Tauberbischofsheim. Paukenschlag am Dienstag: Die Gemeinderatswahl in Tauberbischofsheim von 2019 ist ungültig. Auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim gab der Klage einer Bürgerin recht, die gegen die Wahl Einspruch erhoben hatte.
Wie schon in erster Instanz kam das Urteil des VGH für Stadt und Landkreis am Dienstag völlig überraschend. Sowohl was den Zeitpunkt anging, vor allem aber mit Blick auf das folgenschwere Ergebnis. Denn das Land (vertreten durch den Kreis) ist damit verpflichtet, die Wahl der amtierenden Gemeinderäte der Kreisstadt für unwirksam zu erklären.
Die Berufungen, die Main-Tauber-Kreis und Stadt im September 2021 gegen das Urteil der Vorinstanz eingelegt hatten (die FN berichteten), wurden damit zurückgewiesen, wie der Verwaltungsgerichtshof weiter mitteilte. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
„Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist erst im Laufe des Tages im Landratsamt eingetroffen. Die Kommunalaufsicht wird dieses nun zunächst intensiv prüfen“, schrieb die Pressestelle des Landratsamts in einer ersten Stellungnahme am späten Dienstagnachmittag.
Weiter hieß es: „Zunächst muss nun entschieden werden, ob nochmals Rechtsmittel eingelegt werden sollen – konkret eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht.“
Und andernfalls? „Für den Fall, dass das Landratsamt keine Rechtsmittel einlegt, müsste es die Gemeinderatswahl in Tauberbischofsheim vom 26. Mai 2019 – nach Eintreten der Rechtskraft der Urteils – für ungültig erklären und eine Neuwahl nur für den verbleibenden Zeitraum der Wahlperiode anordnen. Der Gemeinderat würde so lange geschäftsführend im Amt bleiben, bis ein neues Gremium gewählt ist.“ Eine Neuwahl ist also nicht unwahrscheinlich. Im Vorfeld müsse die Stadt Tauberbischofsheim allerdings ihre Hauptsatzung hinsichtlich der Bestimmungen zur Unechten Teilortswahl überarbeiten, so ein Sprecher des Landratsamts.
In einer Art Schockstarre befand man sich offenbar auch bei der Stadtverwaltung in Tauberbischofsheim. Die FN erhielten am Dienstag aus dem Rathaus nur folgende kurze Stellungnahme: „Das Urteil des VGH Mannheim ist erst am heutigen Nachmittag bei der Stadt Tauberbischofsheim eingegangen. Wir werden zunächst das Urteil sorgfältig prüfen und uns mit allen Beteiligten abstimmen. Wir bitten um Verständnis, dass weder eine interne Abstimmung im Hause noch mit unserem Anwalt, dem Gemeinderat oder dem Main-Tauber-Kreis, der für das Land Baden-Württemberg ebenfalls Berufung eingelegt hatte, erfolgen konnte. Zunächst bleibt insbesondere abzuwarten, ob nochmals Rechtsmittel einzulegen sind oder das Urteil Rechtskraft erlangt.“
Rückblick: Die Klägerin hatte bereits am 10. Juni 2019 Einspruch gegen das Ergebnis der Gemeinderatswahl eingelegt. Zunächst beim Landratsamt. Nachdem dieser zurückgewiesen worden war, legte die Frau vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Klage ein. In ihrer Wahlanfechtung nannte die Bürgerin verschiedene Gründe für ihr Vorgehen, darunter die nach ihrer Auffassung nicht ausreichende Repräsentation des Stadtteils Impfingen.
Mehr als zwei Jahre danach verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landratsamt Main-Tauber-Kreis, dazu, die Zurückweisung des Einspruchs aufzuheben und die Gemeinderatswahl für ungültig zu erklären. Das Gericht folgte damit der Auffassung der Klägerin, dass die vorliegende Sitzverteilung im Rahmen der Unechten Teilortswahl aufgrund der Hauptsatzung der Stadt Tauberbischofsheim zu einer unzureichenden Berücksichtigung der Stimme der Klägerin führen könnte. Ein Verstoß gegen Paragraf 27 Abs. 2 Satz 4 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Dieser Paragraf führt aus, dass bei der Bestimmung der auf die einzelnen Wohnbezirke entfallenden Anzahl der Sitze die örtlichen Verhältnisse und der Bevölkerungsanteil zu berücksichtigen sind.
Das Landratsamt legte daraufhin Berufung ein. Man halte die Wahl weiterhin eindeutig für gültig, hieß es. „Nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage ist aus Sicht des Landratsamts kein Wahlfehler erkennbar. Vielmehr wurden die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und von der Stadt Tauberbischofsheim beachtet und richtig umgesetzt. Hierbei hat die Stadt die Eingliederungsvereinbarungen, den Bevölkerungsanteil und die infrastrukturelle Entwicklung der Ortsteile hinreichend gewürdigt und sachgerecht abgewogen“, sagte Erster Landesbeamter Florian Busch in einem FN-Interview im Oktober. Doch der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim folgte nicht der Auffassung von Kreis und Kommune. Die Entscheidung vom Dienstag ist eindeutig, die Begründung der Richter ebenfalls.
„Keine ausreichende Begründung“
„Im vorliegenden Fall haben weder das beklagte Land noch die beigeladene Stadt Tauberbischofsheim ausreichend dargelegt, wieso im Stadtteil Impfingen eine gemessen am Bevölkerungsanteil bestehende Unterrepräsentation von rund 38 Prozent gerechtfertigt wäre, wohingegen der viel kleinere Teilort Dienstadt gemessen am Bevölkerungsanteil zu etwa 57 Prozent überrepräsentiert ist“, so das Gericht.
Die ursprünglich in den 1970er Jahren geschlossenen Eingliederungsvereinbarungen der Stadt Tauberbischofsheim mit den sechs Teilorten, die diesen jeweils einen Sitz im Gemeinderat garantierten, könnten seit der Neuregelung der Sitzverteilung 1999 nicht mehr herangezogen werden, da diese Eingliederungsvereinbarungen mit der Änderung der Hauptsatzung 1999 ihre Verbindlichkeit verloren hätten.
„Auch der Verweis auf die gestiegene Bedeutung der Kernstadt Tauberbischofsheim als Schul- und Gewerbestandort liefert keine ausreichende Begründung für die untereinander stark differierenden Repräsentationsquoten der Teilorte“, heißt es abschließend.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Gemeinderatswahl in Tauberbischofsheim: Endgültig ungültig?