Walldürn. Es sind etwa 30 Gläubige, die an jenem Donnerstagmorgen den Weg in die Walldürner Basilika gefunden haben. Sie feiern gemeinsam mit Stadtpfarrer Josef Bregula die Heilige Messe. Der Pater zelebriert allerdings nicht am Hauptaltar, sondern links daneben – am Blutaltar. Jeden Donnerstag um 8 Uhr wird dort das Evangelium verkündet und Eucharistie gefeiert.
Der Blutaltar, Zentrum und Zielort tausender Pilger, ist also nicht nur während der Hauptwallfahrtszeit „in Betrieb“, sondern das ganze Jahr über. Hier wird das Korporale aufbewahrt, auf dem um das Jahr 1330 Bildnisse des gekreuzigten Jesus inmitten von elf Christus-Köpfen erschienen sein sollen, nachdem Pater Heinrich Otto versehentlich den konsekrierten Kelch umgeschüttet haben soll (wir berichteten in unserem ersten Teil der Serie).
„Es gibt Leute, die behaupten, noch heute den Gekreuzigten und die Köpfe erkennen zu können“, berichtet Markus Weigand. Er ist Mesner in der Basilika und somit über das Jahr hinweg sozusagen der „Betreuer“ des Blutaltars. Vor jeder Donnerstagsmesse entzündet er dort die acht Kerzen und bereitet die Messe-Utensilien vor. Oft agiert er während des Gottesdienstes dann auch als Lektor. Schon sein Vater war Mesner in „St. Georg“.
Wann die Flügel geöffnet sind
Während der Hauptwallfahrtszeit sind die Flügel des silbernen Schreins inmitten des Hochaltars tagsüber geöffnet. Das Original-Altartuch aus dem 14. Jahrhundert ist dann zu sehen – die erschienen Christus-Abbildungen sind allerdings längst verblichen – außer für jene, die sie vielleicht tatsächlich immer noch sehen… Letzte wissenschaftliche Untersuchungen gab es 1950 (wir berichteten in unserem ersten Teil der Wallfahrtsserie).
Der Blutaltar, so wie er heute dasteht, hat sich in den vergangenen Jahrhunderten bis zum heutigen Aussehen stetig verändert. Erbaut hat ihn Zacharias Juncker der Ältere. Er wurde etwa 1578 wahrscheinlich in Walldürn geboren. Um 1620 kehrte er dorthin zurück, um in mehrjähriger Arbeit dieses Hauptwerk für die Wallfahrtskirche St. Georg zu schaffen. „Er besteht hauptsächlich aus Alabaster und Sandstein“, erklärt Mesner Weigand. Zahlreiche Heilige und Engelchen zieren den knapp zehn Meter hohen Altar. Im Zentrum fallen dort vor allem die vier Reliefs, die Episoden der Wunderüberlieferung, ins Auge. Fast wirken sie ein wenig kitschig.
Der Ort, an dem das Zentrum des Kultus steht, ist der älteste Teil der Kirche. Die jetzige Basilika wurde quasi drum herum gebaut, der Blutaltar wurde dabei immer wieder baulich angepasst. Wenn man unten am Boden genau hinschaut, erkennt man, dass an einigen Stellen Stein weg- und abgebrochen wurde.
Treppe seit 1956
Der Höhepunkt für jeden Pilger, der nach Walldürn kommt, ist das Umkreisen des Blutaltars. Das ist in seiner jetzigen Form erst seit 1956 möglich, denn da wurde die Treppe hinter dem Altar erbaut. Geduldig, oft im Gebet versunken, reihen sich die Gläubigen dann in einer Reihe und schreiten, von rechts kommend, hinter den Altar. Dort eröffnet eine quadratische in den Stein gehauene Luke den Blick durch eine Plexiglasscheibe von hinten auf den Blutschrein. Die meisten Gläubigen berühren die Scheibe, verharren für Sekunden oder sogar Minuten im Gebet – und verlassen auf der anderen Seite wieder den Blutaltar.
Ein kleiner Schlitz, der sich zwischen Stein und unterem Rand der Plexiglasscheibe auftut, ist hier schon so manchem Pilger „zum Verhängnis“ geworden. Weigand berichtet: „Immer wieder halten Gläubige beim Durchschreiten des Altars, Kreuzchen, Rosenkränze oder andere religiöse Utensilien in ihren Händen, um mit ihnen die Scheibe zu berühren. Da passiert es schon mal, dass solche Dinge aus den Händen gleiten und in den Schlitz fallen.“ Sie sind dann für immer verloren. Warum allerdings die meisten Gläubigen mit der linken Hand über den Engelchen-Kopf streichen, bevor sie die paar Stufen hinter den Altar empor steigen, weiß auch der Mesner nicht. Einen tieferen Grund dafür, eine Tradition, ist da nicht überliefert. Er vermutet: „Das hat irgendwann jemand angefangen, die Leute haben es nachgemacht und so ist das von Generation zu Generation weitergegangen.“ Zum Leidwesen des Engelchens. Das Köpfchen ist sichtbar „abgegriffen“.
Vorsicht beim Reinemachen
Den großen Jahresputz gibt es für den Altar indes nicht. „Das wäre viel zu aufwendig und zu teuer“, erklärt Markus Weigand, weil Hebebühnen erforderlich wären um die oberen Regionen des Blutaltars zu erreichen. Und wenn, dann dürfte man die Figuren und Figürchen nur vorsichtig abpinseln und nicht hemdsärmelig abstauben. Zu schnell könnten sonst Details abbrechen. Allerdings wird das Silber am Altar regelmäßig poliert.
Und so erstrahlt der Blutaltar trotz seines Alters von etwa 400 Jahren und trotz einiger Zentimeter Staub in den höheren Gefilden auch heute noch in besonderem Glanz. Wenngleich: Das Äußere ist für die Wallfahrt sekundär. Wichtig ist das Innere des Blutaltars, das Jahr für Jahr so viele Gläubige nach Walldürn zieht – und zudem jeden Donnerstagmorgen Christen zum Gottesdienst lockt.
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