Walldürn. Johann Martel hat sich seine Kandidatur um das Bürgermeisteramt Walldürns lange überlegt. Im Falle einer Wahl soll sich seine Herangehensweise an das Amt von denen der beiden anderen Kandidaten unterscheiden.
Herr Martel, Sie haben erst kurz vor Bewerbungsschluss Ihren Hut für die Bürgermeisterwahl in Walldürn in den Ring geworfen. Hatte das taktische Gründe oder hat es so lange gedauert, bis Sie sich dazu durchgerungen hatten?
Johann Martel: Weder noch. Es war so: Zunächst war es nicht meine Absicht, für dieses Amt zu kandidieren. Doch nach vielen Gesprächen habe ich festgestellt, dass einige eine Alternative zu den anderen beiden Kandidaten wünschen. Die Reaktionen auf meine Bewerbung haben mich in meiner Meinung bestätigt, dass ich diese Alternative sein kann. In Walldürn ist vieles möglich, also packen wir es an.
In welchen Bereichen konkret wollen Sie eine Alternative sein?
Martel: Ganz wichtig sind mir die Finanzen. Wegen der Sanierung oder des Neubaus der Nibelungenhalle und der Neuordnung des Abwassers werden enorme Kosten auf die Stadt zukommen. An mich sind aber auch viele kleinere Anregungen herangetragen worden, wie die Sanierung von Spielplätzen. Hier müssen wir die Mittel einsetzen, dass es den Kindern gut geht. Sie sind unsere Zukunft.
Die Menschen aus den Stadtteilen sollen mehr selbst entscheiden können."
Aber wo soll für was das Geld herkommen?
Martel: Wir müssen schauen, dass wir die notwendigen Investitionen gleich erledigen und nicht aufschieben, damit die Ausgaben bei verschieden Projekten später nicht noch größer werden. Auf der anderen Seite müssen wir auf die Suche gehen, wo wir einsparen können. Ich würde, und das ist mir ein ganz wichtiger Punkt, viel mehr über Bürgerentscheide gehen. Die Walldürner sollen mitentscheiden, wofür Geld ausgegeben werden soll und wofür nicht. Ich versuche, viel mehr zuzuhören als selbst zu reden.
In Ihrem Wahl-Flyer haben Sie zehn Punkte aufgeführt, die Ihnen wichtig sind. Punkt eins ist „Heimat und Identität“, Punkt zehn ist „Kultur und Tourismus“. Ist die Reihenfolge zufällig gewählt oder nach Ihren Prioritäten?
Martel: Die Reihenfolge ist schon bewusst so gewählt. Das Wir, das, was alles zu uns gehört, unsere Heimat, das ist mir sehr wichtig. Hier fängt alles an.
Ist der Heimat-Gedanke zuletzt in Walldürn zu kurz gekommen?
Martel: Das möchte ich gar nicht bewerten. Heimat ist wichtig, weil hier alles anfängt. Hier kommen unsere Kinder zur Welt, hier leben wir und hier sind wir in der Regel 24 Stunden am Tag. Deshalb ist es doch elementar, dass die Bevölkerung hier glücklich ist und sich wohlfühlt. Ich möchte verhindern, dass die Menschen Walldürn verlassen, weil es ihnen hier nicht mehr gefällt.
Sie kamen selbst erst mit 13 Jahren nach Deutschland. Wie sehr sind Sie hier in Walldürn verwurzelt?
Martel: Ich bin Mitglied im Schützenverein Walldürn, habe ein Haus in Altheim und fühle mich hier sehr wohl. Allerdings habe ich auch gesehen, wie die Innenstadt dahinsiecht. Da ist es nicht mehr schön.
Sind Sie als Altheimer auch explizit der Kandidat für die Walldürner Stadtteile?
Martel: Ja. Klar ist: Die Kernstadt ist unser Aushängeschild, aber wir müssen den Wert der Stadtteile erhöhen, indem wir ihnen mehr Verantwortung übertragen. Die Menschen dort sollen mehr selbst entscheiden können. Ich habe von vielen Bürgern aus den Stadtteilen gehört, dass sie vieles lieber selbst regeln möchten.
Haben Sie das Gefühl, dass die Stadtteile in den vergangenen Jahren gegenüber der Kernstadt etwas ins Hintertreffen geraten sind?
Martel: Auf jeden Fall, gerade die kleineren. Das geht schon bei der Bereitstellung von Bauplätzen los. Hier wird ein zu großes Augenmerk auf die Kernstadt gelegt.
Beim Thema „Bauen“ sind wir beim „Vorderen Wasen II“. In Ihrem Flyer sprechen Sie sich gegen die Ausweisung dieses Baugebietes aus, sondern schlagen stattdessen andere Flächen vor. Wo und welche?
Martel: Wir haben innenstadtnah Bauplätze, die noch nicht ausgewiesen sind, aber es werden können. Ein großes Thema ist für mich die Innenstadt. Hier sieht man viel marode Bausubstanz. Diese schwer sanierungsfähige Bausubstanz, die nicht unter Denkmalschutz steht, sollte abgerissen werden. An diese Stellen kann man attraktive Neubauten hinstellen, die interessant für junge Familien sind. Solch ein Schritt käme bei mir vor der Ausweisung eines neuen Baugebietes, bei dem weitere Grünflächen platt gemacht werden. Außerdem: Im „Vorderen Wasen II“ gibt es den Salamander. Es wird also gar nicht so einfach.
Wir führen dieses Interview am Römerbad, und damit auch im Grünen. Warum ist das Ihr Lieblingsplatz auf Walldürner Gemarkung?
Martel: Mir gefällt hier die Ruhe, das Zwitschern der Vögel. Hier kann man auch schön spazieren gehen. Wenn ich über etwas grüble, dann ist das der Ort, an dem ich Ruhe finde und meine Gedanken ordnen kann.
Haben Sie hier auch über Ihre Kandidatur nachgedacht?
Martel (lacht): Unter anderem auch, ja.
Sie treten ganz bewusst als Kandidat der AfD an. Welche Grundpositionen dieser Partei benötigt man denn konkret in Walldürn?
Martel: Wir haben im Kreisvorstand darüber nachgedacht, ob ich als Person kandidiere oder als AfD-Kandidat. Eigentlich braucht Walldürn alle unsere Positionen. Wir werden meist nur auf den Punkt Asyl reduziert. Aber wir haben auch klare Positionen für Rente, Zukunft und Entwicklung von Innenstädten. Die AfD ist der Schnitt der Bevölkerung – vom Sozialhilfeempfänger bis zum Arzt. Wir sprechen alle an. Übrigens: Die anderen Kandidaten sagen, sie seien freie Kandidaten, sind es aber nicht wirklich.
Verstehen Sie denn die tägliche Aufregung um die AfD?
Martel: Ich versuche es zu verstehen. Wenn ich mit den Leuten spreche, sage ich ihnen: Wenn Sie sich das AfD wegdenken, dann würden Sie mir doch zustimmen, oder? Viele sagen dann „ja“. Ich möchte Ihnen ein ganz einfaches Beispiel geben: Wenn sich heute vom linken Flügel jemand für Asylanten engagiert, dann wird das in der Öffentlichkeit gefeiert. Es gibt aber auch genügend Deutsche, denen es schlecht geht. Wir möchten uns erst einmal für diese Menschen einsetzen. Hier müsste meiner Ansicht nach viel mehr gemacht werden.
In Ihrem Flyer positionieren Sie sich ganz konkret gegen Gendersprache und auch gegen das Bündnis „Herz statt Hetze“ an den Schulen in Walldürn. Warum spalten Sie schon jetzt ganz bewusst und versuchen nicht, erst einmal zusammenzuführen?
Martel: Umgekehrt. Das, was die machen, ist Spaltung. „Herz statt Hetze“ geht gegen uns vor. Die Menschen dort lassen keine anderen Argumente zu. Die deutsche Sprache soll so bleiben, wie sie ist. Es gibt von Natur aus ganz klare Bezeichnungen und Begriffe. Warum versuchen wir, das alles zu verwässern? Wir sollten unsere Kraft für andere Dinge einsetzen. Wir sollten unseren Kindern Werte vermitteln und sie fit für die Zukunft machen.
Interessant ist, dass Sie beim Thema „Wallfahrt“ genau umgekehrt agieren – nämlich integrativ: Hier fordern Sie, die Wallfahrt auch für Konfessionslose und Menschen mit anderer Konfession zu öffnen.
Martel: Die Wallfahrt ist für Walldürn sehr wichtig und muss erhalten, bestenfalls ausgebaut werden. Ich bin in einem Land aufgewachsen, in dem die Muslime in der Überzahl waren. Das war für mich und für uns als Christen sicher nicht sehr angenehm. Aus eigener Lebenserfahrung würde ich es befürworten, die Wallfahrt für das gesamte Christentum und auch für christlich Orientierte sonstiger oder ohne Konfession zu öffnen.
Warum ist die Wallfahrt so wichtig für Walldürn?
Martel: Sie ist einzigartig. Sie hat die Stadt über Jahrhunderte geprägt. Wir müssen dieses Kulturgut wieder mehr stärken. Auch deshalb sollten wir uns hier öffnen.
Sehen Sie das tatsächlich aus rein kulturellen Aspekten oder betrachten Sie auch die „Begleiterscheinungen“, dass dadurch mehr Menschen und Touristen nach Walldürn kommen und dadurch Gastronomie und Hotellerie gestärkt werden?
Martel: Ja, natürlich. Das möchte ich dadurch erreichen.
Sie sprechen sich für ein öffentliches Mitteilungsblatt der Stadt aus und kritisieren das Abonnement der Tageszeitung. Sind Sie gegen Meinungsvielfalt in Walldürn?
Martel: Nein, um Gottes Willen. Wir sind ja im Grunde die einzige Kommune, die kein eigenes Amtsblatt oder ähnliches hat. Ich möchte, dass sich alle Bürger in diesem Blatt wiederfinden, die es wünschen.
Wie schätzen Sie denn Ihre Mitbewerber und konkret Ihre Chancen bei dieser Wahl ein?
Martel: Das ist eine ganz schwierige Frage. In meinen Gesprächen habe ich viel Zustimmung erfahren. Demnach müsste ich eigentlich 75 Prozent bekommen (lacht). Nein. Das war natürlich ein Spaß. Mit meiner Kandidatur wollen wir zeigen, dass es für die Gesellschaft immer mehr annehmbar wird, AfD zu wählen. Und: Jemand hat mir auch gesagt: „Gut, dass Sie kandidieren, jetzt müssen sich die anderen beiden wenigstens anstrengen.“
Je länger wir mit der Sanierung der Nibelungenhalle warten, desto teurer wird das Projekt."
Sie kommen nicht aus der Verwaltung, sondern „aus der freien Wirtschaft“. Ist genau dieser Aspekt Ihr Vorteil gegenüber Markus Günther und Meikel Dörr?
Martel: Ich würde zumindest nicht betriebsblind in das Bürgermeisteramt starten. Ich würde völlig unvoreingenommen das Amt antreten. Ich müsste natürlich viel lernen. Dafür müsste ich viel zuhören, und genau das will ich ja, um die wahren Probleme Walldürns zu erkennen.
Wir haben nun über viele Walldürner Themen gesprochen. Was ist aber die dringlichste Aufgabe, die Sie im Falle einer Wahl sofort angehen würden?
Martel: Es gibt nicht diesen einen Punkt. Es gibt viele Dinge, die man sofort angehen müsste. Das fängt bei der Beschattung von Spielplätzen an und hört bei der Nibelungenhalle auf. Diese Halle muss dringend saniert werden. Man muss aber auch einen Neubau ins Auge fassen. Hier wurde mit der Sanierung zu lange gewartet. Je länger wir warten, desto teurer wird das Projekt. Vergleichen Sie mal unsere Halle mit der Stadthalle in Buchen. Da darf man gar nicht darüber nachdenken. Und ich betone noch einmal: Ich werde den Bürgern zuhören!
Und versuchen, alle Wünsche zu erfüllen?
Martel: Ja und nein. Es muss alles im Verhältnis stehen und machbar sein. Alleine die Tatsache, dass die Bürger merken, sie werden gehört und ernst genommen, würde schon vieles bringen. Ich glaube, das kam in den vergangenen Jahren zu kurz.
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