Niederstetten. „Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Ellwangen gegen die beschuldigte Niederstettener Bürgermeisterin Heike Naber laufen und laufen – und sie scheinen kein Ende zu finden“ – das schrieb die FN-Redaktion schon Anfang des Jahres 2023.
Es ging in diesem Beitrag um strafrechtlich relevante Anzeigen gegen die Bürgermeisterin von Niederstetten, Heike Naber und um den Verdacht auf Fälschung von Ratsprotokollen, möglicherweise eine Urkundenfälschung, und der Untreue (Stichwort „Bildungszentrum/Architektenverträge“).
Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ellwangen ihre Ermittlungen ganz offensichtlich abgeschlossen. Und die Behörde hat bereits am 12. August 2024 „gegen eine Bürgermeisterin aus dem Main-Tauber-Kreis Anklage zum Landgericht Ellwangen erhoben.“
Warum wird in diesem Zusammenhang kein Name genannt und die Öffentlichkeit erst einen Monat später informiert? Da geht es zum einen um (aus Sicht der Anklagebehörde) mögliche schutzwürdige Interessen, die generell keine näheren Auskünfte zur Identifizierung zulässt.
Der Monatszeitraum zwischen Anklage und aktueller Pressemitteilung erklärt sich wiederum aus Fristen, in denen die Anklageschrift den Prozessbeteiligten zugestellt wird. Sie sollen nachvollziehbarerweise nicht aus der Zeitung erfahren, was zunächst sie persönlich angeht.
Dennoch hat der Fall eine große Öffentlichkeitsrelevanz – weil eine Amtsperson zur Anklage steht. Deshalb wiederum die öffentliche Presseerklärung. Kommt es zu einer (sehr wahrscheinlichen) Hauptverhandlung, wird auch diese öffentlich sein. Jeder kann den Prozess besuchen.
Kompetenzen überschritten, hoher Schaden für Kommune
Was wird der betroffenen, jetzt angeklagten Bürgermeisterin zur Last gelegt? Am 27. September 2019 (oder zeitnah danach) soll sie „unberechtigt Änderungen der protokollierten Niederschrift einer Gemeinderatssitzung vorgenommen und hierdurch den Tatbestand der Urkundenfälschung verwirklicht zu haben.“ Die angeklagte Tat liegt also fast fünf Jahre zurück.
„Der weiter gegen sie erhobene Tatvorwurf der Untreue gründet sich darauf, dass die Bürgermeisterin unter Überschreitung ihrer satzungsgemäßen Kompetenzen ohne Beteiligung des Gemeinderats am 30. September 2019 einen Architektenvertrag abgeschlossen und hierdurch der Gemeinde einen Vermögensnachteil von rund 170 000 Euro verursacht haben soll.“
Im Fall Heike Naber folgten die bekannt jahrelangen Ermittlungen. Ausgelöst wurden diese durch Strafanzeigen des örtlichen Gemeinderats. „Das Landgericht Ellwangen hat nun über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden“, heißt es abschließend. Aufgrund von Erfahrungswerten kann das mehrere Monate dauern, weil durchaus mit vielen Prozesstagen zu rechnen ist. In dem Verfahren dürften komplexe Faktoren eine Rolle spielen, denn es geht nicht nur um den Verdacht einer quasi „einfachen Urkundenfälschung“. Die vorgeworfene Tat hat sich wohl in schwierig zu würdigenden verwaltungsrechtlichen Zusammenhängen abgespielt.
Natürlich gilt auch in diesem Fall: Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt die Unschuldsvermutung, aber die Bürgermeisterin ist durch die Anklage „beschwert“. Die Ermittlungsbehörden haben in den vergangenen Jahren sowohl ent- und auch belastende Aspekte zusammengetragen. Erhebt der Staatsanwalt wie jetzt Anklage, geht er mindestens im Ansatz davon aus, dass die Tatvorwürfe auch Substanz haben.
Für die FN-Redaktion war die Niederstettener Bürgermeisterin am Donnerstagnachmittag telefonisch nicht zu erreichen. Gegenüber dem SWR äußerte sich Heike Naber aber schriftlich: „Eine Anklage stellt keine Vorverurteilung dar, sondern den Beginn eines rechtsstaatlichen Verfahrens“, wird Naber zitiert. Sie habe stets im besten Interesse der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger gehandelt, das werde sie im Verfahren klar unter Beweis stellen.
Die Verwaltungschefin will offenbar weiter arbeiten: „Bis zum Abschluss des Verfahrens werde ich meiner Verantwortung als Bürgermeisterin gewissenhaft und mit vollem Engagement nachkommen“.
Verfahren wegen „Türschloss“-Aktion ohne Auflagen eingestellt
Mit dem Fokus Niederstetten hat die FN-Redaktion eine zweite Pressemitteilung erreicht. Sie steht im Zusammenhang mit der vorläufigen Dienstenthebung von Bürgermeisterin Heike Naber durch das Landratsamt Main-Tauber, bzw. einer geplanten Rückkehr von Naber ins Rathaus.
Hintergrund: Ende 2020 wurde Naber für mehrere Monate krank. Am Tag ihrer vorgesehenen Rückkehr im April des Folgejahrs wurden am Rathaus die Schlösser ausgetauscht und so die Bürgermeisterin ausgesperrt. Die Aktion sorgte bundesweit für Schlagzeilen – eine Anzeige gegen die vier damaligen Bürgermeisterstellvertreter folgte.
Jetzt teilen Harald Dietz, Ulrich Roth, Klaus Lahr und Georg Keim (letzterer ist allerdings 2024 nicht mehr zur Wahl angetreten) mit, dass die Verfahren der Staatsanwaltschaft Ellwangen in den gegen sie geführten Ermittlungsverfahren eingestellt worden seien. Das Schloss an der Rathaustür sei von „unbekannter Seite“ ausgetauscht worden, so wird es in einem der Redaktion vorliegenden Anwaltsschreiben formuliert.
Der stellvertretende Bürgermeister Ulrich Roth teilt mit: „Wir sind sehr froh, dass dieses Verfahren gegen uns endlich eingestellt wurde. Wir haben von vorneherein beteuert, dass die Bürgermeisterstellvertreter keine strafrechtliche Verantwortung für die Vorkommnisse tragen und dieses Ergebnis von Beginn an auch erwartet. Da davon auszugehen ist, dass die Staatsanwaltschaft bei einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren nun sehr gründlich ermittelt hat, ist die jetzt erfolgte auflagenfreie Einstellung für uns von besonderer Aussagekraft.“
Es bleibe abzuwarten, ob dieses „sehr deutliche Signal“ auch bei den Behörden, sowie bei vereinzelten Bürgern, welche den Betroffenen zum Teil sehr negativ gesinnt entgegengetreten sind, nun endlich dazu führen werd, ihren bisherigen Umgang mit den ehrenamtlichen Mandatsträgern zu reflektieren.
Bei der Kommunalwahl am 9. Juni 2024 hatten Dietz, Roth und Lahr trotz des laufenden Ermittlungsverfahrens jeweils sogar ihr deutlich bestes Ergebnis ihrer bisherigen Kandidaturen erzielt. Georg Keim trat aus persönlichen Gründen zur Wahl nicht mehr an.
„Wir sehen dieses starke Wählervotum als klares Zeichen des demokratischen Souveräns. Der Bürgerwille ist klar erkennbar und wird auch in den noch anhängigen Verfahren gegen die Bürgermeisterin deutlich zur Sprache kommen“, so die Kommunalpolitiker in ihrer Stellungnahme.
Die große Hoffnung der Bürgermeisterstellvertreter sei nun laut Mitteilung, dass baldmöglichst durch abschließende Entscheidungen auch in den laufenden Verfahren „der Rechtsfrieden in der Stadt wieder hergestellt wird und anschließend der Einsatz durch die Verwaltung und den gesamten Gemeinderat wieder auf eine Zukunftsentwicklung Niederstettens und das Wohl der Einwohnerschaft konzentriert werden kann.“
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