Tauberbischofsheim. Die Anfechtung der Tauberbischofsheimer Gemeinderatswahl von 2019 durch eine Bürgerin aus dem Stadtteil Impfingen hatte in erster Instanz Erfolg. Das Verwaltungsgericht Stuttgart sieht deren Klage als begründet an – allerdings nicht in allen Punkten.
„Die Klägerin ist vorliegend nur insoweit einspruchsbefugt, als sie die Verletzung in ihren eigenen Rechten geltend macht“, heißt es im Urteil (AZ: 7 K 5004/19), das unserer Redaktion in vollem Wortlaut (jedoch anonymisiert) vorliegt.
Stichwort Unechte Teilortswahl
- Die Unechte Teilortswahl ist wohl der komplizierteste und gleichzeitig umstrittenste Teil des kommunalen Wahlrechts in Baden-Württemberg. Sie wurde eingeführt, um die Vertretung der Interessen der Bürger in Stadt- oder Gemeindeteilen zu berücksichtigen.
- Die Gemeindeordnung gibt Gemeinden die Möglichkeit, durch Hauptsatzung die Unechte Teilortswahl einzuführen: Dabei erhalten einzelne oder mehrere Teilorte („Wohnbezirke” genannt) eine vorher nach ihrer Einwohnerzahl festgelegte Anzahl von Sitzen im Gemeinderat garantiert.
- Entsprechend sind die Listen nach Wohnbezirken getrennt aufzustellen, damit jeder Wähler weiß, welche Kandidaten für seinen Wohnbezirk kandidieren.
- „Unecht” heißt dieses Verfahren im Gegenstaz zu einer „echten Teilortswahl” deshalb, weil jeder Wähler seine Stimmen nicht nur an die Kandidaten seines Wohnbezirks vergeben, sondern auf die aller Wohnbezirke verteilen kann.
- Trotz der Kompliziertheit der Unechten Teilortswahl können Gemeinden, die diese z.B. erst im Rahmen von Eingemeindungsverträgen in den 60er und 70er Jahren in die Hauptsatzung aufgenommen haben, sie nicht ohne Weiteres wieder abschaffen.
- § 27 Abs. 6 GemO bestimmt nämlich, dass Gemeinden, die die Unechte Teilortswahl auf Grund einer Vereinbarung im Rahmen der freiwilligen oder gesetzlichen Gemeindereform auf unbestimmte Zeit eingeführt haben, diese frühestens zur übernächsten regelmäßigen Wahl der Gemeinderäte nach der erstmaligen Einführung der Unechten Teilortswahl wieder abschaffen können. (Quelle: LpB)
„Soweit sich die Klägerin gegen die Sitzverteilung innerhalb der Hauptsatzung der Beigeladenen (Stadt Tauberbischofsheim, Anmerkung der Redaktion) wendet, liegen die formellen Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung vor“, hieß es aus Stuttgart.
Begründet hatte die Frau dies laut Gericht folgendermaßen: Das Konzept der Unechten Teilortswahl sei verfassungswidrig, wodurch sie in ihren eigenen Rechten verletzt werde. So entsende jede der Ortschaften einen Vertreter in den Gemeinderat, obwohl bei den Einwohnerzahlen erhebliche Unterschiede bestünden. Hinzu komme, dass die Kernstadt etwa sieben Mal mehr Einwohner als der Stadtteil Impfingen habe, aber mit zwölf Vertretern im Gemeinderat vertreten sei. Somit wiege eine Stimme aus Impfingen nicht gleich viel wie die Stimme der kleineren Ortschaften oder der Kernstadt. Dies sei undemokratisch und verstoße gegen das Grundgesetz (Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1).
Eine Verletzung der Rechte der Klägerin als Wählerin kommt aus Sicht des Verwaltungsgerichts deshalb in Betracht, da sie geltend macht, die Sitzverteilung im Rahmen der Unechten Teilortswahl in Tauberbischofsheim sei unzulässig, weil der Stadtteil, in dem sie lebe, nicht ausreichend repräsentiert werde.
„Obwohl die Unechte Teilortswahl grundsätzlich verfassungsgemäß ist, könnte die vorliegende Sitzverteilung aufgrund der Hauptsatzung der Beigeladenen zu einer unzureichenden Berücksichtigung der Stimme der Klägerin führen“, so das Gericht. Der Einwohner eines Stadtteils habe aber ein Recht auf eine dem Gesetz entsprechende Repräsentation seines Stadtteils im Gemeinderat. Die von der Klägerin vorgetragene Unterrepräsentation des Stadtteils Impfingen führe letztlich zu einem Wahlfehler, der nach sich ziehe, die Gemeinderatswahl für ungültig zu erklären.
Abgewiesen wurden unterdessen die weiteren Einspruchsgründe der Klägerin, da es dort nicht zu einer Verletzung in ihren eigenen Rechten gekommen sei. Ein Einspruch sei unter diesen Voraussetzungen nur dann zulässig, wenn ihm ein Prozent der Wahlberechtigten (mindestens 100 Wahlberechtigte) beitreten.
Die Klägerin hatte ausgeführt, dass „sämtliche Wahlvorschläge gesetzeswidrig vom Wahlausschuss für zulässig erklärt worden seien“. Sie sehe sich in ihrem Recht als Wählerin auf gleichberechtigte Repräsentation von Männern und Frauen im Gemeinderat verletzt, denn im Gremium würden nur zwei der 18 Sitze von Frauen eingenommen. Außerdem erfahre sie als „Zugezogene“ eine indirekte Einschränkung bei der Aufstellung eines neuen, eigenen Wahlvorschlags sowie ihrer eigenen Wählbarkeit. Sie habe in Erwägung gezogen, für die Gemeinderatswahlen einen eigenen Wahlvorschlag aufzustellen, dann aber davon abgesehen. Die Systematik diskriminiere sie in ihrer praktischen Wählbarkeit. Schließlich seien die amtlichen Stimmzettel unverständlich. Obwohl sie Akademikerin sei und den Stimmzettel gewissenhaft ausgefüllt habe, sei ihre Stimmabgabe falsch und somit teilungültig gewesen.
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