FN-Serie „Ein Tag als...“

Gastgeber kann ein Knochenjob sein

Was macht eigentlich ein Intendant? Unser Reporter fand es heraus und war rund um den Auftritt von Star-Pianist Grigory Sokolov im Einsatz. Wie man einen Weltstar - mit all seinen Eigenheiten - glücklich macht.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Weikersheim. „Intendant“ – eine schillernde Berufsbezeichnung. Gemeinhin bezeichnet man so den verantwortlichen Geschäftsführer und künstlerischen Leiter einer Kultureinrichtung. Unterm Strich ist ein Intendant aber auch Mädchen für wirklich alles.

So zeigt sich auch: "Ein Tag als Intendant“ – das ist in Wirklichkeit ein unmöglicher Spagat. Denn der Arbeitsalltag von Johannes Mnich, Chef der Weikersheimer Tauberphilharmonie, lässt sich eben gerade nicht in eine enge Zeitschiene pressen. Die Organisation eines Veranstaltungshauses ist vielmehr ein weiträumiger und vieldimensionaler Prozess. Und mitunter ein Knochenjob. Der Tag, als Starpianist Grigory Sokolov vor ausverkauftem Haus seinen Auftritt hat, ist so einer – auch wenn das Publikum vom Drumherum nicht allzu viel mitbekommt. Hinter den Kulissen: Stress, entspanntere Phasen – und ein großartiges Konzert.

Ein Bob Dylan der Klassik

Um zu verstehen, was rund um den abendlichen Auftritt von Grigory Sokolov abläuft, muss man erst einmal etwas unscharf werden: Ein Sokolov-Konzert, das kann man sich im Pop-Bereich vielleicht wie eines mit dem US-amerikanischen Songwriter Bob Dylan vorstellen. Der will – ebenso wie Sokolov – vor allem seine Ruhe, lässt sich nicht gerne interviewen und Fotos bei Konzerten dürfen auch nicht gemacht werden. Und natürlich muss auf der Bühne wirklich alles perfekt stimmen.

Bei Sokolov vor allem der teure Leih-Flügel der Firma „Steinway & Sons“. Der Pianist kennt jeden dieser Luxusflügel über die Seriennummer persönlich und bis in jeden Hammer und Dämpfer hinein. Ein Stimm-Spezialist muss alles nach genauen Vorgaben richten. Danach darf niemand außer Sokolov das Instrument mehr berühren – weil der Pianist sogar seinen probenbedingten Finger-Abrieb auf den Tasten registriert.

Augen und Ohren überall

Damit solche hochsensible Abläufe auch reibungslos funktionieren – Johannes Mnich hat seine Augen und Ohren überall. Der FN-Reporter läuft mit: Vom Vorgespräch übers Klavierstimmen zur Dienstbesprechung (bei der die Blumen für den Abendauftritt angeliefert werden) bis zum Abholen des Künstlers im örtlichen Hotel „Laurentius“. Sokolov Spezial: Wenn 17.40 Uhr als Abholzeit ausgemacht ist, dann kommt er auch exakt zu dieser Uhrzeit herunter in die Lobby. Nicht früher und auch nicht später.

Die Bitte um ein Pressefoto: „Das kann funktionieren. Aber vielleicht auch nicht“, sagt der Intendant. Also: höflich sein, kurz erklären, worum es geht. Darauf gefasst sein, dass es nichts wird mit einem Motiv. Ein kleines Wunder: Grigory Sokolov fühlt sich trotz niedriger Außentemperaturen offensichtlich recht wohl in Weikersheim. Zehn Sekunden für ein Foto werden gewährt. Im Kasten – uff! Das hat immerhin funktioniert.

Johannes Mnich hat andere Sorgen. Er muss den Pianisten im Zeitplan in die Philharmonie chauffiert haben. Denn dort wird Sokolov in Halbdüsternis proben. Stören darf man ihn dabei keinesfalls, denn sonst würde das Probenpensum durcheinanderkommen. Alle Hilfskräfte, von Klavierstimmer bis zum Beleuchter, stehen bereits auf ihren Posten. Das Licht muss in Ein-Prozent-Stufen gedimmt werden. Drei Prozent höher als beim früheren Auftritt darf es aber am Ende sein.

„Herr Sokolov informiert sich vorab umfassend über seine Auftrittsorte“, erklärt Mnich. Der hohe Aufwand: Entweder, man ist bereit ihn im Namen der Kunst in Kauf zu nehmen – oder der Musiker kommt nicht.

Alsmann schätzt Tauberschwarz

Festzuhalten ist: Nicht immer sind die Anforderungen so hoch. Viele Künstler wünschen sich aber einen Kasten regionales Bier in der Garderobe oder einen guten Wein aus der Gegend. Götz Alsmann und seine Band etwa konnte Johannes Mnich sogar für den Tauberschwarz begeistern. Und genau das macht einen Intendanten und sein Team aus: Den Auftrittstermin für die reisenden Künstler so wohnlich wie möglich machen. Denn dann kommen sie wieder, teilweise deutlich unter den Gagen, die sie in Großstädten für einen Auftritt bekommen können. Weikersheim hat auch bei Sokolov ein positives Bild hinterlassen. Er hat den Auftrittstermin selbst über seine Agentur angeboten.

Dienstbesprechung am Nachmittag um 14 Uhr: Auf einem großen Bildschirm die Langfristplanung. Zu klären ist mit einigen Unterpunkten ein erneuter Auftritt von „Checker Tobi“ im neuen Jahr. Es geht in der straffen Diskussion um die Einladung von Schulklassen. Welche Schulen sind das, wer sind die Ansprechpartner, wie läuft die Abrechnung der Karten? Wie geht man mit den vielen autogrammfordernden Kindern um – großes Gruppenfoto mit Tobias „Tobi“ Krell oder doch klassenweise?

Dann noch ein schneller Checkup für den Ablauf des Sokolov-Auftritts. Sind die Zuständigkeiten für Einlass und Zuhörer-Garderobe geklärt? Wer betreut die Vorab-Lesung mit Carolin Pirich? Klappt alles mit dem Bach-Mozert-Konzertprogramm – das optisch an diesem Tag erstmals per „Gobo“-Projektion an der Wand zu lesen ist und nicht auf ausgedruckten Handzetteln. Nachhaltig und ressourcenschonend will das Konzerthaus nämlich auch sein.

Zwischen Bühne und Finanzplänen

Ein Intendant: Er arbeitet, wenn andere sich im Konzert entspannt zurücklehnen. Plus vorher und nachher. Er ist die sprichwörtliche „eierlegende Wollmilchsau“, hält Kontakt zu Künstlern und Agenturen, schafft Programme und Fotos heran, wirbt in den Medien für sein Haus und in persönlichen Gesprächen mit potenziellen Geldgebern und ganz normalen Besuchern. Er ist das, was man im Englischen einen „Host“ nennt. Übersetzen kann man das als „Wirt“ oder „Gastgeber“. Eigentlich ein schönes Bild, doch wie der Gastwirt hat auch Johannes Mnich noch jede Menge Verwaltungsaufgaben zu stemmen. Finanzen müssen berechnet und dargestellt werden – deshalb gibt es auch immer wieder Abstimmungsgespräche mit Stadtkämmerin Melanie Dietz. Finanzplan, Gema-Gebühren, Porto, Handyverträge, Personalfragen. Alles kommt dabei auf den Tisch.

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Im Haus alles so gestalten, „dass ein Weltstar happy ist“ – das ist die eine Seite. Aber auch das Publikum muss immer wieder „happy“ sein, denn nur dann kommt es aus Weikersheim und seinen Ortschaften oder auch von weit her. „Es geht um das Vertrauen zwischen Publikum und dem Haus“. Als Intendant muss man die Fähigkeit haben, Menschen anzusprechen, mitzunehmen und zu begeistern. Und das jeden Tag aufs Neue.

Eine Ausbildung gibt es nicht

Ausbildungsmäßig lernen kann man den Fulltimejob Intendant nicht: Mnich selbst ist studierter Pianist und hat vor seinem Wechsel nach Weikersheim im Kulturmanagement gearbeitet. Der Anspruch an sich selbst ist hoch: „Ich versuche, möglichst alles vorher live anzuschauen“, hält er fest. Nur was ihn selbst überzeuge, könne er auch mit persönlichem Nachdruck und Überzeugung empfehlen.

Nach zahlreichen Zugaben am Ende des Abends mit Sokolov: Der Pianist muss zurück ins Hotel gebracht werden. Es hat alles wie geplant funktioniert. Das Publikum war begeistert, der Künstler ist rundherum zufrieden. Johannes Mnich kann sich etwas entspannen. Es ist still geworden rund um die Philharmonie. Der Parkplatz hat sich geleert. Jetzt muss nur noch jemand den Schlüssel herumdrehen. Bis zum nächsten Besprechungstermin.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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