Kommunalpolitik

Tauberbischofsheim: Unechte Teilortswahl vor Abschaffung?

Nach einer gerichtlich angeordneten Wiederholung und zwei Klagen steht die Unechte Teilortswahl in der Kreisstadt mehr denn je auf dem Prüfstand. In einer Informationsveranstaltung wurden mögliche Optionen aufgezeigt.

Von 
Fabian Greulich
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Gefragter Experte: Norbert Brugger vom Städtetag Baden-Württemberg (links) referierte am Dienstag in der Stadthalle Tauberbischofsheim zum Thema „Unechte Teilortswahl“. Informationen zur Lage in der Kreisstadt gaben außerdem Bürgermeisterin Anette Schmidt sowie Hauptamtsleiter Michael Karle (Zweiter von links). © Fabian Greulich

Tauberbischofsheim. Seine Ausführungen wurden von den rund 70 interessierten Bürgern, die am Dienstagabend in die Stadthalle gekommen waren, mit Spannung erwartet. Mit Norbert Brugger, Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg, kam ein ausgewiesener Experte für Kommunalwahlen im Land in die Kreisstadt.

Nicht grundlos, denn, das stellten Brugger und auch Bürgermeisterin Anette Schmidt gleich zu Anfang klar: in Tauberbischofsheim herrsche nach den Entwicklungen der letzten Jahre eine ganz besondere Situation, die landesweit für großes Aufsehen gesorgt habe. Nach der erfolgreichen Klage einer Impfinger Bürgerin gegen die Gemeinderatswahl von 2019 und der daraus resultierenden Neuwahl am 5. Februar 2023, gegen die erneut Klage eingereicht wurde, komme der anstehenden Gemeinderatswahl am 9. Juni 2024 natürlich eine besondere Bedeutung zu.

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Entscheidend sei nun, wie es für die Stadt in Zukunft weitergeht. Zentrale Aufgabe sei es, Rechtssicherheit für die kommende Wahl zu schaffen. Dreh- und Angelpunkt sei in diesem Zusammenhang die bisher angewandte Form der Unechten Teilortswahl.

Rechtlich nicht zulässig

Richtig sei, dass diese Vorgehensweise, die jedem Stadtteil mindestens einen Sitz im Gemeinderat garantiere, seit über 50 Jahren in Tauberbischofsheim gut funktioniert habe. Genauso sicher sei aber auch, dass diese Wahlform aufgrund der unterschiedlichen Einwohnerzahlen rechnerisch zu erheblichen Über- beziehungsweise Unterrepräsentanzen einzelner Stadtteile im Gemeinderat führe. Dies sei rechtlich nicht zulässig und damit anfechtbar. Übrigens nicht nur in Tauberbischofsheim, sondern auch in vielen anderen der insgesamt 680 Städte und Gemeinden (von 1101 im Land, 61 Prozent), die seit 1989 die Unechte Teilortswahl anwendeten. Auch aus diesem Grund sei die Zahl bis 2019 auf 384 (35 Prozent) gesunken. Gründe, die viele zur Abschaffung bewogen hätten, seien neben der Rechtssicherheit unter anderem das einfachere Wahlverfahren, der Wegfall von Ausgleichsitzen, niedrigere Kosten und die Gleichberechtigung aller Bürger gewesen.

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„Der Fall Tauberbischofsheim hat dafür gesorgt, dass viele weitere Kommunen folgen. Ich gehe fest davon aus, dass der Anteil der Städte und Gemeinden mit Unechter Teilortswahl bis 2024 bei unter 30 Prozent liegen wird. Nahezu jede Kommune stellt das Thema auf den Prüfstand“, so Brugger. Es gebe natürlich Fälle, bei denen man aufgrund der Aufteilung der Gemeindeteile mit dieser Form weiter Rechtssicherheit erziele. Im Fall von Tauberbischofsheim und vielen anderen Kommunen sei das jedoch nicht der Fall.

Die Unechte Teilortswahl beibehalten, ändern oder abschaffen? Brugger zeigte am Dienstag alle Möglichkeiten und deren Auswirkungen sachlich und ohne Wertung auf. Er stellte die Vorzüge der Unechten Teilortswahl den Vorteilen einer Abschaffung gegenüber, nannte mögliche Änderungen im Vorgehen – etwa die Bildung von „Wahlkreisen“ (Zusammenfassung von zwei oder mehreren Ortsteilen) – und beantwortete Fragen.

„Unter dem Strich ist entscheidend, eine Wahlform zu haben, die Rechtssicherheit bietet. Diese ist durch eine Abschaffung der Unechten Teilortswahl in jedem Fall gegeben. In der bisherigen Form ist sie dagegen nicht vorhanden“, so Brugger. Bleibe die Frage, ob eine Änderung die notwendige juristische Stabilität für die weitere Anwendung der Unechten Teilortswahl bringe.

Aus Sicht der Stadtverwaltung offenbar nicht. Wie Hauptamtsleiter Michael Karle erläuterte, habe man neun mögliche Optionen mit unterschiedlich großer Sitzanzahl genau geprüft. Keine Variante sei rechtssicher. Bleibe die Änderung über eine Zusammenlegung von Wohnbezirken.

Vier Modelle

Hier gebe es vier Modelle. Zwei davon schieden sofort aus, bei Modell III (Nord: Dienstadt, Hochhausen, Impfingen; Süd: Dittwar, Dittigheim, Distelhausen; TBB) und Modell IV (Dittwar+Dittigheim+Distelhausen, Hochhausen+Impfingen, TBB+Dienstadt) sei die Frage, ob ein „enger, räumlicher Zusammenhang wirklich gegeben sei und die Zusammenlegung überhaupt noch dem Willen der Unechten Teilortswahl entspricht. Definitiv rechtssichere Alternative sei dagegen allein eine Verhältniswahl (ohne Unechte Teilortswahl), die nach Lage der Dinge auch von Rechtsaufsicht und Stadtverwaltung empfohlen werde. Hier könne man die Sitzzahl dann von 18 auf 22 erhöhen (für zwei Perioden auch auf 26), um die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, dass auch alle Stadtteile im Gemeinderat vertreten sind. Außerdem würde man die Ortschaftsräte weiter so gut wie möglich stärken.

Bürgermeisterin Anette Schmidt sprach hier von einer möglichen Erhöhung der Ortsteilbudgets und weiteren Maßnahmen. Sowieso sei es längst guter Brauch, den Ortsvorsteher eine beratende Funktion im Gemeinderat zu geben, auch wenn sie nicht stimmberechtigt seien. Schmidt: „Wir brauchen auf jeden Fall Rechtssicherheit, denn wir können es uns nicht leisten, wieder eine Klage zu bekommen.“

Redaktion FN-Chefredakteur

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