FN-Interview - Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg kommt am Donnerstag zum Großen Blutfeiertag nach Walldürn

Freiburger Erzbischof Stephan Burger im Interview: „Die Kirche ist für die Menschen da”

Mit dem Blutfeiertag begeht die Kirchengemeinde St. Georg bei der Heilig-Blut-Wallfahrt ihren höchsten kirchlichen Feiertag in Walldürn. Die Predigt beim Pontifikalamt in der Basilika hält Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg.

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Ralf Marker
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Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg kommt am Großen Blutfeiertag nach Walldürn und hält die Predigt beim Pontifikalamt. © Patrick Seeger / dpa

Walldürn. Mit dem Blutfeiertag begeht die Kirchengemeinde St. Georg bei der Heilig-Blut-Wallfahrt ihren höchsten kirchlichen Feiertag in Walldürn. Die Predigt beim Pontifikalamt in der Basilika hält Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg.

Walldürn. Die FN haben sich im Vorfeld seines Besuchs in der Wallfahrtsstadt mit dem Geistlichen unterhalten. Burger wurde 1962 in Freiburg geboren. Am 20. Mai 1990 empfing er im Freiburger Münster die Priesterweihe durch Erzbischof Oskar Saier, bei den ersten beruflichen Stationen war er auch Vikar in Tauberbischofsheim. Am 30. Mai 2014 ernannte ihn Papst Franziskus als Nachfolger von Robert Zollitsch zum Erzbischof von Freiburg.

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Herr Erzbischof Burger, den Großen Blutfeiertag in Corona-Zeiten zu feiern ist sicher nichts Gewöhnliches. Mit welchen Gefühlen kommen Sie nach Walldürn?

Erzbischof Stephan Burger: Die Wallfahrt fällt heuer in eine Zeit, in der wir nach langen Monaten und Wochen voller Einschränkungen endlich wieder ein „Licht am Ende des Tunnels“ sehen. Wir haben die Corona-Krise noch nicht ganz überwunden, aber wir sind auf einem guten Weg. Dass die Wallfahrt in diesem Jahr nicht zur Gänze ausfallen muss, ist ein hoffnungsvolles Zeichen, und ich freue mich darauf, Teil dieses Wallfahrtsgeschehens zu sein. Um die Menge der Besucher zu entzerren, ist die Wallfahrtszeit ja bis in den Oktober verlängert worden, und ich glaube, dass so auch die Wallfahrt selbst im kommenden halben Jahr ein Ausdruck wachsender Zuversicht sein kann.

Viele Menschen leiden in Corona-Zeiten, wirtschaftlich, aber auch seelisch. Kann der Glaube in den Pandemiezeiten Kraft und Zuversicht geben?

Erzbischof Burger: Ja, davon bin ich überzeugt. Nicht erst in dieser Krise, sondern schon seit Jahrhunderten haben Menschen gerade in schweren Zeiten die Erfahrung gemacht, dass sie nicht dem Schicksal ausgeliefert sind, sondern dass sie in ihrem Leben von Gott getragen sind. Gott hat uns Menschen die Zusage gegeben: „Ich bin für Dich da, was immer auch geschieht“. Gott schenkt uns Kraft, schwere Zeiten zu überstehen, und in der Gemeinschaft der Gläubigen können Menschen Solidarität und Nächstenliebe erfahren.

Die katholische Kirche bewegt sich auf rauer See, viele Gläubige wenden sich ab, es gibt viele Austritte, der Missbrauchsskandal ist ein großes Thema. Was sagen Sie Menschen, warum sie in der Kirche bleiben sollten? Wie kann die Kirche ihre teilweise verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen?

Erzbischof Burger: Bei allem menschlichen Versagen, das sich in der Kirche findet, dieser Kirche ist dennoch die Verheißung und Zusage gegeben, dass Gott bei ihr ist, dass er sie nicht zugrunde gehen lässt. Sie trägt den Schatz der frohmachenden Botschaft Jesu und des Lebens, der ihr von Jesus Christus auf den Weg gegeben wurde, um die Menschen mit Gottes Gegenwart in Berührung zu bringen, sie diese Nähe Gottes spüren zu lassen – in den Sakramenten, in der Seelsorge, als Teil einer großen weltweiten Gemeinschaft. Diese Verheißung und Zusage muss sie aber auch einlösen und darf es nicht durch Egoismen oder Machtinteressen aufs Spiel setzen. Die Verantwortlichen haben sich den Fehlern und der Schuld zu stellen und – soweit überhaupt möglich – diese aufzuarbeiten. Das sind wir vor allem den Betroffenen schuldig. Die Täter sind zur Rechenschaft zu ziehen. Und wir müssen alles daransetzen, dass sich solches Versagen nicht mehr wiederholen kann. Wir dürfen das nicht mit der Motivation tun, einfach die Glaubwürdigkeit der Institution wiederherzustellen. Das allein wäre der falsche Ansatz. Vielmehr gilt es, die in den Blick zu nehmen, die unter den Fehlern gelitten haben und noch heute leiden. Wenn wir so unserem christlichen Auftrag zu erfüllen suchen, dann werden Menschen in der Kirche auch in Zukunft die heilmachende Gegenwart Gottes erfahren können.

Die Bewegung Maria 2.0 zwingt die Kirche ebenfalls zur Diskussion über ihre Strukturen. Frauen wollen nicht nur mitarbeiten, sondern auch mehr mitbestimmen und mitentscheiden. Wo sehen Sie hier Lösungswege?

Erzbischof Burger: Als Bischof dieser Kirche und als ehemaliger Pfarrer frage ich mich natürlich, ob und wie unsere Strukturen dazu dienen, Gott erfahrbar zu machen oder ob unsere Strukturen den Zugang zu Gott erschweren. Kirche ist ja kein Selbstzweck. Sie ist für die Menschen da. Und die Kirchengeschichte zeigt ja auch zur Genüge, dass sich Strukturen auch immer wieder gewandelt haben, um den Sendungsauftrag Jesu in die jeweilige Zeit hinein erfüllen zu können. Deshalb denke ich mit vielen anderen auch darüber nach, wie wir unsere Fähigkeiten und Charismen am besten zum Wohl der Menschen einsetzen können. Der Kirche wird oft unterstellt, es gehe ihr nur um Macht und Einfluss. Dass es aber vielmehr um Dienst und Demut geht, wird dabei meist vergessen. Wer die Kirche kennt, der weiß auch, dass man Geduld braucht, um nachhaltige Veränderung zu erleben. Am Ende vertraue ich aber dem Heiligen Geist, der uns zu den richtigen Entscheidungen anleitet und uns den Weg in die Zukunft weist. Dazu gehört für mich auch, bei allen Fragen und Diskussionen den Weg in der Einheit mit der Weltkirche, mit Petrus zu gehen.

Das Projekt „Kirchenentwicklung 2030“ ist ein Thema in den Pfarrgemeinden. Viele haben Bedenken wegen der neuen Strukturen, auch Walldürn ist ja betroffen. Wo sehen Sie die Chancen bei dem Projekt?

Erzbischof Burger: Die große Chance liegt für mich darin, dass wir uns wieder auf das Wesentliche unseres Glaubens besinnen können. Dass wir Strukturen schaffen, die Seelsorge, Gottesdienste, die Spendung der Sakramente und das solidarische Miteinander ermöglichen, wo sie gebraucht werden. Ich denke, dass wir ein wenig über unseren bisher erfahrenen kirchlichen Tellerrand hinausblicken müssen, um das „katholisch Sein“ in seiner ganzen Vielfalt und trotzdem in Einheit erleben und wahrnehmen zu können. „Glauben first, Strukturen second“, würde man heute vielleicht dazu sagen.

Und was Walldürn betrifft: Hier muss sich niemand Sorgen um die Wallfahrt machen, denn die Erzdiözese weiß genau, welchen Schatz sie damit besitzt, und ich darf dies als Pilger und Bischof ganz persönlich immer wieder erfahren!

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