Bürgerspital Wertheim: Können bayerische Gemeinden doch unterstützen?

Das bayerische Innenministerium zeigt einen Weg auf, wie das Krankenhaus unterstützt werden könnte. Die Kreise müssten einspringen. Doch die Aussichten sind ungewiss.

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Gerd Weimer
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Das Gebäude des Wertheimer Krankenhauses im neuen Gewand. Die Malerarbeiten an der Außenfassade sind abgeschlossen. © Gerd Weimer

Wertheim. Staatsregierung und Kommunalaufsicht haben den bayerischen Nachbargemeinden untersagt, die Stadt Wertheim bei der Finanzierung der Notaufnahme im Bürgerspital zu unterstützen. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach schrieb allerdings in ihrer Replik auf ein Schreiben ihres baden-württembergischen Amtskollegen Manfred Lucha, die Behörden hätten „eine mögliche Lösung aufgezeigt“, wie den betroffenen bayerischen Landkreisen „eine finanzielle Unterstützung des Wertheimer Bürgerspitals rechtlich möglich ist.“

Gerlach berief sich bei dieser Aussage auf die Ausführungen des bayerischen Innenministeriums, dessen Amtschef im Dezember vergangenen Jahres an den Gemeindetag geschrieben hatte, dass eine finanzielle Beteiligung der betroffenen Landkreise in Betracht käme, wenn sie „den erforderlichen Bedarf nicht selbst durch eigene Einrichtungen decken“ können und die Bürgerschaft stationäre Einrichtungen „benachbarter – auch außer-bayerischer – Kommunen“ nutzen.

Wo das unterstützte Krankenhaus liegt, spielt keine Rolle

Auf FN-Nachfrage präzisierte das Ministerium diese Einschätzung: Ein Landkreis könne sich auch an von anderen Rechtsträgern betriebenen Krankenhäusern beteiligen, „soweit er seinen Sicherstellungsauftrag nicht bereits mit einem eigenen Krankenhaus erfüllt“. Ob das unterstützte Krankenhaus im eigenen Landkreis oder einem Nachbarkreis innerhalb oder außerhalb Bayerns liegen würde, sei „grundsätzlich ohne Bedeutung“. Entscheidend wäre nur, ob die Leistungen des Krankenhauses für den Sicherstellungsauftrag gegenüber der eigenen Bürgerschaft erforderlich wäre, „weil das eigene Kreiskrankenhaus dies nicht selbst gewährleistet“. Im Einzelfall müsse dies das Gesundheitsministerium klären.

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Der Weg für eine rechtskonforme Unterstützung ist klar vorgegeben, könnte man meinen. Es liegt auf der Hand, dass beispielsweise Kreuzwertheimer viel lieber die Notaufnahme des Krankenhauses jenseits des Mains aufsuchen als den weiten Weg nach Lohr in Kauf zu nehmen. Deswegen blieb der Gemeinderat bei seinem Beschluss, das Spital mit 35.000 Euro zu unterstützen, und setzte ihn lediglich zunächst außer Vollzug. Bürgermeister Klaus Thoma geht von einer fehlerhaften Ermessensentscheidung des Landratsamts aus und fordert eine erneute Prüfung. Die Landkreisverwaltung Main-Spessart hatte zuvor die Marktgemeinde aufgefordert, den Beschluss aufzuheben. Thoma berief sich zudem auf das Schreiben des Innenministeriums und stellte in Aussicht, die betroffenen Kommunen könnten ihren Unterstützungsbeitrag dem Kreis zukommen lassen, der ihn dann wiederum an die Stadt Wertheim weiterleitet.

Kreistag Main-Spessart befasst sich mit Antrag

Könnte die Kreuzwertheimer Unterstützungsleistung indirekt über den Landkreis erfolgen? Auf FN-Anfrage schließt dies das Landratsamt zumindest nicht aus. Pressesprecher Markus Rill verweist auf den Main-Tauber-Kreis, der „primär zuständig“ ist. Von den Äußerungen des Kreuzwertheimer Bürgermeisters zu der „indirekten Finanzierung durch den Landkreis“ habe das Landratsamt bisher nur aus den Medien erfahren. „Dazu können wir uns derzeit nicht äußern“, so Rill. Er verweist auf einen Antrag der Fraktion „Unabhängig gemeinsam für Main-Spessart“ (UGM), mit dem sich der Kreistag befassen werde.

Die UGM, zu der auch Marktheidenfelds Bürgermeister Thomas Stamm gehört, vertritt vornehmlich die Interessen der südlichen Gemeinden im Main-Spessart-Kreis. Im besagten Antrag fordert die Fraktion vom Landkreis, sich in diesem Jahr mit 150.000 Euro an der Finanzierung des Bürgerspitalbetriebs zu beteiligen und beruft sich auf die kurzen Anfahrtszeiten der Bevölkerung der südlichen Gemeinden (Kreuzwertheim, Hasloch, Schollbrunn, Teile von Triefenstein, Stadtteile von Marktheidenfeld sowie Gemeinden Esselbach und Bischbrunn) nach Wertheim. Für den Südwesten des Kreises reiche das Angebot des Kreiskrankenhauses in Lohr wegen der Distanz nicht aus. Die im Raum stehende Summe entspreche lediglich zwei Prozent des für 2025 geplanten Defizits in Höhe von 7,5 Millionen Euro in Lohr.

Landrätin Sabine Sitter gesprächsbereit

Landrätin Sabine Sitter lässt wissen, dass als Grundlage für eine Entscheidung umfassende Informationen zu den Plänen für das Bürgerspital Wertheim und die dortige Notfallversorgung nötig seien. „Diese liegen uns bisher nicht vor“, so Sabine Sitter. Sie weist zudem darauf hin, dass sie den betroffenen Gemeinden ein Gesprächsangebot gemacht habe. „Es gehört zur Demokratie, sich bei unterschiedlichen Positionen zusammenzusetzen und über Lösungswege zu beraten“, erklärt die Landrätin und ergänzt: „Es gehört aber auch zur Demokratie, sich an Recht und Gesetz zu halten. Das sollte gerade für Amtsträger eine Selbstverständlichkeit sein.“ Das Landratsamt und die Gemeinden „befinden sich in der Terminfindung“, so Sprecher Markus Rill.

Er verweist auf das „neue, hochmoderne Zentralklinikum in Lohr“, das gerade neu gebaut wird. Dies sei Teil einer „enormen finanzielle Kraftanstrengung“. Die Aufsichtsbehörde habe dem Main-Spessart-Kreis deshalb schon aufgefordert, sich auf seine Pflichtaufgaben zu konzentrieren, weist der Sprecher auf die klamme Kasse hin. Zudem sei die Notfallversorgung im westlichen Landkreis sichergestellt. Seit der Schließung der Rotkreuzklinik habe man zu Bedarfszeiten einen zweiten Rettungswagen in Marktheidenfeld stationiert. Die feste Stationierung zu erweiterten Zeiten sei beschlossene Sache.

Auch im benachbarten Keis Miltenberg macht man sich Gedanken über die wohnortnahe Notfallversorgung. Kein Wunder, liegt doch auch beispielsweise die Gemeinde Faulbach viel näher an Wertheim als an der für den Landkreis zuständigen Klinik in Erlenbach am Main. Faulbachs Bürgermeister Wolfgang Hörnig sagt zu einer möglichen Finanzspritze für das Bürgerspital: „Moralisch sollte man etwas tun, rechtlich dürften wir es momentan nicht.“ Er nehme wahr, dass das Thema den Leuten unter den Nägeln brennt, sagt Hörnig. Die Zustimmungsrate schätzt er aus dem Bauch heraus auf 95 Prozent. Man werde mit der Bevölkerung Gespräche führen und das Thema im Gemeinderat prüfen.

Gemeinderat Miltenberg votiert einstimmig für Finanzhilfe

Das Kommunalparlament der Kreisstadt Miltenberg hat die Angelegenheit geprüft und in der vergangenen Woche überraschend eindeutig für eine finanzielle Unterstützung votiert: einstimmig. 54.100 Euro wolle man dieses Jahr bereitstellen, in den Folgejahren 18.800 Euro. Bürgermeister Bernd Kahlert beruft sich auf Artikel 83 der bayerischen Verfassung. Demnach dürfen Gemeinden im eigenen Wirkungskreis Angelegenheiten des örtlichen Gesundheitswesens wahrnehmen. Auf diese Vorschrift verweist auch Kreuzwertheims Rathauschef Klaus Thoma, drang aber bisher nicht damit durch.

Ähnlich dürfte es Bernd Kahlert ergehen. Denn auch laut der Miltenberger Landkreisverwaltung fehlt für eine Unterstützung die rechtliche Grundlage. Die Stadt Wertheim sei im Laufe des Jahres 2024 „informell“ an Landrat Jens Marco Scherf zugegangen. „Nach Rückmeldungen der Helios-Klinik in Erlenbach sowie unseres Rettungszweckverbands, dass der Schließung des Krankenhauses in Wertheim durch Maßnahmen Rechnung getragen wurde und der gesetzliche Sicherstellungsauftrag für den Landkreis Miltenberg vollumfänglich erfüllt ist, konnte keine finanzielle Unterstützung durch den Landkreis Miltenberg in Aussicht gestellt werden“, heißt es dazu aus dem Landratsamt.

Deswegen fehle es „an einer notwendigen rechtlichen Voraussetzung für eine finanzielle Unterstützung“. Kommunalrechtlich sei eine solche „gemäß den Vorgaben des zuständigen Ministeriums im konkreten Einzelfall ausgeschlossen“. Der Auftrag des Landkreises sei sowohl bei der stationären Versorgung durch die Helios-Klinik Standort Erlenbach als auch im Bereich des Rettungsdienstes durch den gemeinsam getragenen Zweckverband „uneingeschränkt erfüllt“. Der Hilfsfrist-Erreichungsgrad im Versorgungsbereich der Rettungswache Südspessart werde sich trotz Wegfall des Krankenhauses Wertheim nicht maßgeblich verändern. „Somit ist die Notfallversorgung hinreichend gegeben“, so das Fazit.

Die Stadt Wertheim hofft indes weiterhin auf Unterstützung aus Bayern. Man habe schon im Dezember 2023, also drei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Rotkreuzklinik, einen „Runden Tisch“ mit den Nachbarkommunen und Landkreisen einberufen. Die Vertreter der bayerischen Landkreise hätten damals zu verstehen, „dass sie die Stadt Wertheim bei ihren Bemühungen um Erhalt des Krankenhauses nur moralisch und politisch, nicht aber finanziell unterstützen könnten“. Der Main-Spessart-Kreis habe deutlich auf die Lasten hingewiesen, die man für den Neubau des Kreisklinikums in Lohr zu tragen habe.

Beteiligung soll sich an Einwohner- und Patientenzahlen orientieren

„Deshalb war es nur folgerichtig, dass die Stadt Wertheim im nächsten Schritt gezielt auf die Nachbarkommunen im Einzugsgebiet des Krankenhaustandorts Wertheim zugegangen ist, die unmittelbar von der Notfallversorgung profitieren“, so Sprecherin Angela Steffan. Gesprächsgrundlage sei nun eine Defizitbeteiligung, die sich individuell an den Einwohner- und Patientenzahlen der jeweiligen Gemeinde bemisst.

Nach der jetzt aufgezeigten Rechtslage hänge es entscheidend von den Landkreisen Main-Spessart und Miltenberg ab, ob die Stadt Wertheim auf die dringend benötigte Unterstützung zählen kann. „Es ist sehr zu hoffen, dass dazu ein gangbarer Weg gefunden wird“, sagt Angela Steffan und ergänzt: „Die Stadt Wertheim ist dazu selbstverständlich jederzeit informations- und gesprächsbereit.“

Redaktion Reporter Wertheim

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