Haushaltspläne der Stadt Niederstetten

Niederstettener Finanzen: Nur Naber stimmt zu – kompletter Rat enthält sich

Auch mit einer einzigen Pro-Stimme rechtmäßig. Sprecher Klaus Lahr über Arbeit der Bürgermeisterin: Eine „Bilanz des Schreckens“

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Niederstetten. Die gute Nachricht zuerst: Der Niederstettener Gemeinderat hat – mit Verzögerung – den Finanzplan fürs laufende Jahr verabschiedet. Das Einzigartige: Nur Bürgermeisterin Heike Naber stimmte dem Plan zu. Der komplette Rat hat sich enthalten.

Das ist die merkwürdigste Verabschiedung eines Jahres-Finanzplans aller Zeiten: Der ganze Gemeinderat enthält sich bei der Abstimmung über den Haushaltsplan 2023 – doch mit der einen Stimme von Bürgermeisterin Heike Naber gilt der Plan nun als rechtmäßig und „durch“.

Die Enthaltungen: Ein symbolischer Akt für den Gemeinderat einerseits, um das anhaltende Misstrauen gegenüber der Verwaltungschefin aufzuzeigen. Eine Blockade ist das Abstimmungsverhalten des Rats aber nicht, denn man wolle „in weiteren Schritten (...) Stück für Stück zum Wohle unserer Stadt“ entscheiden, hielt Stadtrat Klaus Lahr in seiner Haushaltsrede auch namens der übrigen Stadträte fest.

Deutliche Deckungslücke

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Die Kernthemen und Eckdaten der Finanzplanung 2023 waren bereits in der Sitzung Mitte April beraten worden – samt dem Umstand, dass auch nach dem Ansetzen des Rotstifts etwa bei der Wegeunterhaltung noch eine Deckungslücke von 1,4 Millionen Euro klafft. Hauptgründe: Man müsse mit weniger Gewerbesteuer planen und einem deutlichen Plus bei den Personalkosten. Die schlagen mit rund 4,5 Millionen Euro als „Spitzenausgabe“ (so Kämmerin Stefanie Olkus-Herrmann) zu Buche. Außerdem sei Grunderwerb zu tätigen, u. a. für das geplante Gewerbegebiet beim Ortsteil Adolzhausen. Sie gehe davon aus, dass Kredite entsprechend genehmigt würden, so die Kämmerin.

Bürgermeisterin Heike Naber sagte, dass rund 4,6 Millionen Euro 2023 für örtliche Investitionen vorgesehen seien. Es gelte der Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“. „Ein Ausgleich“ des Haushalts sei heuer „nicht möglich“, man „lebt nicht aus eigenen Einnahmen“. Bei den Eigenbetrieben blieben die Gebühren aber gleich, so die Bürgermeisterin.

Die akut höheren Personalkosten seien auf Entscheidungen vor ihrer Rückkehr im Frühjahr zurückzuführen, so Naber. Es gelte sie wieder „einzudämmen“ und weiter an einer Haushaltskonsolidierung zu arbeiten. Die Kosten im Mitarbeiterbereich sehe sie kritisch, dennoch erhalte das Haushalts-Gesamtwerk insgesamt „selbstverständlich“ ihre Zustimmung. Ein wichtiger Pfeiler des Haushalts sei der Bereich Bildung – Investitionen auf diesem Sektor kämen den örtlichen Kindern und Jugendlichen zugute.

Naber: Keine Projekte angestoßen

Es gehe jetzt darum mögliche Fördertöpfe maximal in Anspruch zu nehmen. Heike Naber später: Es seien „keinerlei Projekte im Haushalt drin, die von meiner Seiten angestoßen wurden“ – die Kämmerin bekräftigte diese Aussage der Bürgermeisterin.

Heftige Kritik aus dem Gemeinderat von Sprecher Klaus Lahr: Er warf der Verwaltungschefin Untätigkeit vor – auch während der Zeit ihrer Dienstenthebung durch das Landratsamt. Vor Haushaltsbeschlüssen müsse eine intensive gemeinschaftliche Debatte stehen. Kennziffern und Zahlen müssten dem Rat „rechtzeitig vorliegen.“ Die Konzepte müsse die Verwaltungsspitze schlüssig vorlegen, damit das Bürgergremium „gewünschte Prioritäten vornehmen kann.“ Der Haushalt 2023 erfülle „diese Kriterien nicht“, er trage nicht die Handschrift des Gemeinderats. Lahr wörtlich: „Ein Kleingartenverein berät wohl seinen Jahresetat ausführlicher“. Schuld an der „nicht im Ansatz (...) notwendigen Form und Intensität“ sei die Bürgermeisterin.

Trotzdem werde man als Rat „weiterhin konstruktiv und mit Nachdruck weiter an den wichtigen Projekten für unsere Stadt arbeiten“ und Projekte durch „hervorragende Zusammenarbeit“ der Listen und mit den Ortsvorstehern „auch umsetzen.“ Man scheue den hohen Aufwand nicht, den dies mit sich bringe. Das „zerrüttete Vertrauen mit der Bürgermeistrerin“ müsse durch konzeptionelle Arbeit kompensiert werden. Es sei der Verdienst des Gemeinderats, dass Projekte trotz „der ganzen Affäre“ jetzt zur Umsetzung gebracht würden.

Lahr nannte vor allem die Sanierung und Ausstattung des Bildungszentrums, mit der man auch 2023 weiter vorankommen wolle, die Reaktivierung des Kindergartens Oberstetten und die Gestaltung der Römergasse.

„Hirschen“: Gewerbe und Wohnen

Auch für das ehemalige Gasthaus „Hirschen“ sei mit einem privaten Investor eine Sanierung angestoßen. Ziel: eine Kombination aus gewerblicher und wohnwirtschaftlicher Nutzung. Man arbeiteinsgesamt „konstruktiv“, auch wenn alles vom „dauerhaften Clinch mit der Bürgermeisterin“ überschattet werde. Die bisherige Ablehnung des Ratsantrags auf Akteneinsicht „und damit auf Transparenz“ wertete Lahr als „Affront“ an die Adresse der Bürgervertreter.

Betrachte er die Bilanz Nabers über die fünf Jahre ihres Bürgermeisterinnen-Mandats, dann könne er nur von einer „Bilanz des Schreckens“ sprechen. Eigener Anspruch und Wirklichkeit klafften „meilenweit auseinander“. Deshalb brauche es auch einen „Neuanfang auf diesem Posten unserer Stadt“. Auch während ihrer (von der Stadt bezahlten) Dienstenthebung sei konzeptionelle Arbeit für sie möglich gewesen. Jetzt sei sie mit leeren Händen zurückgekehrt.

„Vordergründige Betriebsamkeit“

Aktuell sei Heike Naber aus seiner Sicht „wohl die Bürgermeisterin mit den meisten Auftritten bei allen Veranstaltungen“, auch außerhalb der Stadt Niederstetten. Ein „hohes Pensum“ um Präsenz zu zeigen. Davon werde sich aber der Bürger nicht täuschen lassen, es sei nur „vordergründige Betriebsamkeit“.

Ulrich Roth als Sprecher der Mehrheitsfraktion ergänzte: Bei der wiederholt thematisierten Regressforderung gegen die Bürgermeisterin (Hintergrund: „Geplatzte Architektenverträge“) sei wohl „keine außergerichtliche Einigung in Sicht“. Deshalb müsse irgendwann das Landratsamt Main-Tauber den Klageweg beschreiten, um die Forderungen in Höhe von rund 240 000 Euro beizutreiben.

Die Abstimmungsvorlagen wurden im Anschluss für alle Vorlagen (Haushalt, Eigenbetriebe, Gesellschaften, Mittelfristplanungen) von der Bürgermeisterin verlesen. Einzig Heike Naber votierte für die Annahme, der Gemeinderat enthielt sich vollständig.

Nach einer Schrecksekunde die Rückfrage der Verwaltungschefin bei Hauptamtsleiterin Carolin Haas: Enthaltungen wirkten sich insofern nicht aus, als sie quasi nicht zählten. Die Verabschiedung der Planwerke mit nur einer einzigen Pro-Stimme – der Heike Nabers – sei rechtmäßig.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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