Handwerkskammer Heilbronn-Franken - Wechsel an der Spitze

Main-Tauber-Kreis: „Wir fahren die Wirtschaft an die Wand“

Nach 17 Jahren als Präsident der Handwerkskammer Heilbronn-Franken macht Uli Bopp nun Platz für seinen Nachfolger. Wie er auf die vergangenen Jahre zurückblickt - und warum er mit großer Sorge auf das Handwerk schaut.

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Klaus T. Mende
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Nach 17 Jahre an der Spitze der Handwerkskammer Heilbronn-Franken, zu der auch der Main-Tauber-Kreis gehört, gibt Uli Bopp das Steuerrad aus der Hand. © Klaus T. Mende

Main-Tauber-Kreis/Widdern. Der Lotse geht von Bord – verschwindet aber keinesfalls ganz von der Bildfläche: Nach rund 17 Jahren als Präsident der Handwerkskammer Heilbronn-Franken tritt Uli Bopp jetzt ins zweite Glied – um Platz zu machen für seinen Nachfolger Ralf Rothenburger. „Aufhören sollte man, wenn es am schönsten ist“, sagt der 65-Jährige im Gespräch mit dem FN-Reporter. Und dieser Moment sei jetzt gekommen.

Neue Zeitrechnung beginnt

Gewissermaßen beginne für ihn nun komplett eine neue Zeitrechnung. Denn aufgrund eines fehlenden Firmennachfolgers sei inzwischen auch das Bauunternehmen Bopp in Widdern erfolgreich abgewickelt worden, womit eine knapp 120-jährige Familientradition zu Ende gehe. „Doch langweilig wird es mir bestimmt nicht – ich habe noch genug zu tun.“

„Ich bin mit mir vollkommen im Reinen“, sagt Bopp. Wenn etwas nicht mehr funktioniere, gelte es, die Reißleine zu ziehen, anstatt zu jammern, und auf die für alle bestmögliche Lösung hinzuarbeiten. Und das sei in seinem Fall gelungen – sämtliche bisherigen Mitarbeiter hätten einen neuen Job gefunden. Und er, so der passionierte Handwerker, können sich neuen Aufgaben widmen – und Selbige gebe es zur Genüge.

Seine Präsidentschaft beendet Uli Bopp „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Er könne guten Gewissens und zufrieden von sich sagen, „die Zeit genossen und die gesteckten Ziele erreicht zu haben“ – in der Region, aber auch auf Landes- und Bundesebene.

Netzwerker durch und durch

Der 65-Jährige, übrigens ein Netzwerker durch und durch, ist niemand, der sich selbst in den Fokus rückt. „Mein Ziel war, weg vom Denken einer Behörde und hin zum Dienstleistungszentrum, zu dem sich die Handwerkskammer schnell entwickelt hat. Und mir war immer wichtig, dass unsere Mitgliedsbetriebe im Mittelpunkt stehen.“ Und weiter: „Unsere Mitglieder wissen: Ich bin einer von ihnen. Ich habe in meinen eigenen Betrieben, im Verwandten- und Freundeskreis, aber auch in der Kammer als Präsident immer wieder darauf hingewiesen: Wenn ihr merkt, dass ich irgendwie abhebe, gebt mir Bescheid. Aber bis heute hat sich keiner gemeldet, also scheint es mir gelungen zu sein.“

Wenn Uli Bopp jetzt den Staffelstab an der Spitze der HWK an seinen Nachfolger übergibt, geschieht das in dem Wissen, dem „Neuen“ ein gut bestelltes Feld zu überlassen – trotz der schwierigen Situation, in der sich viele Bereiche des Handwerks gegenwärtig befinden. „Loslassen sollte mir nicht (mehr) schwerfallen. So wie ich zu all meinen Jobs und Ämtern Ja gesagt habe, kann ich das jetzt auch mal zu meiner Frau“, schmunzelt der Schwabe. „Wir freuen uns, mehr Freizeit gemeinsam mit Familie und Freunden zu verbringen, mal spontan Urlaub zu machen und die Zeit zu genießen.“

Hierzu trage auch die Abwicklung des Familienunternehmens bei – aufgrund fehlender Betriebsnachfolge. „Ab da werde ich endlich mal nur noch an fünf Tagen mit je acht Stunden pro Woche arbeiten – und nehme samstags meine Work-Life-Balance“, lacht der Maurermeister. „Nein – im Ernst: Ich habe ja noch ein paar Ehrenämter und werde mit meiner Frau weiterhin schlüsselfertiges Bauen und Renovieren anbieten“.

Uli Bopp: Kein Nachfolger für Betrieb gefunden 

Uli Bopp bedauert es dennoch, schlussendlich niemand gefunden zu haben, der das Traditionsunternehmen fortführt. „Meine Hoffnung lag lange auf drei Brüdern, die ich nach und nach im Betrieb aufgebaut habe. Sie habe ich gefördert, die Weiterbildung zum Polier und Meister ermöglicht. Aber dann sprang zunächst der Erste ab und sagte, er könne aus familiären Gründen nicht selbständig werden.“ Danach sei der zweite Bruder gekommen, er habe auf Dauer nicht seinen damaligen Wohnort verlassen wollen. Und der Dritte habe nicht mehr ohne die anderen beiden aktiv werden wollen. „Das ist leider kennzeichnend für unsere Situation im Bezug auf Betriebsübernahmen.“

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Und dann wird der Widderner gleichermaßen nachdenklich und kritisch: „Viele haben Angst vor dem unternehmerischen Risiko und der Verantwortung, wollen mehr Freizeit und werden von unserem Bürokratismus abschreckt. Sie haben Freunde und Kollegen, die bei geregelten Arbeitszeiten bestens verdienen. Warum also selbständig sein?“ Das Fachkräfteproblem im Handwerk habe auch damit zu tun, dass die Deutschen übersättigt seien, und viele Eltern meinten, dass es ihre Kids einmal besser hätten, wenn sie Akademiker werden würden.

Uli Bopp: "Wir fahren unsere Wirtschaft an die Wand"

„Wenn Sie Handwerker aus Osteuropa sehen – sie packen an, sie wollen was aufbauen und sich möglich schnell selbständig machen“, so Bopp weiter. Und sie würden viele hierzulande überholen. Was manche erst noch begreifen müssten: „Vom Nichtstun werden wir unseren Wohlstand nicht halten können. Wir fahren im Moment unsere Wirtschaft mit sehr hohem Tempo an die Wand.“

Handwerk macht Sorgen: "Viele Betriebe werden in Insolvenz gehen"

Die aktuelle Lage im Handwerk sieht Bopp indes mit großer Sorge. „Ich glaube nicht, dass die Talsohle bereits erreicht ist. Es werden noch zahlreiche Betriebe in die Insolvenz gehen“, ist er überzeugt. Ein Stück weit müssten sich etwa die Bauhandwerker an die eigene Nase fassen. Die Preissteigerungen hätten inzwischen eine Eigendynamik angenommen, die nicht mehr hinterfragt werde. Umsatzwachstum sei nicht alles – meist sei weniger mehr. Es gehe doch darum, was unterm Strich erwirtschaftet werde. „Aber das sehen viele Handwerker nicht, weil ihnen die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse fehlen und sie irgendwann den Überblick verlieren.“ Viele Firmen seien in die Insolvenz geraten oder gar Konkurs gegangen. „Deswegen rate ich jüngeren Kollegen mit eigenem Betrieb, nicht unbedingt zu wachsen und vor allem betriebswirtschaftlich zu handeln.“

Die Zeit des „goldenen Handwerks“ sei zunächst einmal vorbei. Und was habe ihn seinerzeit angetrieben? „Sie werden lachen: Ich hatte mir als Unternehmer ein klares Ziel gesetzt – mit 40 wollte ich meinen ersten Porsche fahren. Das habe ich erreicht.“

Für seinen neuen Lebensabschnitt erhofft sich der Maurermeister, dass er gesund bleibe, mit seiner Frau viel Zeit verbringen könne– „und ich werde neben meinem Auto sicher auch viel Rad fahren. Oder Golfen? Bis jetzt hatte ich keine Zeit, groß über Hobbys nachzudenken.“ Nochmals macht Uli Bopp klar: In ein Loch fallen werde ich nicht. Ich bin nach wie vor Unternehmer mit Leib uns Seele – und daran wird wohl auch der Ruhestand nicht mehr viel ändern.“

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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