Impfingen. Rund 20 Menschen leben und arbeiten auf den Höfen in der Impfinger Hohenstraße. Der jüngste von ihnen wurde gerade drei, die älteste Anwohnerin ist 87 Jahre alt.
Bereits am 29. Januar 2018 hatten die Familien bei der Stadt einen „Antrag auf Straßenbeleuchtung“ eingereicht.
Darin verweisen sie auf das Ende der Beleuchtung an der Einmündung zum Kirchenbergring und betonen, dass die restliche Strecke der Hohenstraße bis zu den vier Aussiedlerhöfen unbeleuchtet sei. Sie schrieben damals: „Auch bei uns wohnen schulpflichtige Kinder, die diese Strecke täglich bis zur Bushaltestelle zurücklegen müssen – vor allem in der dunklen Jahreszeit morgens oder auch abends nach einem langen Schultag mit Taschenlampen.“
Volker Werr erinnert sich im Gespräch mit den FN an seine eigene Kindheit oben auf dem Berg: „Vor lauter Angst vor der Finsternis bin ich auf dem dunklen Abschnitt der Straße immer gerannt.“ Hubert Rudolf pflichtet ihm bei: „Wenn es möglich war, haben wir Kinder uns immer getroffen, um zusammen zu laufen.“
Ute Werr erzählt: „Wenn es glatt war und ich die Kinder nicht mit dem Auto in den Kindergarten oder in die Grundschule fahren konnte, habe ich sie immer mit der Taschenlampe bis zur ersten Straßenlaterne begleitet und bin alleine zu unserem Hof zurückgekehrt. Wenn es überall knistert und raschelt, bekommt man es wirklich mit der Angst zu tun.“
In ihrem Antrag schrieben die Unterzeichner damals weiter: „Für einen sicheren Schulweg gibt es unserer Meinung nach keine Alternative zur einer guten Ausleuchtung von Straßen. Eine kinder- und bürgerfreundliche Stadt sollte hier umgehend handeln und nicht jeden Tag das Glück herausfordern.“
Gefährliche Situationen
Den Familien von den Aussiedlerhöfen geht es nämlich nicht nur um ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die der anderen Impfinger Bürger. Deshalb führten sie in ihrem Schreiben an die Stadt außerdem an: „Durch die mehrmalige Erweiterung des Neubaugebietes wird die Hohenstaße zwischenzeitlich von Spaziergängern, Hundehaltern, Walkern und Familien mit Kinderwagen sehr stark frequentiert. Dadurch ist es in der Dunkelheit schon oft zu sehr gefährlichen Situationen gekommen, da man diese Personen auf dunkler Straße nicht oder erst sehr spät erkennt.“ Volker Werr erwähnt die wachsende Zahl an Hundehaltern, von denen viele mit dem Auto den Berg hochfahren, um ihre Vierbeiner dann dort frei laufen zu lassen.
Zudem verstehen die Familien nicht, warum in den zuletzt erschlossenen Baugebieten bereits die Straßenlampen in Betrieb waren, obwohl dort noch gar niemand lebte. Sebastian Bundschuh spricht von einem dreiviertel Jahr, in dem die Laternen vor dem Einzug der ersten Bewohner bereits leuchteten.
„Für uns“, so schließt ihr damaliges Schreiben, „ist es nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen wir keine Straßenbeleuchtung erhalten sollten. Die Versorgungsleitungen für die Beleuchtung wurden nach unserem Kenntnisstand bereits vor einigen Jahren entlang der Hohenstraße in den Boden eingebracht.“
Im FN-Gespräch beteuern die Bewohner, dass sie auch mit ausgemusterten Lampen zufrieden wären – „Hauptsache, wir haben Licht“. Doch es herrscht nach wie vor Dunkelheit, die im Winter schon um zirka 17 Uhr beginnt. Im Schriftverkehr mit den Antragstellern beruft sich die Stadt unter anderem auf das Straßengesetz Baden-Württemberg. In Paragraf 41 Absatz 1 sei beschrieben, dass die Beleuchtungspflicht im Rahmen des Zumutbaren innerhalb geschlossener Ortslagen gilt. „Daraus“, so heißt es in der Mail der Stadt wörtlich, „lässt sich ableiten, dass es keine Pflicht für den genannten Bereich gibt.“
Der Vorschlag der Familien, dort ausgediente Lampen aufzustellen, wurde ebenfalls abgelehnt, genauso wie auch ein Ortstermin mit Bürgermeisterin Anette Schmidt. „Diese Angelegenheit wird nicht weiter verfolgt“, hieß es abschließend, nachdem die Familien noch mehrmals nachgehakt hatten.
Doch die Anwohner beschäftigt das Thema nach wie vor. Inzwischen fühlen sie sich als Bürger zweiter Klasse. Aber wessen Bürger sind sie eigentlich? Das Ortsausgangsschild befindet sich nämlich viel weiter unten in der Hohenstraße. Wer diese Straße bergaufwärts weiter fährt, befindet sich quasi im „Niemandsland“.
„Kein Recht auf Beleuchtung“
„Von der Stadtverwaltung Tauberbischofsheim bekam ich am Telefon ebenfalls gesagt, dass wir nicht innerhalb einer geschlossenen Ortslage leben und somit gar nicht in Impfingen wohnen. Somit hätten wir auch kein Recht auf eine Straßenbeleuchtung“, berichtet Hubert Rudolf den FN.
„Doch wenn wir nicht zu Impfingen gehören, wohin gehören wir dann? Und warum zahlen wir dann überhaupt Steuern?“, scherzt er. Sebastian Bundschuh wirft ein, dass es in Impfingen auch keine Hinweisschilder zu den Aussiedlerhöfen gebe, wie das in anderen Ortschaften üblich sei.
Doch ihre Hauptsorgen gilt weiter den Gefahren durch die Dunkelheit. Volker Werr verweist gegenüber den FN auf die 16-prozentige Steigung der Hohenstraße und die scharfe, unübersichtliche Kurve an seinem Hof.
Ida Bundschuh, die mit ihrem Rollator zum FN-Gespräch gekommen war, findet, dass etliche Autofahrer dort oben viel zu schnell unterwegs seien, eben weil sie sich außerhalb der Ortschaft wähnen. Ute Werr meint: „Wenn hier geblitzt werden würde, wären einige ihren Führerschein los.“ Daniela Bundschuh zeigt auf ihrem Handy Bilder vom letzten Winter. Darauf sieht man Lichter in einer rabenschwarzen Nacht. „Wir haben Kerzen und Leuchten aufgestellt, damit man uns überhaupt findet“, erklärt sie. Ute Werr gesteht frank und frei: „Ich habe nachts Angst. Hier oben ist es einfach stockdunkel.“
Die Stadt Tauberbischofsheim bleibt bei ihrer Haltung. „Die Familien haben sich für einen Wohnsitz auf den Aussiedlerhöfen entschieden. Damit wohnen sie außerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Eine Beleuchtungspflicht zwischen Ort und Aussiedlerhöfen ist nicht gegeben“, antwortete die Pressesprecherin der Stadt, Helga Hepp, auf FN-Anfrage.
Auch in Sachen Reaktivierung alter Lampen macht sie den Familien keine Hoffnung: „Bis 2030 müssen alle bestehenden Lampen insektenfreundlich sein, neu errichtete Lampen müssen schon jetzt die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.“ Die ausgemusterten Lampen entsprächen nicht diesem Standard, hieß es von Seiten der Stadt, die in diesem Zusammenhang auch auf den Paragraf 21 des Landesnaturschutzgesetzes verweist: „Eingriffe in die Insektenfauna durch künstliche Beleuchtung im Außenbereich sind zu vermeiden. Beim Aufstellen von Beleuchtungsanlagen im Außenbereich müssen die Auswirkungen auf die Insektenfauna, insbesondere deren Beeinträchtigung und Schädigung, überprüft und die Ziele des Artenschutzes berücksichtigt werden.“
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