Tauberbischofsheim. Tauberbischofsheim. „Uns gefällt es hier oben sehr gut“, stellen die drei Mütter, die sich stellvertretend für weitere Familien mit den FN zu einem Ortsrundgang verabredet haben, erst einmal klar. Der Blick auf die Stadt ist wunderschön. Doch der Schulweg für die Kinder ist es nicht.
Die Jungen und Mädchen vom Laurentiusberg müssen entweder komplett im Dunkeln laufen oder Wege benutzen, die nur schwach beleuchtet sind. Wir gehen zusammen einen Weg, auf dem sich links eine alte Straßenlaterne befindet – die Mütter nennen sie „Funzel“ – und die von Gebüsch fast zugewachsen ist. Es hört sich nicht nur gruselig an, es ist auch so.
Der Weg führt direkt an die Kasernenstraße, was durchaus wörtlich zu verstehen ist. Wir stehen auf der weißen Linie und somit fast schon auf der Fahrbahn. Die Stelle, an der sie die Kinder überqueren, zeichnet sich durch verschiedene Faktoren aus: Sie liegt in einer Kurve an einer viel befahrenen Straße außerorts, zudem „ziert“ sie ein tiefes Schlagloch. Stolpert ein Kind, liegt es auf der Fahrbahn. Wir müssen erst ein paar Zustelldienste passieren lassen, bevor wir auf die andere Seite gelangen. Dort erwartet uns eine alte Treppe, das Geländer war einmal blau. Die Rampe besteht aus löchrigem Schotter. Eine der Mütter hat ihr Baby im Kinderwagen dabei. Wir tragen Wagen samt Sohn hinunter, alleine wäre sie aufgeschmissen. Schlechtere Karten hat ein Mann, der im Rollstuhl sitzt und eigentlich jemanden auf dem Laurentiusberg besuchen wollte. Er hat keine Chance und fährt resigniert zurück. Auch Menschen, die auf einen Rollator angewiesen sind, kommen ohne Auto nicht dort hoch.
Doch das „Trauerspiel“ ist noch nicht beendet. Wir laufen den Weg Richtung Fußgängerbrücke hinunter. Auch hier findet man Schlaglöcher. Aber Lampen? Fehlanzeige. „Neulich bin ich hier nach einem Elternabend nach Hause gelaufen“, sagt eine der jungen Mütter. „Ich hatte ein sehr mulmiges Gefühl dabei“. Sie denkt dabei auch an die Teenager, die auf dem Laurentiusberg leben. Insgesamt, haben die Mütter ausgerechnet, leben 33 junge Menschen – vom Baby bis zum Jugendlichen – auf dem ehemaligen Kasernengelände.
Vor der Brücke fallen zwei rotweiße Pfosten auf. Wen sie woran hindern wollen, erschließt sich nicht wirklich. Was sie aber unmöglich machen, ist die „Durchfahrt“ breiterer Kinderwagen oder Fahrradanhänger. „Ich würde meinen Nachwuchs so gerne mit dem Rad in den Kindergarten bringen, aber es ist schlichtweg nicht machbar“, bedauert eine der drei Frauen und meint: „Hier oben ist es fast nicht möglich, sich klimaneutral zu verhalten.“
Neben den Pfosten sorgt aber noch etwas anderes für Ärger: die Brücke ist auf beiden Seiten nicht gesichert. An der Böschung hinunter zur L 578 wurden nur Steine gesetzt, an denen man locker vorbeikommt und somit – gewollt oder nicht – auf die viel befahrene Straße gelangt.
Immer informiert sein
Ist das denn der einzige Weg in die Stadt? „Nein, da gibt es noch einen weiteren, aber der hört einfach auf“, antwortet eine der Mütter. Ein Weg, der einfach endet, das hört sich interessant an. Und ist es auch. Deshalb laufen wir dieselbe Strecke wieder zurück und kommen am Spielplatz der früheren Förderschule vorbei. „Hier könnten die Kinder ihren Weg abkürzen, aber dazu müssten sie über das Gras laufen und würden sich dabei oft nasse Schuhe und Füße holen. Wir haben die Stadt gefragt, ob man da nicht einen kleinen Weg neu schottern könnte. Das geht aber angeblich nicht“, sagt eine der Frauen.
Um auf den Weg Richtung Stadt zu kommen, gehen wir mitsamt Kinderwagen ein Stück auf der Max-Planck-Straße entlang. Der Bürgersteig ist so schmal, dass gerade eine Katze darauf laufen könnte.
Verglichen dazu, ist der Weg richtig breit. Noch breiter könnte er sein, wäre er nicht an beiden Seiten zugewachsen. Dornige Zweige hängen in Kopfhöhe. Die Rampen, sagen die Mütter, sind zu steil für Kinderwagen. Und selbst wer sie bewältigt, scheitert spätestens an der nächsten Herausforderung: Der Weg „versandet“ nämlich und mutiert zu einer Schotterpiste. „Jeder hier fragt sich, wozu dieser Weg gut sein soll“, sagt eine der Frauen und moniert: „Im Bebauungsplan sieht das ganz anders aus“.
„Wir wissen ja, dass wir hier nicht über Peanuts reden und haben auch immer wieder den Kontakt zur Stadt gesucht – bereits vor Baubeginn“, betonen die Mütter. Dabei ging es unter anderem um eine gesicherte Querung der Kasernenstraße sowie eine Mittelinsel, die in die Straße zur Verkehrsberuhigung und zum Zwischenhalt „eingebaut“ werden solle. Vor einem Jahr sei auch die Bürgermeisterin dagewesen und habe sich alles angeschaut. Passiert sei nichts.
„Einmal verweist man uns auf den Förderantrag, der in Stuttgart liege, und das Risiko für die Stadt, auf den Kosten sitzenzubleiben. Ein anderes Mal ist Corona schuld. Und dann hieß es auch mal lapidar, dass wir doch gewusst hätten, dass wir in ein Mischgebiet ziehen. Wir haben alle viel Geld bezahlt, um hier zu bauen. Uns wurde eine Baupflicht innerhalb zwei Jahren auferlegt, die wir alle erfüllt haben. Und eine ,fette’ Bauordnung schrieb uns zum Beispiel vor, wie viele Bäume wir zu pflanzen haben“, macht eine der Mütter ihrem Ärger Luft.
Die anderen pflichten ihr bei: „Wie kann ein Baugebiet zum Bau freigegeben werden, wenn die laut Baurecht vorgeschriebenen Positionen wie der sichere Schulweg nicht gegeben waren und es bis heute immer noch nicht sind?“
Die dritte im Bunde meint: „Wir hatten solch große Hoffnungen und fordern auch nichts Utopisches. Was wir wollen, sind zumindest vorübergehende Übergangslösungen, zum Beispiel ein Ortsschild, das versetzt wird, oder Baustellenbeleuchtungen – Zeichen vonseiten der Stadt, dass man uns hier oben nicht vergessen hat.“
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Laurentiusberg: Ein Schulweg, der keiner ist