Weikersheim. Mit Superlativen sollte man vorsichtig sein. Doch die „Egerländer – kleine Besetzung“ nahmen die Tauberphilharmonie im Sturm. Blasmusik der absoluten Spitzenklasse und ungeheuer sympathisch. Nach drei Konzertstunden tobte der Saal.
Wer sich in der wunderschönen traditionellen Blasmusik zuhause fühlt, der bekam am späten Sonntagnachmittag in der Weikersheimer Tauberphilharmonie ein absolutes Top-Konzert zu hören: Die jungen „Egerländer – kleine Besetzung“ (auch und im Internet bekannt unter dem Kürzel DKEB) spielte vor einem ausverkauftem Haus – seit Wochen schon gab’s keine Karten mehr.
Im Publikum neben ganz normalen Egerländer-Fans auch zahllose Blasmusiker aus der weiten Region, die aus dem Fachsimpeln in der Pause gar nicht mehr herauskamen: Ein Oktett der Spitzenmusiker, alles perfekt intoniert, drei Flügelhornisten/Trompeter, die sich kristallklar in unerreichbar geglaubte Höhen hinaufspielen, die drei tieferen Register über Tenorhorn und Bariton bis hinunter zum Bass lyrisch und feinst abgestimmt in den Tutti- und Soloparts. Die Holzbläser des „großen“ Ensembles werden vor allem durch das Akkordeon gecovert – das natürlich auch mit wunderbaren Soli aufwartet. Und dann gibt’s noch ein Schlagzeug, das wie am Schnürchen rhythmisch führt und dabei regelrecht für Swing sorgt.
Vom Jazz geprägt
Es sind gewissermaßen die Enkel des legendären Dirigenten, Instrumentalisten, Arrangeurs und Sängers Ernst Mosch, die auf der Bühne stehen. Der gehörte im vergangen Jahrhundert zur Grundausstattung der ganz großen Fernseh-Musikshows. Was wenige wissen: Der von der Eger im ehemals stark deutsch geprägten tschechischen Staatsgebiet stammende Mosch machte sich nach den Zweiten Weltkrieg einen ersten Namen als Jazzposaunist. Auch der Nachfolger als Orchesterleiter (nach dem Tod von Ernst Mosch 1999), Ernst Hutter, ist im Jazz verwurzelt.
Lebensfreude bricht sich Bahn
So nimmt es nicht wunder, dass Hutters Söhne in der „kleinen Besetzung“ des Originals den feinen Swing ebenfalls übernommen haben. Hört man sich alte Aufnahmen von Mosch an, fällt der fast allgegenwärtige Off-Beat geradezu auf: Er verleiht vor allem den Märschen eine federnde, fast tänzerische Leichtigkeit, die die Herkunft aus dem Militärischen ganz vergessen lässt. Da bricht sich unbändige Lebensfreude Bahn, auch wenn die Themen doch in allerlei festen Topoi verhaftet bleiben: die romantisierte alte Heimat, das gemeinsame Biertrinken oder das Mit-der-Liebsten-Poussieren. Sei’s drum: Hier hat man nichts anderes erwartet und Staatsoper war auch nicht angekündigt.
Es dürften über 30 Titel gewesen sein, die die jungen Egerländer auf die Bühne brachten: Alles ohne Notenblätter auswendig mit teils hochintelligenten Neuarrangements bekannter Mosch-Nummern – zum Beispiel das kunstvoll ins Geschmeidig-Leichte veredelte „Pfeffer und Salz“. Polkas und Walzer im ersten Teil: da zeigen sich Spielfreude und Witz, ein unerhört präzises Gefühl für Dynamik und Dramaturgie; am Ende wird es mit „Füreinander da“ fast schon sinfonisch, obwohl „nur“ acht Musiker auf der Bühne stehen.
Bigband-Suite als Oberhammer
Nach der Pause präsentieren die Instrumentalisten um Martin und Stephan Hutter zahlreiche Eigenkompositionen im „Egerländer-Stil“. Auch dabei wird es immer wieder konzertant – was aber kaum auffällt, denn das Blasorchester hat sein Publikum längst am Wickel: Jedes verzögernde Ritardando ist derart exakt gesetzt, dass die Zuhörer beim Wiedereinsatz förmlich mitklatschen müssen.
Der Oberhammer ist gegen Ende der offiziellen Konzertzeit eine dreisätzige Suite: Trompetentrio trifft superschnelle Tuba (das Solo hätte bei einer „normalen“ Band bestenfalls ein sehr guter Tenorhornist hinbekommen), dann ein Tenorhorn/Bariton-Feature (es passt kein Blatt zwischen die intim abgestimmten Bläser), schließlich fällt alles in ein Bigband-Arrangement, dass sie Wände wackeln. Sensationeller Sound, eine Nummer, die für Amateurmusiker nie so zu spielen gewesen wäre. Da stehen Augen und Ohren offen: Was für ein ungeheuer gutes, mitreißendes Ensemble.
Da wird dann auch zu Recht vom begeisterten Publikum mehrfach stehend und anhaltend applaudiert. Und das seinerseits von der grandiosen Stimmung begeisterte Ensemble gibt genügend Zugaben, so dass man wirklich satt den großen Konzertsaal verlassen kann.
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