Bad Mergentheim. Es ist gerade mal 5.30 Uhr, als es in der Harthäuser Walter-Wittenstein-Straße losgeht. In kurzer Zeit fahren bei winterlichen Minusgraden die ersten Traktoren vor und bilden eine lange Schlange, wo ansonsten nur gemächlicher Verkehr der Wittenstein-Mitarbeiter zu beobachten ist. „Bei uns werden es zwischen 50 und 60 Fahrzeuge“, berichtet Thomas Landwehr. Der Vollerwerbslandwirt aus Harthausen hat zusammen mit Daniel Kuhnhäuser aus Igersheim den Protestzug für Harthausen und die umliegenden Dörfer organisiert.
Was sie dazu motiviert? „Jetzt reicht es echt. Die geplanten Einsparungen treffen kleine Familienbetriebe, das geht an die Substanz. Wir haben auch junge Leute, die ebenfalls sehr gerne Landwirtschaft betreiben würden, aber ich traue mich heute als Vater nicht mehr, meinen Kindern den Beruf zu empfehlen“, erklärt Thomas Landwehr stellvertretend für die Gruppe seine Beweggründe.
Nicht nur in Harthausen setzt sich eine größere Gruppe in Bewegung, im ganzen Landkreis und darüber hinaus machen die Landwirte mobil. So kommen auch aus Weikersheim und dem Oberen Bezirk zahlreiche Demoteilnehmer, die sich in gemächlichem Tempo in Richtung Bad Mergentheim aufmachen.
Es war gewissermaßen ein Verkehrschaos mit Ansage. Um nicht auf der Anreise in einem Traktorkonvoi stecken zu bleiben, wurde beispielsweise die Feuerwache in Bad Mergentheim bereits ab 6 Uhr mit 16 Mann ganztägig besetzt, um in Notfällen stets einsatzfähig zu sein und auch in Markelsheim wurden vorsorglich Kräfte in Stellung gebracht.
Bunt gemischte Truppe
Was auffällt: Es ist eine in jeder Hinsicht bunt gemischte Truppe, die da demonstriert. Neben älteren Landwirten sind auch junge Menschen auf den Traktoren zu sehen und auch Nicht-Landwirte scheinen die Anliegen zu unterstützen. So sind zahlreiche Lkw oder Sprinter von Speditionen oder Baufirmen zu sehen, mehrere Verkehrsteilnehmer recken Daumen in die Höhe.
Die Kurstadt bildet einen Schwerpunkt der Proteste. So findet am Parkplatz des Wildparks zur Mittagszeit eine große Kundgebung statt, die der Kreisvorsitzende des Bauernverbandes Main-Tauber, Reinhard Friedrich, organisiert hatte.
Im Rahmen einer kurzen Rede fasst er die Forderungen der rund 350 Teilnehmer zusammen. „Wir fühlen uns ungerecht behandelt und überfordert“, erklärt er. Zwar habe es mit der Agrarreform schon im Vorfeld Mehrbelastungen gegeben, doch die Abschaffung der steuerlichen Begünstigungen beim so genannten „Agrardiesel“ habe das Fass nun zum Überlaufen gebracht. Die Regierung solle sich ein sinnvolles Konzept für klimafreundliche Landwirtschaft überlegen, so gehe es „nur ums Geld abgreifen“. „Wir haben immer mehr Auflagen und bekommen immer weniger Geld. Wenn aber die Bauern weniger Einkommen haben, wird weniger produziert und mehr importiert. So steigen die Preise“, schildert der Kreisvorsitzende.
Deutliche Kritik an der Regierung
Unterstützung für die Bauern kam von Bad Mergentheims Oberbürgermeister Udo Glatthaar (CDU). „Wenn die kleinen Landwirte kaputt gehen, wird die Industrialisierung der Landwirtschaft vorangetrieben“, warnt er. Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb erst einmal aufhöre, komme dieser nicht wieder zurück.
Er übte deutliche Kritik an der Ampelregierung. „Wie kommt man auf die Idee, dieses ohnehin aufgewühlte Land, dessen Wirtschaft schwächelt und dessen Gesellschaft auseinanderdriftet, ausgerechnet da zu treffen, wo die Ernährung der Menschen sichergestellt wird? Weitere Steine in den Weg zu legen für kleine und mittelständische Strukturen?“, fragt er. „Das ist ein Angriff auf einen ganzen Berufsstand – und Sie weisen diesen heute mit Recht zurück. Kämpfen Sie weiter, wir brauchen und wollen Sie“, appellierte der Oberbürgermeister abschließend.
Auch Florian Reinhard, Geschäftsführer der BAGeno, fand klare Worte: „Wir unterstützen die Proteste der Landwirte voll. Wir wollen keine politischen Kostensteigerungen und Gängelungen mehr. Von den Bauern den höchsten Standard wollen und ihnen gleichzeitig die höchsten Kosten aufdrücken, das geht nicht. Die Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand.“
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