldenhausen. An diesem Nachmittag sitzt er direkt vor dem alten Rathaus im Schatten der großen Linde. Vor ihm auf dem Tisch steht der aufgeklappte Laptop. „Guck mal, das muss ich Dir unbedingt zeigen“, sagt er und startet eine kleine Bilderschau mit Fotos von Martin Ries. Sie alle haben das gleiche Motiv: die Brücke über die Tauber. „Das ist mein schönster Platz“, gibt Lang zu.
Der Ortsvorsteher hat die Anfrage für das Interview zur Serie gleich mit einer Umfrage unter den Waldenhäuser Bürgern genutzt. Herauskristallisiert haben sich dann sogar vier Lieblingsplätze der Einwohner. Der am meisten genannte befindet sich am sogenannten Wengertsweg (um den Walzenberg). Vom weißen Bänkchen aus hat man einen wunderbaren Blick über den ganzen Ort. Genannt wurden auch der Grillplatz an der alten Eiche am Ortsausgang Richtung Wertheim, eine Bank Richtung Sachsenhausen und vor allem Plätze an der Tauber. „Die Nähe zu diesem Fluss macht uns einzigartig, weil wir noch näher dran leben als beispielsweise die Reichelzer.“ In Waldenhausen nennt man die Tauber aufgrund der Urgewalt, die dem Fluss innewohnt auch „Taubertäler Amazonas“. Ob üppige Vegetation, zu beobachtende Eisvögel, Biber, ein Schwanenpaar, viele Enten und natürlich Fische – sie alle sorgen dafür, dass der Spitzname stimmt.
Mit dem Kanadier auf der Tauber
Auch Gerrit Lang liebt es, mit dem fünf Meter langen, viersitzigen Kanadier Familienausflüge auf der Tauber zu unternehmen. Da liegt sein Lieblingsplatz– die Brücke über den Fluss auf der Hand. „Die Tauber ist die Lebensader, die Menschen verbindet“, sagt er.
Nicht zuletzt sei die Brücke darüber ein beliebter Treffpunkt und ein Ort für einladende Feste. Lang liebt den Blick von der Brücke zu jeder Jahreszeit. „Im Winter frühmorgens, wenn noch alles vereist ist, und man dann die Tauber hoch und runter guckt – das ist einfach phänomenal“, schwärmt er.
Mindestens einmal pro Woche macht der Ortsvorsteher auf der Brücke halt: „Meistens wenn ich sonntags mit dem Rad vom Brötchenholen komme“, gibt er zu. „Ich gucke dann, wie die Tauber fließt, welche Farbe sie gerade hat, was die Tiere machen, und genieße den zweiten Sonnenaufgang, wenn die Sonne über den Berg kommt“.
Als Ortsvorsteher schaut er natürlich auch, ob alles in Ordnung ist. „Das ist das eine. Aber das andere ist, das Phänomen der Tauber: Zu wissen, wenn sie ruhig dahinfließt – so wie gerade – dass sie mit brachialer Gewalt kommen kann und wir dann den Wassermassen einfach ausgeliefert sind“.
Lang ist voller Respekt. Zum Hingucker wird die Brücke durch den üppigen Blumenschmuck. „Der wird über das ortseigene Grünflächenbudget finanziert. Das ist nicht günstig, aber wir leisten uns das. Und das viele Lob macht es die Ausgaben wert.“
Als die Rede auf die Besonderheiten kommt, zählt Lang gleich mehrere Aspekte aufn. „Es gibt in Deutschland nur einen Ort mit dem Namen Waldenhausen. Außerdem haben wir mit der K 2827 die kürzeste Kreisstraße, die nicht mal 200 Meter lang ist. Und wir haben die einzige noch funktionierende Ortsrufanlage in der Gemarkung.“ Auch die Aussiedlung auf die Höhe des Landwirts Fröber aufgrund der geplanten Expansion sieht der Ortsvorsteher beim derzeitigen Sterben der Höfe als einzigartig an. Hervorzuheben ist ebenso die Zahl der drei Kindertagesstätten. Zudem habe Waldenhausen zudem das höchste Durchschnittsalter, ist also das lebensälteste Dorf im Kreis. Festgestellt wurde dies bei der Erhebung im Rahmen des Projekts „Innerortentwicklung“. Rund 40 Prozent der Waldenhäuser waren zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre und älter. Gefehlt haben junge Familien. Durch das Neubaugebiet kehrten sie zurück. Somit erlebe der Ort gerade eine Verjüngung.
Die Waldenhäuser selbst bezeichnet Gerrit Lang als weltoffen, kritisch aber immer gut gelaunt. Wer will, kann sich ins Dorfleben integrieren. „Aber wenn es etwas Neues gibt, tut sich der Waldenhäuser schwer“, begründet er die kritische Seite der Bewohner. Er spricht auch von „positiv konservativ“. Die stets gute Laune macht er daran fest, dass die Waldenhäuser in den vergangenen Jahren mit vielen massiven Großbaustellen zurechtkommen mussten, wie die Arbeiten im Neubaugebiet oder die Tunnelsanierung durch die Westfrankenbahn. „Wir haben die Beeinträchtigungen positiv gesehen, weil wir den Fortschritt erkannt haben.“ Nächste Herausforderung: 14 Monate ohne Brücke, denn diese soll saniert oder neu gebaut werden.
Politik zum Anfassen
Lang weiß genau, wovon er spricht. Er ist nicht nur in Waldenhausen aufgewachsen, sondern seit 2015 im Ortschaftsrat aktiv. Nach einer missglückten und zwischenzeitlich annullierten Wahl übernahm er 2019 den Posten und die damit verbundene Verantwortung des Ortsvorstehers.
„Reale Dorfpolitik zum Anfassen, das macht einfach Spaß. Denn am Ende des Tages hat man ein Ergebnis“, begründet Gerrit Lang seine Motivation. Mit den beschränkten Möglichkeiten, die er als Ortsvorsteher habe, das Dorf weiterzuentwickeln, Traditionen zu bewahren, wo sie sich bewahren lassen, das reizt ihn.
Die große Aufgabe, welche die Waldenhäuser in den kommenden Jahren lösen müssen, ist ein absehbares Vereinssterben. Auch die Sanierung der Brücke – ohne Notbehelf – könnte eine echte Herausforderung werden. Dabei könnte die von Gerrit Lang beschriebene gute Laune ganz sicher hilfreich sein.
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