In der ausverkauften Tauberphilharmonie

Auftritt von „Voces8“ in der Tauberphilharmonie begeistert

Hochklassig und feinsinnig: Der Auftritt des A-cappella-Oktetts „Voces8“ in der Tauberphilharmonie geriet zum absoluten Fan-Fest. Das Publikum feierte die vorwiegend britische Vokalgruppe mit frenetischem Applaus.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Ein bisschen Spaß darf auch bei einer klassisch fundierten Formation sein: Gesang in verteilten Rollen von „Voces8“. © Michael Weber-Schwarz

Weikersheim. Das Konzert in der Tauberphilharmonie ist restlos ausverkauft. Gäste sind auch von weit her angereist – um einen ganz feinen Auftritt zu genießen, bei dem man die Ohren spitzen musste. „Voces8“: Die Gruppe pflegt eine (ungeheuer charmante) „Kunst der Zurückhaltung“, wie es der Berliner „Tagesspiegel“ beschreibt. Acht Stimmen verschmelzen dabei zu einem als unisono wahrgenommenen Vielstimmen-Gesang. Das hört man so selten oder nie.

Was soll man sagen: Seraphischer, teilweise fast körperlos wirkender Gesang, der in einer durchaus bunten, minimalistischen Show durch die Jahrhunderte führt. Doppelchörig, mehrstimmig, solistisch, egal: Man hängt ala Zuhörer an den Lippen der Musiker, versucht zu ergründen, wie alles „gemacht“ wird.

Mit William Byrd – größter Komponist des Elisabethanischen Zeitalters und Zeitgenosse des Dramatikers William Shakespeare – kommt ein geistliches und freudvolles Stück als Auftakt. Darauf folgt in einem enormen Zeitsprung eine Suite von Benjamin Britten; der Komponist und Dirigent starb 1976. Ein musikalischer Spagat ist das aber nicht, eher eine logische Weiterentwicklung der schon von Byrd aufgenommenen Idee einer Pastorelle. Tanzende Hirt(inn)en, Landleben live – zumindest, wie man sich das romantisiert vorstellen mag.

Auf der Leiter zum Himmel

Ausflug in die relative Swing-Moderne: Nat „King“ Cole, bei dem ja immer wieder die geistlichen Einflüsse des Elternhauses hörbar sind. Irving Berlin, der „Cheek to Cheek“ für den Astaire-Rogers-Film „Ich tanz’ mich in dein Herz hinein“ (1935) geschrieben hatte. Heute zählt die Nummer zu den „besten Filmsongs aller Zeiten“ und wurde in der Jetztzeit für die Verfilmung des Ransom Riggs-Romans „Die Insel der besonderen Kinder“ aufgenommen. In der Voces8-Version wird als Intro Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ gedroppt. Das ist witzig und lässt immer noch ein wenig genauer hinhören.

Sergei Rachmaninow (der wiederum die zeitgenössische britische New-Prog-Band „Muse“ stark beeinflusst hat) wird von Voces8 auf seine neoromantischen Wurzeln zurückgesetzt. Der Pianist und Komponist sah sich als Praktiker in der Tradition von Liszt und Chopin. Das ganz enge Zusammenführen von Einzelstimmen treiben die Vokalisten in Rachmaninows „Ave Maria“ zum Äußersten. Ein nur scheinbarer Widerspruch: Schon während des dicht gewebten Satzes stehen Teilen des Publikums die Tränen in den Augen. Palestrina schließt das erste Set; gewissermaßen die Rückkehr zu Byrd.

Im zweiten Teil: ein verswingter Johann Bach, eine erneute, quasi-mythische Pastorale, diesmal von Thomas Weelkes. Der war ein Zeitgenosse von Claudio Monteverdi und markiert wie dieser in seinen Madrigalkompositionen einen Übergang von der Renaissance zum Barock. In „As Vesta was from Latmos Hill descending“ kommt eine Textmalerei in absoluter Perfektion auf die Bühne – die keusche Hüterin des heiligen Feuers sieht man förmlich dahinschreiten.

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Unter besten Songs aller Zeiten

Als Folk- und Bluesrocker wird der Nordire Van Morrisson in der Breite wahrgenommen – dabei ist er in Wirklichkeit ein echter Jazzer. Wann war’s? – so in den 1960er Jahren? – komponierte er seinen All-Time-Klassiker „Moondance“. Laut Musikmagazin „Rolling Stone“ einer der 500 besten Songs aller Zeiten. Und auch Van Morrison besingt in seinem Album die Schönheiten des Landlebens: Immerhin könnte man dort im Mondschein tanzen – wer’s noch nicht gemacht hat, der kann es sich immerhin vorstellen. „Fly Me to the Moon“ (bekannt vor allem in der Sinatra-Version) passt da natürlich flankierend wie die Faust aufs Auge.

Zwei Zugaben gibt’s noch obendrauf und dann tobt der Saal. Angesichts der Stimmenzartheit der jungen und sympathischen Sängerinnen und Sänger fast schon ein wenig überraschend, doch natürlich vollkommen verdient. Alles war an diesem Abend auf dem Punkt; dass ein Countertenor im weiblichen Alt eingesetzt wird, das nimmt man als selbstverständlich hin.

Es wird oft bemüht, das Bild von Raffinesse, Lupenreinheit und Synchronizität. Bei „Voces8“ ist das schlicht so – und der Chor fasst von der Bühne aus direkt ins Hörer-Herz. Was da gesungen und besungen wird, ist der Wunsch, die Utopie, der Stern, der vom Himmel fällt. Nur wenn man sich in den „Klatschpausen“ einen Moment des Nachdenkens nimmt, dann ahnt man ein bisschen, wie viel Probendisziplin hinter solch einem Auftritt steckt. Acht Individualisten schmelzen für zwei Stunden zusammen – und das Publikum schmilzt weg.

Was man zudem wissen muss: Die Gesangsformation hat sich schon seit vielen Jahren der musikalischen Bildung verschrieben und sie ist sehr stark auf auf Youtube unterwegs. In Weikersheims gab es vor dem Konzert für einen Teil der Besucher einen großen Musikworkshop mit Voces8.

Hörtipps auf Youtube: „Jesus bleibet meine Freude“, die bekannte Orgel-plus-Oboe-Nummer aus dem Bach-Werke-Verzeichnis (147) in geradezu ätherischer Leichtigkeit. Wer eher Pop hören will: Eyas „May it Be“. So jenseitig schön hört sich J.R.R. Tolkiens Elbisch wahrscheinlich wirklich an.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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