Erlenbach. Erlenbach. „Wir liegen am Ende der Welt“, sagt Johannes Schimscha, Mitgeschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens. Denn die Firma befindet sich in Ravenstein-Erlenbach, einem Dorf mit 341 Einwohnern. Wer von Buchen aus mit dem ÖPNV dorthin fahren will, braucht im günstigsten Fall rund eine Stunde, im ungünstigsten fast zwei Stunden. Und wer mit dem Auto den Weg durch das hügelige Bauland nimmt, muss kurz vor Ortsbeginn die Landstraße verlassen. Ein geteerter, einspuriger Wirtschaftsweg führt zu dem mit 130 Mitarbeitern größten Arbeitgeber der Stadt Ravenstein. Der Standort in dem Dorf bietet eigentlich nur drei Vorteile: Platz und günstige Grundstückspreise sowie die Nähe zur Autobahn 81, über die man schnell Zentren wie Würzburg, Heilbronn und Stuttgart erreicht.
Drei Brüder führen die Firma
Dass ein Unternehmen seit über 75 Jahren in einem Dorf zu solch beachtlicher Größe gewachsen ist, ist nicht die einzige Besonderheit. Drei Brüder führen die Firma: Thomas (57 Jahre), Johannes (55) und Michael (53). Und vier Kinder von ihnen sind dabei, die Nachfolge in fünfter Generation anzutreten. „Alles ohne Zwang“, betont Michael Schimscha. Drei der potenziellen Nachfolger haben sich zum Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten eingefunden: Katrin, (25, Tochter von Michael), ist Betriebswirtin und arbeitet sich zurzeit in die administrativen Prozesse des Unternehmens ein. Sie ist unter anderem für das Marketing von Schimscha verantwortlich. Jan (22, bald 23, Sohn von Johannes) absolvierte eine Ausbildung zum Mechatroniker in Bad Mergentheim. Zurzeit arbeitet er bei Schimscha als Maschinenbediener in der Produktion. Er will im nächsten Jahr die Meisterschule besuchen. Lilli-Sophie (19, Tochter von Johannes) studiert Personalmanagement in Stuttgart. Dominik (24, Sohn von Michael) fehlt in der Runde. Er absolviert bei der Firma Trumpf in Ditzingen ein duales Maschinenbau-Studium.
„Es ist ein Glücksfall, dass so viele unserer Kinder in der Firma arbeiten wollen“, stellt Johannes Schimscha fest. Er führt das darauf zurück, dass die Familien der Brüder auch privat enge Beziehungen pflegten. Auch jetzt noch, da die Kinder schon erwachsen sind, gehen die drei Familien immer wieder an Wochenenden gemeinsam campen. Außerdem habe man die Kinder altersgerecht in die Firma integriert. So hatten diese sich mit Ferienjobs ein Zubrot verdient. Jan hatte als Neuntklässler bei einem Praktikum festgestellt, dass er eine Ausbildung im Metallbereich absolvieren will. Und Lilli-Sophie hatte nach dem Abitur keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben machen soll. Ihre freie Zeit nutzte sie, um Corona-Schnelltests in der Firma abzunehmen, zu beaufsichtigen und zu dokumentieren. „Sie hat sich gnadenlos durchgesetzt“, lobt Johannes Schimscha seine Tochter. „Ich habe gemerkt, dass mir der Umgang mit Personal Spaß macht“, sagt die 19-Jährige. Daraufhin entschied sie sich für ein entsprechendes Studium und einen späteren Eintritt in die Firma.
Vater ist schon immer Vorbild
Für Katrin und Dominik war ihr Vater schon immer ein Vorbild. In der Firma sehen sie die Chance, ihre persönlichen Interessen zu verwirklichen. So durfte sich Katrin um einen neuen Außenauftritt von Schimscha kümmern. Das Unternehmen erhielt eine neugestaltete Homepage mit Anfrage-Konfigurator, ein neues Logo und ein Kundenmagazin. Der Mechatroniker Jan kann in der Produktion einspringen und drei Stanzmaschinen sowie den Abkantroboter bedienen.
„Man muss der Jugend den Freiraum geben, sich entfalten zu können“, sagt Johannes Schimscha. „Wir verstehen uns als Mentoren für unsere Kinder.“ Die drei Brüder orientieren sich hier an ihrem Vater. Der habe damals seinen drei Söhnen Verantwortung übertragen und sie machen lassen. „Wenn einer da ist, der alles besser weiß, hat man irgendwann keine Lust mehr.“
Wichtig ist den drei Brüdern, dass ihre potenziellen Nachfolger alle Unternehmensbereiche und Betriebsabläufe kennenlernen. Außerdem legen sie Wert auf ein Gemeinschaftsgefühl und eine gewisse Bodenständigkeit, die sich auch in der Kleidung ausdrücken. Johannes Schimscha trägt Jeans und Polo-Shirt. Die Mitarbeiter wurden mit Arbeitskleidung ausgestattet, auf der der eigene Vorname steht mit dem Zusatz „schafft die Lösung.“ Die monatlichen Gehaltsabrechnungen händigt Johannes Schimscha jedem seiner Mitarbeiter persönlich aus. „Die eineinhalb Stunden nehme ich mir“, erläutert er. „Dadurch kenne ich jeden Mitarbeiter persönlich.“ Auch die potenziellen Nachfolger sollen diese Philosophie leben und nicht nur im Büro sitzen, sondern das Unternehmen mitgestalten.
Werbung neuer Mitarbeiter
Die vier Kinder der Geschäftsführer kümmern sich auch um die Werbung neuer Mitarbeiter, weil sie wegen ihres Alters näher an der Zielgruppe dran sind. Sie sind in sozialen Medien aktiv, drehen pfiffige Kurzvideos, halten Kontakt zu Vereinen undhängen in Bäckereien, Döner-Läden sowie Supermärkten Firmenplakate auf.
Ein Mitarbeitergesuch der Erlenbacher Firma ziert sogar einen Linienbus – auch das war eine Idee der Kinder. Trotz der großen Motivation des Nachwuchses ist Johannes Schimscha klar, dass die Lebensentwürfe der Kinder noch im Fluss sind. „Es ist aber schön, vier Eisen im Feuer zu haben“, sagt er.
Den Rundgang durch die Produktion der Firma überlässt er seinen Kindern und seiner Nichte. Jan erklärt die technischen Abläufe, Katrin und Lilli-Sophie erläutern das Betriebswirtschaftliche und Organisatorische. „Es war schon immer ein Traum von mir, hier zu arbeiten“, sagt Jan. „Wir leben dafür, das Unternehmen weiterzuführen“, ergänzt Lilli-Sophie . „Wir machen das nicht fürs Geld, sondern weil es unser Leben ist.“
Alle drei sind sich der großen Aufgaben mit Fachkräftemangel, Lieferschwierigkeiten und Energiekrise bewusst. „Zusammen als Familie können wir die Herausforderungen meistern.“ Davon ist nicht nur Katrin überzeugt.
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