Niederstetten. Anklageerhebung gegen Bürgermeisterin Heike Naber: Alle größeren Medien – inklusive Fernsehsender – haben auf die Nachricht der Staatsanwaltschaft Ellwangen reagiert. Die FN-Redaktion hat, bezogen auf Folgen, noch einmal nachgehakt.
Nach jahrelangen, gründlichen Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft in Ellwangen zu dieser Überzeugung gelangt: Bürgermeisterin Heike Naber steht unter dringendem Verdacht, amtliche Ratsprotokolle nachträglich frisiert zu haben (Tatvorwurf: Urkundenfälschung). Weiter soll sie am Gemeinderat vorbei (also ohne rechtlich erforderlichen Beschluss) hunderttausende Euro schwere Verträge im Zusammenhang mit Sanierungsplänen für das örtliche Schulzentrum widerrechtlich abgeschlossen haben (Untreue).
Angenommene Schadensumme: 170.000 Euro
Die angenommene Schadensumme liegt nun offiziell und laut Staatsanwaltschaft bei rund 170.000 Euro. Im Ursprung lag die Summe weitaus höher, konnte aber durch Nachverhandlungen, initiiert durch den Gemeinderat, erheblich verringert werden. In den letztlich erfolgreichen Verhandlungen mit einer Schlichtungsstelle standen damals mit anwaltlicher Vertretung die Stadträte Ulrich Roth und Klaus Lahr in erster Reihe. Der gesamte Niederstettener Gemeinderat hatte dann den Schlichterspruch angenommen.
Was für Folgen hat nun aus Sicht der Stadträte die Anklageerhebung für die Stadt Niederstetten und die Bürgermeisterin?
Heike Naber bemühe sich, ihre Arbeit im Rahthaus zu machen
André Beetz verwies als Sprecher der neuen Gemeinderatsliste „Zukunft Niederstetten“ auf die aktuell noch ausstehende Zulassung der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Ellwangen. Aus seiner Sicht und vor dem Hintergrund der nötigen Haushaltskonsolidierung „haben wir nicht das Geld, um einen weiteren Amtsverweser zu bezahlen“.
Heike Naber bemühe sich aktuell, ihre Arbeit im Rathaus zu machen und das solle sie auch weiter tun. Auch gelte es, ein mögliches Urteil abzuwarten; letztlich habe der Wähler das letzte Wort – nämlich bei einer Neuwahl. 2018 wurde Naber gewählt, die Amtszeit von Bürgermeistern beträgt in Baden-Württemberg acht Jahre.
Anklage gegen Heike Naber: Landratsamt jetzt in der Pflicht?
Ulrich Roth von der AWV hält an der Rücktrittsforderung an die Adresse von Heike Naber mehr denn je fest. Vor dem Hintergrund der Anklage „müsste das Landratsamt die Bürgermeisterin vorläufig suspendieren“.
Roth erklärte zum Ablauf der Anzeigen: Dem Gemeinderat seien die Rechtsmittel der Anzeige einerseits „anwaltlich empfohlen“ worden, andererseits habe man sie auch auf „den Rat von Sachverständigen“ hin eingelegt. Die teilweise in der Bevölkerung kolportierte Lesart einer persönlichen Abneigung einzelner Räte gegen die Bürgermeisterin lässt sich nicht halten – immerhin hat der Gemeinderat auch seine Rücktrittsforderungen einstimmig formuliert.
Roth sieht jetzt das Landratsamt in der Pflicht. Bei einer Verurteilung Nabers seien die Folgen für ihn ohnehin klar. Aufgabe der Behörde sei es zum gegenwärtigen Zeitpunkt, Heike Naber zügig bis zu einem gerichtlichen Urteil abzuberufen.
Vorwürfe gegen Bürgermeisterin gravierend
Ähnlich die Einschätzung von Stadtrat Klaus Lahr (SPD): Die Anklageerhebung zeige, „dass wir auch früher schon den richtigen Weg gegangen sind“. Der Staatsanwalt handle jetzt, weil ein „dringender Tatverdacht“ vorliege. Betrachte man die gravierenden Vorwürfe wie Urkundenfälschung und Untreue durch eine Chefin des Rathauses, dann könne „man Frau Naber nicht im Amt belassen“ – auch wenn für die Verwaltungschefin formal die Unschuldsvermutung gelte. Insgesamt sei die Anklageerhebung auch für die Bürger von Niederstetten „ein wichtiges Signal, dass wir verantwortungsbewusst gehandelt haben“, so Lahr. Schon die erhobenen begründeten Vorwürfe „belasten ein öffentliches Amt“. Naber könne bis zur gerichtlichen Klärung keinesfalls im Rathaus verbleiben, denn die Tatvorwürfe seien „keine Kavaliersdelikte.“
Das schreibt das Landratsamt Main-Tauber-Kreis in einer Stellungnahme: "Zunächst ist es aus unserer Sicht zu begrüßen, dass die Staatsanwaltschaft Ellwangen ihre mehrjährigen Ermittlungen abgeschlossen und über ihr weiteres Vorgehen entschieden hat. Das Landratsamt Main-Tauber-Kreis hatte ein Disziplinarverfahren gegen die Bürgermeisterin eingeleitet, es dann jedoch vorübergehend ausgesetzt, zumindest solange die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wir haben dieses Verfahren von Amts wegen zu führen und können aus rechtlichen Gründen über das hier Mitgeteilte hinaus weder den Ablauf skizzieren noch Zwischenstände mitteilen.
Allgemein kann gesagt werden, dass das Verfahren nun weiterhin ausgesetzt bleibt, weil in dem gerichtlichen Verfahren über Fragen zu entscheiden ist, die für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung sind. Die durch das strafgerichtliche Hauptverfahren zu erwartenden Erkenntnisse und die Entscheidung des Gerichts werden für die Entscheidung im Disziplinarverfahren essenziell sein. Ferner ergibt sich aus den staatsanwaltschaftlichen Feststellungen derzeit keine rechtliche Handhabe, vorläufige Disziplinarmaßnahmen zu erlassen. Wir hoffen auf einen zügigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens mit einer rechtskräftigen Entscheidung, damit im Anschluss das Disziplinarverfahren wieder aufgenommen und ebenfalls abgeschlossen werden kann. An weiteren Auskünften in dieser sensiblen Personalangelegenheit sind wir aus rechtlichen Gründen gehindert", so Pressesprecher Markus Moll auf Anfrage der FN-Redaktion.
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