Walldürn. Wenn man mit Pilgern über die Wallfahrt spricht, merkt man schnell: Es ist für sie eine Herzensangelegenheit. „Bei der Wallfahrt werden die Akkus aufgeladen. Sie nährt Körper und Seele“, sagt Agnes Sans. Die Walldürnerin ist seit dem Tod ihrer Mutter 2014 dabei und läuft von Fulda nach Walldürn. 132,5 Kilometer legen die jährlich rund 800 Wallfahrer in viereinhalb Tagen zu Fuß zurück.
Seit 2006 gehört das Pilgern von Fulda nach Walldürn auch fest zur Jahresplanung von Brunhilde Marquardt. „Der Weg ist das Ziel“, lautet ihr Motto. Das verrät sie den Fränkischen Nachrichten in einem Gespräch gemeinsam mit anderen Fulda-Wallfahrern vor dem noch geschlossenen Blutsschrein in der Basilika.
Diese Zeit sei für sie immer besonders, auch wenn man vielem ausgesetzt ist – etwa Regen, Sonne oder Sturm. Man erlebe auf der Strecke die Natur in ihrer ganzen Vielfalt. „Man muss offen sein für ermutigende Gedanken“, weiß Marquardt. Agnes Sans hat ihre Entscheidung zu pilgern, bis heute nicht bereut. „Gerade das Heimkommen ist eine Erfahrung, die man nicht beschreiben kann.“
In Walldürn werden die rund 800 Wallfahrer am Stadtrand von Pater Josef Bregula und den Ministranten empfangen, bevor sie in die Basilika einziehen und bei vollem Haus Gottesdienst feiern. Das berührt auch Karl-Friedrich Berberich jedes Mal wieder. „Es ist toll, was unterwegs passiert. Man erdet in diesen Tagen, auch wenn sie für den Körper anstrengend sind“, sagt er.
Keine Standesunterschiede
Unter den Pilgern sind nicht nur Katholiken, sondern auch Gläubige aus anderen Konfessionen. Sozialer Status, Nationalität oder Alter spielen bei der Wallfahrt keine Rolle. „Es gibt keine Standesunterschiede“, erläutert Brunhilde Marquardt. In den vergangenen Jahren habe auch die Zahl der jungen Wallfahrer erfreulicherweise zugenommen. Diese kommen häufig aus dem Landkreis Eichsfeld in Thüringen. Die Pilger aus der Gemeinde Küllstedt haben sich um das Jahr 1700 mit den Fuldaern zusammengeschlossen und pilgern seitdem gemeinsam in den Odenwald. Trotz der erfreulichen Entwicklung, dass immer wieder junge Menschen zum Pilgern finden, sind die Walldürner der Meinung, dass sich die Wallfahrt verändern wird. „Das religiöse Selbstverständnis nimmt ab“, sagt Brunhilde Marquardt.
Bemerkbare mache sich das auch unterwegs. Denn dort kommen die Pilger überwiegend bei Privatpersonen unter. Es sei schon vorgekommen, erzählt Berberich, dass Leute nicht mehr ans Telefon gegangen seien, wenn man sie anrufe und frage, ob man wieder bei ihnen übernachten könne.
Früher sei es selbstverständlich gewesen, sich Urlaub zu nehmen, wenn die Wallfahrer zu Gast wäre. Das könne man heute nicht mehr verlangen, sind sich die Wallfahrer einig. Adalbert Sahner ist seit über 20 Jahren als Sanitäter dabei. „Früher habe ich mir für die Wallfahrt immer Urlaub genommen, um Sanitätsdienst zu leisten“, berichtet er.
Umso dankbarer sind die Wallfahrer deshalb Familien, die jährlich ihre Häuser öffnen, um Wallfahrer bei sich übernachten und Pause machen zu lassen. „Die Gastfreundschaft ist einmalig und absolut nicht selbstverständlich“, betonen die Pilger.
Auch die Wallfahrtsleitung aus Fulda hat ihre liturgische Gestaltung der geänderten Situation angepasst. „Sie schafft den Spagat zwischen traditionellen und zeitgemäßen Texten“, sagt Marquardt.
Wichtig für die Stadt
In einer Sache sind sich die vier Pilger einig: Die Wallfahrt ist für Walldürn unglaublich wichtig. „Die Bewahrung der Wallfahrt ist unsere Aufgabe“, meint Agnes Sans. „Wir haben einen Auftrag“, ergänzt Brunhilde Marquardt. Und genau deshalb machen sie sich, wie viele andere Gläubige auch, in diesem Jahr vom 3. bis 7. Juni wieder auf den 132,5-Kilometer-Marsch durch Deutschland.
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