Weikersheim. Wer ist Donizetti? Sein Vorname Gaetano macht das Aussprechen noch ein wenig schwerer. Doch zusammen mit Rossini und Bellini gehört er zu den großen Drei der sogenannten Belcanto-Oper. Dabei sind stimmliche Feinheit, Beweglichkeit und außerordentliche technische Fähigkeiten gefragt. Eine Herausforderung also für Nachwuchsmusiker – und die wurden jetzt in Weikersheim zu einem großen Vorsingen eingeladen.
Gewehrhaus im Weikersheimer Schlosspark: Zehn junge Sängerinnen und Sänger stehen in einem weiten Kreis. Sie stellen sich einer imaginären Jury vor. Eine fängt an: „Guten Tag, mein Name ist Maria, ich komme aus ...“ – Workshopleiter Patrick Bialdyga unterbricht: „Achte mal auf deine Körperhaltung. Du willst gehört werden. Klar, es gibt noch andere Sängerinnen – aber deine Botschaft muss lauten: Mich habt Ihr noch nicht gehört! Und ich werde jetzt hier singen!“ Die Wiederholung der Ansage: viel besser. Maria macht deutlich, dass sie jetzt weiß, was sie sagt. Und dass sie jetzt und hier eine Jury mit ihrem Gesang infizieren will.
Entscheidung über mehrere Stufen
Wer erhält einen der begehrten Plätze in der Internationalen Opernakademie und wird im Sommer in einer Partie von „Der Liebestrank“ auf der Bühne stehen? Darüber entscheidet die JMD in einem mehrstufigen Verfahren. Und bereits die Vorsingensollen den Opernnachwuchs auch fördern. Hier wird eben nicht einfach nur „gecastet“ und die Creme abgeschöpft, sondern die Musiker erhalten sie die Chance, in Gruppen-Workshops zu arbeiten, sich in Übungen auszuprobieren und sich schließlich gut vorbereitet mit zwei Arien zu präsentieren.
In der Jury sitzen u. a. die Sängerin und Gesangsdozentin Janice Dixon, Regisseur Jakob Peters-Messer und Patrick Bialdyga, der 2019 in beeindruckender Weise Puccinis „La Bohème“ für Weikersheim inszeniert hat. Von den Jurymitgliedern gibt es für jeden Bewerber ein individuelles Feedback. Fair und ermutigend sollen die Nachwuchstalente ihre erste „Audition“ erleben. Und auch diejenigen, die es nicht in die nächste Runde der im Januar stattfindenden Auswahlvorsingen schaffen, können aus der Erfahrung etwas für ihre weitere Entwicklung mitnehmen und lernen.
Für die Liebestrank-Produktion sind rund 120 junge Talente aus insgesamt 26 Nationen eingeladen worden. Sie kommen aus Österreich, Brasilien, Schweiz, Chile, China, Kolumbien, Zypern, Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Irland, Island, Israel, Japan, Südkorea, Niederlande, Norwegen, Polen, Ukraine, Russland, Slowakei, Uruguay, den USA und Südafrika.
Bis heute unter den Top-Opern
Die Buffa-Oper „Der Liebestrank“ (L’elisir d’amore) wurde 1832 in Mailand uraufgeführt und markiert einen der größten Erfolge in Donizettis Karriere. Von der zeitgenössischen Kritik wurde die Oper förmlich in den Himmel gehoben. In der laufenden Spielzeit kam sie auf die außergewöhnlich hohe Zahl von 33 Wiederholungen. Bis heute wird sie auch international häufig gespielt. Sie ist komisch und ernsthaft zugleich, was sie für das Musiktheater besonders attraktiv macht. Bekannteste Nummer der Oper ist die Romanze „Una furtiva lagrima“ (Eine verstohlene Träne).
„Wunderbar für Schlosshof“
„Diese Oper passt wunderbar in den Weikersheimer Schlosshof“, ist sich Regisseur Jakob Peters-Messer im FN-Gespräch sicher. Er steht mit seinen Ideen für Weikersheim erst ganz am Anfang, in der Findungsphase. „Ich selbst habe sie zwar noch nie gemacht. Doch draußen kann ich sie insgesamt freier inszenieren“, das käme den Sängern und dem Publikum zugute. Die Kunst des Opernregisseurs: Die Sänger vom Blick auf den Taktstock wegholen. „Sie müssen frei spielen und natürlich werden“ – trotz des Rollenkorsetts. „Die Oper hat wunderschöne emotionale Seiten“, schwärmt Peters-Messer. Der soziale Kontrast verspricht nicht nur grundsätzliche Spannung, sondern auch viele Möglichkeiten der interessanten, zeitgemäßen Umsetzung.
„In einem Dorf im Baskenland“ hat sie Donizetti ohne genaue Zeitangabe verortet. Das könne, phantasiert Peters-Messer, auch die Welt des großen italienischen Filmemachers Federico Fellinis („La dolce vita“) sein. Wenn „Der Liebestrank“ so kommt, wäre das ein Ansatz, der zwischen Traum und Realität changieren kann – mit einem deutlichen Dash an Nostalgie und Theatralik. Eine Soap-Opera? Mit Sicherheit nicht. „Beweglich, komisch, menschlich“, fasst Peters-Messer für sich zusammen.
Die musikalischen Fakten sind natürlich klar: Sämtliche sängerischen Fächer sind vertreten. Die ausgewählten Opernkursteilnehmer werden sich auf die sechs Hauptpartien verteilen, davon vier Männerrollen.
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