Odenwald-Tauber/Walldürn. Karl Lauterbach kann sich warm ziehen, denn ihm weht der gesundheitspolitische Gegenwind eiskalt ins Gesicht. Zunächst die Krankenhäuser, dann die Ärzteschaft, jetzt das Apothekenwesen – der Minister sieht sich wegen seines Tuns, das für viele Experten in eine völlig falsche Richtung führt, massiver Kritik ausgesetzt.
Vergangene Woche erst ließen mehr als 5000 Apotheker und Pharmazeutisch-Technische Angestellte auf dem Stuttgarter Schlossplatz für die gesamte Branche in Bayern und Baden-Württemberg ihrem Unmut im Rahmen einer Kundgebung lautstark freien Lauf – und zeigten dem SPD-Politiker die rote Karte (wir berichteten).
Zahlreich waren auch die Standesvertreter aus der Region Odenwald-Tauber in der Landeshauptstadt dabei, um – ausgestattet mit Trillerpfeifen und Protestplakaten – zu zeigen, dass es so nicht mehr weitergehen kann, weil sich ansonsten der Trend der Filialschließungen ungebremst fortsetzt, was vor allem für den ländlichen Raum fatale Folgen haben wird.
Jan Reuter, Inhaber der Cetral-Apotheke in Walldürn, hat die Nase gestrichen voll. Er will das Heft des Handelns nun selbst mit in die Hand nehmen und wird sich im Landes-Apotheker-Verband (LAV) an vorderster Front engagieren. „Ich bin jetzt als Beirat gewählt und unterstütze den LAV durch das Netzwerk, das ich habe, weil es wichtig ist, die kleinen Punkte miteinander zu verbinden und jeden Tag zu zeigen, dass die Apotheken zur kritischen Infrastruktur gehören“, äußert sich Reuter im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Jeder Bürger profitiere davon, wie die Pandemie gezeigt habe. Und genau diese Botschaft müsse fortan lauter und deutlicher kommuniziert werden. „Denn wenn wir dies nicht tun, ist es eine nicht erbrachte Leistung. Und dann wird es auch nicht von der Politik gewürdigt.“
Weiterhin trete er für eine Beschleunigung der Digitalisierung ein, ebenso für eine Anpassung des Honorars, was seit über 20 Jahren nicht mehr geschehen sei, macht der Apotheker weiter klar. „Jeden Tag sterben zwei Apotheken und das beschleunigt sich, wenn nichts getan wird. Ich möchte aktiv dazu beitragen, dies irgendwie zu verhindern.“
Apotheken auf dem flachen Land seien ein Treffpunkt für Gesundheit und guten Austausch, was überhaupt nicht mehr honoriert werde. Und wenn dieses Netz weiter ausgedünnt wird, habe dies für Mitarbeiter und Bevölkerung gleichermaßen gravierende folgen, lässt Jan Reuter weiter wissen. „Wenn das alles wegfällt, dann ist zappenduster.“
Für die politische Arbeit von Karl Lauterbach findet Reuter deutliche Worte: „Sie ist ungenügend, respektlos, wenig wertschätzend, total an der Sache vorbei und gegen den Patienten.“
Reuters Mosbacher Kollege Nicolai Waschitschek von der Ratsapotheke bezeichnet das Tun des Gesundheitsministers als „zum Vergessen“. Karl Lauterbach „macht uns kaputt, wenn er das durchbringt, was er geplant hat“. Es gelte für alle, die Apotheken tatkräftig zu unterstützen, sonst drohten in der Region Odenwald-Tauber „echte Probleme bei der Versorgung“. Außerdem kritisiert Waschiatschek, dass es unter den aktuellen Bedingungen immer schwieriger werde, die Angestellten entsprechend zu bezahlen und keine neuen Mitarbeiter einzustellen, „wenn wir sie denn kriegen“.
Joel van Dorp von der Marien-Apotheke in Bad Mergentheim wirft Karl Lauterbach vor, dass „nichts getan wird“. Seine „absurden Ideen“ ließen den Schluss zu, dass er in einer „Blackbox“ sitze. Und der erste Gedanke, der ihm beim Brainstorming einfalle, den „schießt er mal raus in die Allgemeinheit“. Hierbei werde allerdings überhaupt nicht reflektiert, ob dies einen Mehrwert bringe. Der Minister komme ja gar nicht auf die Idee, „mit Leuten, die wirklich Ahnung haben, über alles zu sprechen“.
Anstatt mit den ganzen Leistungserbringern im Gesundheitssystem wie Apotheken, Ärzten zu reden, „spricht Karl Lauterbach über uns“, moniert auch Julia van Dorp. Jene Ideen, die er an den Tag lege, „lösen nicht die Sorgen“, weil er überhaupt nicht wisse, wie die ganzen Probleme gelagert seien. „Es ist ein Unding, dass er versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. All seine Lösungsvorschläge, die er äußert, werden die Situation nicht verbessern, sondern langfristig verschlechtern“.
Der Zusammenhalt in der Brache stimme etwas optimistisch, „aber nicht in Bezug auf die Person Lauterbach“, sagt Seniorchef Hans-Peter van Dorp. „Da scheinen Hopfen und Malz verloren. Der Mann muss weg.“ Bei anderen Politikern von CDU und FDP gebe es allerdings Unterstützung für die Forderungen der Apotheker, „Und auch in der SPD gibt es mittlerweile vernünftige Leute, die einsehen, dass es so nicht mehr weitergeht.“
Sylvia Begemann aus Igersheim (Möhler-Apotheke) macht sich auch so ihre Gedanken. Für sie sei es deshalb selbstverständlich, den Mund aufzumachen, um für Veränderungen einzutreten – und zwar rasch und zeitnah. Sie setze sich für die Belange der gesamten Branche gerne ein, „weil wir für die Apotheke vor Ort kämpfen, für eine faire Honorierung der Mitarbeiter und für uns selbst“. Außerdem engagiere sie sich, um endlich den Lieferengpässen erfolgreich und nachhaltig zu begegnen und „damit unsere Arbeit wieder gewürdigt wird“.
Wie bisher, so kann „es finanziell für unser Team nicht mehr weitergehen“, sagt auch Apotheker Benjamin Schäfer, der mit Filialen in Kreuzwertheim und Wertheim vertreten ist. Die Personalkosten seien in den letzten 20 Jahren um mehr als 50 Prozent nach oben gegangen, hinzu käme darüber hinaus die stark gestiegene Inflation. Beim Honorar liege das Niveau aber noch auf dem von vor zwei Jahrzehnten. „Und wir stehen dafür ein, dass wir finanziell für die Zukunft auf sichere Beine gestellt werden.“
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