Protest gegen Subventionskürzungen

Bauern sorgen mit ihren Fahrzeugen in Wertheim für Staus

Mehr Traktoren und Lastwagen als geplant haben sich am Protestzug der Landwirte am Montag im Stadtgebiet beteiligt. Die Fahrzeuge legten vor allem am frühen Morgen in Wertheim den Verkehr lahm.

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Gerd Weimer und Katharina Buchholz
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Die Odenwaldbrücke war am Montag am stärksten von dem Bauernprotest betroffen. Teilweise ging nichts mehr. © Gerd Weimer

Wertheim. Gegen 6.45 Uhr trafen am Montagmorgen die ersten Traktoren in der Wertheimer Innenstadt ein. Es waren weit mehr als die angekündigten 40 Trecker, die den Berufsverkehr sehr stark beeinträchtigten. Zuweilen ohrenbetäubendes Hupen begleitete den Protestzug der Landwirte, die bundesweit an derlei Aktionen teilnahmen. Anlass waren bekanntlich Subventionskürzungen, die mittlerweile in Teilen von der Bundesregierung zurückgenommen wurden.

Stillstand auf der Odenwaldbrücke

Betroffen war vor allem die Wertheimer Hauptverkehrsachse, die Landesstraße 2310, besonders die Odenwaldbrücke, auf der es wegen des Protests teilweise zum Komplettstillstand kam. Zwischen der Einfahrt in die Rechte Tauberstraße und der Kreuzung an der Spessartbrücke staute sich der Verkehr massiv. Aber auch an anderen Stellen des festgelegten Rundkurses entlang der Bahnhofstraße war ein Fortkommen kaum möglich.

Einige Landwirte tourten auch durch Kreuzwertheim jenseits des Mains und fuhren über die Spessartbrücke wieder zurück, so dass auch dort und in den angrenzenden Straßen der Verkehr kaum vorankam.

Protest-Plakate auf Traktoren

Ein paar der Landwirte hatten ihre Traktoren mit Plakaten dekoriert, um ihre Botschaften zu verbreiten: „Es reicht“; „Ohne Bauern keine Zukunft – Reißt die weltweite Lieferkette ab, werden ohne uns die Lebensmittel ganz schnell knapp“; „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“; „Ist der Landwirt ruiniert, wird das Essen importiert“. Die Kritik wendete sich vor allem gegen die Bundesregierung: „Die Ampel ruiniert den Mittelstand“, „Diese Regierung schadet unserem Land“ oder „Die Ampel muss weg!“, hieß es. Entgleisungen, etwa einen Ampel-Galgen, wie er andernorts zur Schau gestellt wurde, gab es nicht.

An dem Protestkorso nahmen auch Handwerksbetriebe und Privatleute teil – wenn auch in der Anzahl eher überschaubar. Autofahrer und Businsassen mussten Geduld aufbringen. Einige Bustouren entfielen ersatzlos. Nicht wenige dürften verspätet ihre Arbeitsstelle oder die Schule erreicht haben. Etliche Pendler signalisierten ihre Zustimmung zum Protest, in dem sie ihren Daumen hoben. Es gab aber auch kritische Stimmen. Ein Radfahrer, der wegen des Protests auf das Auto verzichtet hatte, sagte beispielsweise, dass er für „die Blockade der Agrar-Lobby“ kein Verständnis aufbringen könne. Ein Teilnehmer des Demonstrationszugs berichtete, dass sich ein Mann vor seinen Traktor gestellt habe, um diesen an der Weiterfahrt zu hindern.

Die Lastwagen und Traktoren versammelten sich zum Abschluss auf dem Almosenberg. © Katharina Buchholz

Organisator zufrieden mit Protest-Aktion

Organisator Jochen Hörner zeigte sich im Gespräch mit den FN über den Verlauf der Protestaktion zufrieden. „Man sieht, dass das Thema fast jeden bewegt.“ Alles sei gelaufen wie zuvor mit dem Ordnungsamt und der Polizei abgesprochen. „Für diese guten Gespräche und die Zusammenarbeit möchte ich mich bedanken“, betonte Hörner. Die Reaktionen der blockierten Autofahrer seien fast durchweg positiv gewesen, nur selten habe er in weniger zufriedene Gesichter geblickt. „Einen Mittelfinger hat uns niemand gezeigt, dafür aber den gehobenen Daumen“, freute er sich.

Auch bei der Polizei war man am Dienstagmittag zufrieden mit dem Geschehen: „Es ist gut gelaufen“, resümierte Matthias Jeßberger, der Leiter des Wertheimer Reviers. Die Teilnehmer hätten sich an die Absprachen gehalten. Es habe zwar „massive Verkehrsstörungen“ gegeben, es seien aber in keinem Fall Zufahrten bewusst blockiert worden. Unfälle, Sach- oder Personenschäden habe es nicht gegeben. Im Einsatz waren laut Jeßberger ein knappes Dutzend Beamte. Laut seiner groben Schätzung waren 170 Fahrzeuge und 250 Personen an der Aktion beteiligt. Jochen Hörner zählte 190 Schlepper und Lastwagen.

Protest gegen die Bundesregierung. © Gerd Weimer

Schüler auch während Protesten sicher zur Schule gekommen

Am Bahnhof waren Leute des Wertheimer Ordnungsamtes vor Ort, damit die ankommenden Schüler sicher die Straße überqueren konnten. Am Dietrich Bonhoeffer Gymnasium sei der Unterricht bereits zur ersten Stunde im „normalen Umfang“ möglich gewesen, erklärte Schulleiter Reinhard Lieb. Nur drei Lehrer seien verspätet eingetroffen. Die Lerngruppen hätten sich zur zweiten Stunde gefüllt. „Klassenarbeiten und Klausuren konnten geschrieben werden“, so Lieb.

Kaum Beeinträchtigungen gab es auch an der Comenius Realschule. Schüler und Lehrer hätten sich gut auf die Situation vorbereitet, so Schulleiterin Kathrin Amrhein. „Es ist alles reibungslos gelaufen. Der Unterricht konnte nach Stundenplan stattfinden.“

Jens Müller, Leiter eines Pflegedienstes, hatte sich im Vorfeld Sorgen gemacht, ob seine Mitarbeiterinnen rechtzeitig bei den Betreuten ankommen würden. Es habe dann auch Verzögerungen bei der Anreise zum Dienst einiger Pflegerinnen gegeben. Kolleginnen, die mit einem Pflegedienstauto unterwegs waren, seien hingegen von den Protestteilnehmern durchgewunken worden.

Landwirte weisen auf ihre Rolle bei der Lebensmittelproduktion hin. © Gerd Weimer

Protestzug erreicht Wertheimer Almosenberg

Ab 10.30 Uhr traf der Protestzug der Landwirte schließlich auf dem Bettinger Almosenberg ein. Dort stellten die Teilnehmer ihre Maschinen auf einem der Parkplätze des Outletcenters „Wertheim Village“ ab und kamen anschließend bei Brötchen und Bratwurst ins Gespräch. „Wir als Landwirte und Winzer haben jedes Jahr mit dem Klima zu kämpfen, nun sollen uns auch noch Subventionen gekürzt werden, die es schon seit Jahrzehnten gibt“, ärgerte sich Bernhard Geiger aus Külsheim, der im Nebenerwerb Winzer ist.

„Mit dieser Maßnahme trifft man die Kleinen am härtesten“, pflichtete ihm Andreas Baumann bei, der an diesem Tag als Mitarbeiter der Firma Wölfel an der Demonstration teilgenommen hat, sich allerdings als Nebenerwerbslandwirt auch privat engagiert hätte. Vor allem die bereits zurückgenommene Einführung der Kfz-Steuer wäre für Nebenerwerbslandwirte, aber auch für Pferdehalter, schwierig geworden. In seinem Fall hätte er dann mehr mit einer Verpachtung seiner 14 Hektar verdient als mit der eigenen Bewirtschaftung.

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Forderungen an die Politik

„Die geplante Kürzung der Subventionen ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, erklärt Jochen Hörner. Der Dertinger ist Landwirtschaftsmeister und kritisiert die zahlreichen Vorschriften, die den Bauern in den vergangenen Jahren auferlegt wurden. Für die Zukunft fordert er von der Politik eine klare Linie, an der man sich orientieren kann. Landwirtschaft sei kein kurzfristiges Geschäft, sondern ein über Generationen gewachsenes.

Einen offenen Dialog mit den Landwirten wünscht sich Lukas Bund aus Reicholzheim. Der 24-Jährige arbeitet auf dem Biohof seiner Familie, die 120 Milchkühe hält und Ackerbau betreibt. Milchviehwirtschaft sei aufgrund der Futtermittelbeschaffung besonders arbeits- und maschinenintensiv. „Unser Ziel ist es, friedlich auf unsere Situation aufmerksam zu machen“, sagt er. Weiteren Aktionen in dieser Woche im Ausmaß des Protestzugs steht er allerdings kritisch gegenüber. „Das darf nicht zu langfristig werden. Wir haben heute die Unterstützung der Bevölkerung gespürt. Jetzt ist es Zeit miteinander zu sprechen.“

Organisator Jochen Hörner bedankte sich bei den Teilnehmern. © Katharina Buchholz

Bei Demo in Berlin dabei

Wolfgang Schwab aus Höhefeld (53) könnte sich dagegen vorstellen, an einer weiteren Demo-Tour mitzufahren. Schwab ist hauptberuflicher Ackerbauer und bewirtschaftet 90 Hektar mit verschiedenem Getreide und Ölfrüchten. Da er beim Anbau von Brotgetreide komplett auf chemische Spritzmittel verzichtet und Unkräuter mechanisch bekämpft, ist er viel mit dem Traktor auf seinen Feldern unterwegs. „Die Kürzung der Diesel-Steuerrückerstattung trifft hauptsächlich Betriebe, die ökologisch wirtschaften. Die Feldarbeit funktioniert eben nicht mit Strom. Dafür brauchen wir ,Wumms’“, so Schwab, der von der Politik gleiche Produktionsbedingungen in ganz Europa fordert. Dass die Einführung der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge mittlerweile zurückgenommen wurde, stellt Schwab nicht zufrieden. Deshalb steht für ihn außer Frage, dass er sich an der geplanten Demonstration am kommenden Montag in Berlin beteiligen wird.

Gegen 12 Uhr beendete Organisator Jochen Hörner die Wertheimer Protestveranstaltung offiziell.

Redaktion Reporter Wertheim

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