Transporthubschrauberregiment 30 in Niederstetten - Katastrophenhilfe im Ahrtal und im Landratsamt / Afghanistan beendet, neuer Einsatz in Mali/Afrika

Bundeswehr in Niederstetten: Weitere 100 Millionen Euro werden investiert

Im Sommer halfen die Soldaten aus Niederstetten im Ahrtal, in Afghanistan waren und in Mali sind sie im Einsatz. Der Bundeswehrstandort übernimmt vielfältige Aufgaben und deshalb werden weitere 100 Millionen Euro vor Ort investiert.

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Sascha Bickel
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Die Zusammenarbeit mit Bodentruppen ist einer der Schwerpunkte der Niederstettener Transporthubschrauber. Hier bei einer Übung auf dem Standortübungsplatz in Külsheim. © Transporthubschrauberregiment 30/Straub

Niederstetten. Mit Regimentskommandeur Oberst Peter Göhringer führte unsere Redaktion ein ausführliches Interview über bewältigte und neue Herausforderungen.

Auch bei der Bewältigung der Corona-Krise haben die Soldaten aus Niederstetten ihren Beitrag erbracht. . .

Oberst Peter Göhringer: Das stimmt! Bis zum Sommer dieses Jahres waren im Rahmen der Amtshilfe zeitgleich bis zu 40 Soldatinnen und Soldaten zur Kontaktnachverfolgung, zur Unterstützung beim Testen und zur Unterstützen in Alten- und Pflegeeinrichtungen eingesetzt. Unter anderem waren Soldaten dazu im Gesundheitsamt Ost-Alb-Kreis in Aalen und im Gesundheitsamt Main-Tauber-Kreis in Tauberbischofsheim im Einsatz.

Bei den Unwetterkatastrophen im Ahrtal und an anderen Stellen konnte das Transporthubschrauberregiment ebenfalls helfen?

Göhringer: Zunächst einmal war unser SAR-Hubschrauber vom SAR-Kommando Nörvenich als einer der ersten Hubschrauber vor Ort – zwei weitere SAR-Hubschrauber wurden innerhalb weniger Stunden dorthin verlegt. Nur so war es möglich, gleich am ersten Tag dutzende Menschen von Dächern, Balkonen, aus Fenstern und teilweise aus akuter Lebensgefahr inmitten der Fluten mithilfe der Rettungswinde zu bergen und anschließend in Sicherheit zu bringen.

Zwei weitere NH90-Hubschrauber halfen ab dem zweiten Tag bei der Evakuierung von Krankenhäusern, Hotels und Wohneinrichtungen. Noch mehrere Tage danach waren sie für Lastentransporte in unzugängliche Gebiete im Einsatz. Der Hochwassereinsatz in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen war unser intensivster Rettungs- und Hilfseinsatz seit dem Hochwassereinsatz in 2013 im Südosten Bayerns.

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Dieses Jahr erfolgte auch die Ausmusterung der Bell UH-1D: Was wird von den „Teppichklopfern“ am Standort bleiben?

Göhringer: Ja, alles hat seine Zeit. Die Bell hat die Heeresflieger – nicht nur in Niederstetten – maßgeblich geprägt. Gute 50 Jahre war der liebevoll genannte „Teppichklopfer“ das zuverlässige Lastentier unserer Truppe. Es ist schon noch ein guter Anteil an Soldaten und zivilen Mitarbeitern im Regiment vorhanden, die mit der Huey groß geworden sind – wie ich übrigens auch. Mit der Bell waren wir als Verband auch in den ersten Auslandseinsätzen Anfang/Mitte der 1990er Jahre dabei. Bestimmend war hier neben anderen sicherlich der Einsatz auf dem Balkan, speziell von 1999 bis 2011 im Kosovo.

Naja, und als SAR-Hubschrauber haben wir in Deutschland mit ihr viele Leben retten können. Schon durch die Menschen, die an und mit ihr gearbeitet haben, bleibt sie dem Verband im Herzen erhalten. Und wenn man durch die Hauptwache in die Hermann-Köhl-Kaserne einfährt, fällt jedem Besucher unweigerlich eine UH-1D auf einem Sockel stehend ins Auge. Bei dem Anblick werden mit Sicherheit beim einen oder anderen persönliche Erinnerungen, Bilder und dazu gehörende Geschichten hervorgerufen. . .

Die Einführung neuer H145 LUH SAR-Rettungshubschrauber ist vollzogen?

Göhringer: Es war wahrlich keine einfache Aufgabe „im laufenden Geschäft“ einen Waffensystemwechsel unter Beibehaltung der Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft an den drei SAR-Kommandos durchzuführen. Deshalb haben wir diesen Auftrag auch als „Operation am offenen Herzen“ bezeichnet. Mit dem letzten Wechsel von UH-1D auf den LUH SAR (H145) am SAR-Kommando in Holzdorf ist die „Operation“ seit April dieses Jahres zwar beendet, aber wie im richtigen Leben auch, braucht ein Patient nach überstandener Operation doch noch geraume Zeit, bis er wieder in gewohntem Maße seine alte bewährte Form zurückerlangt hat. Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass wir im Bereich von Fähigkeiten mit unserem neuen Hubschrauber, der ohne Zweifel absolute Spitze ist, jetzt dabei sind, diese wieder aufzubauen – zum Beispiel Suchen und Retten im Gebirge. Das braucht einfach Zeit.

© Bundeswehr

Zudem müssen junge Luftrettungsmeister als auch junge Hubschrauberführeroffiziere auf dem neuen Muster ausgebildet und für den SAR-Auftrag qualifiziert werden. Und das wiederum muss alles neben der täglichen 24-Stunden-Bereitschaft an den SAR-Kommandos sichergestellt werden. Ich bin stolz auf die Frauen und Männer unserer SAR-Staffel.

Der Afghanistan-Einsatz ist beendet: Wie geht es den heimgekehrten Soldaten? Was bleibt von diesem Einsatz hängen?

Göhringer: Im Rahmen des Großen Zapfenstreiches am 13. Oktober 2021 haben alle Einsatzveteranen Afghanistan sowie die zahlreichen Soldatinnen und Soldaten, die diesen Einsatz in der Heimat unterstützt haben, durch Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsidenten eine besondere Würdigung erfahren. Das war aus meiner Sicht ein wichtiges Signal!

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Für alle, die in Afghanistan gedient haben, ist es vor dem Hintergrund des 20 Jahre lang dauernden Engagements, der Intensität und der vielfältigen Erfahrungen besonders wichtig, dass wir nicht einfach über das Ende dieses Einsatzes hinweggehen, sondern darüber nachdenken, was dieser lange und äußerst anspruchsvolle Einsatz für uns bedeutet hat. Jeder von uns, der Monate und teilweise Jahre in Afghanistan mit persönlicher Lebenszeit verbracht hat, mag wehmütig und traurig zurückblicken, manche sogar im Zorn, weil ihr persönlicher Einsatz für die dort lebenden Menschen den Fall des Landes an die Taliban nicht verhindern konnte. Angesichts der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan fragen viele berechtigterweise: War es das wert? Waren die Opfer umsonst? Welche Alternativen hätte es gegeben?

Ich denke, dass nach den verheerenden Anschlägen im September 2001 und den schockierenden Bildern, die uns aus den USA erreicht haben, es damals wie heute für uns Deutsche selbstverständlich war, unseren amerikanischen Partnern und Freunden zur Seite zu stehen. So lag unserem militärischen Einsatz an jedem einzelnen Tag von Dezember 2001 bis zum August dieses Jahres ein durch das Parlament begründetes Mandat zugrunde.

Diesen Auftrag haben wir an jedem einzelnen Tag der zurückliegenden 20 Jahre an der Seite von bis zu 85 Partnernationen zuverlässig und nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt und erfüllt. Wir haben damit dafür gesorgt, dass zumindest in dieser Zeit aus Afghanistan ein Export von Terror nicht mehr stattfinden konnte und dem Land vielversprechende Hilfestellung für ein Leben in Frieden und Freiheit gegeben wurde.

Was aus den Saatkörnern wird, die wir hoffentlich in den letzten 20 Jahren gesät haben, werden wir nach unserem Abzug aus der Ferne voller Hoffnung beobachten müssen. . .

Links: Im Frühjahr hat die moderne H 145 LUH SAR (vorne) den betagten, 50 Jahre alten, „Teppichklopfer“ Bell UH-1D als Such- und Rettungshubschrauber abgelöst. Rechts: Derzeit sind vier NH90 im gefährlichen UN-Einsatz in Mali. Die Hubschrauber und Besatzungen kommen aus Niederstetten, Faßberg und Bückeburg. © Transporthubschrauberregiment 30, Straub/Einsatzführungskommando

Blicken wir in die Zukunft: Was tut sich baulich am Standort Niederstetten? Was wird noch investiert?

Göhringer: Insgesamt werden in den nächsten Jahren bis 2028 noch ca. 100 Millionen Euro in den Standort Niederstetten investiert. Die unmittelbar nächsten Projekte werden eine neue Waffenkammer für acht Millionen Euro, neue Unterkunftsgebäude im modernen Wohnstandard für 15 Millionen Euro und eine neue Lagerhalle für Material und persönliche Ausrüstung für ungefähr 18 Millionen Euro sein.

Weitere Großbaustellen sind der Neubau einer neuen Feuerwache und weiterer, moderner Unterkunftsgebäude. Noch im ersten Quartal 2022 wird endlich der lang ersehnte Spatenstich für unser dringend benötigtes Simulatorgebäude NH90 im Bereich der Flugbetriebs GmbH Niederstetten stattfinden. Mit der Errichtung dieses Gebäudes kann dann auch die Verlegung des NH90-Simulators von Holzdorf (Brandenburg) nach Niederstetten erfolgen, so dass zeit- und kostenaufwändige Fahrten für unsere NH90-Piloten nach Holzdorf für das Absolvieren notwendiger Simulatorstunden entfallen werden. Ich hoffe, dass wir im vierten Quartal 2023 so weit sein werden.

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Welche Einsätze sind 2022 und 2023 bereits eingeplant?

Göhringer: Nachdem wir zusammen mit unserem NH90 Schwesterregiment den Adhoc-Abzug aus Afghanistan Mitte dieses Jahres absolviert hatten, haben wir mit wenigen Wochen Verschnaufpause – wiederum zusammen mit unserem Schwesterregiment – vier NH90 nach Mali in Afrika verlegt, um dort mit einem entsprechenden Kontingent den UN-Einsatz Minusma bis 30. Juni 2022 zu unterstützen.

Davon abgesehen liegt unser Hauptaugenmerk nach dem Jahreswechsel 2021/2022 auf einer dreijährigen Bereitschaftsphase für die NATO Response Force, eine schnelle Eingreiftruppe des nordatlantischen Bündnisses, in der wir besonders in 2023 mit sehr kurzfristigen Abrufzeiten konfrontiert sein werden.

Parallel dazu wird die Dauereinsatzaufgabe SAR (Land) in bewährter Manier von der 7./Transporthubschrauberregiment 30 sichergestellt werden.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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