Lauda-Königshofen. Die Bohranlage direkt an der B 290 brummt monoton-leise vor sich hin. An der Spitze des tonnenschweren Kolosses wartet der neue blaue Bohrkopf auf seinen Einsatz. Noch ist er nicht ins Stahlrohr eingefahren. Die Fachmänner justieren leicht nach, damit das Gestänge der 150-Tonnen-Anlage exakt eintauchen kann. Benjamin Krüger, Losmanager beim Bauherr TransnetBW und verantwortlich für diesen Abschnitt der SuedLink-Trasse, sowie Jochen Eidel, Gesamtprojektleiter bei Leonhard Weiß, warten gespannt, bis die Bohrung beginnt.
20 Meter unter dem Flussbett
Seit Anfang Juli sind die Mitarbeiter der niederländischen Firma Van Leuwwen dabei, die Horizontalspülbohrungen (HDD) unter der Tauber vorzubereiten und zu realisieren. Die Spezialisten sind weltweit unterwegs und haben viel Erfahrung. Insgesamt müssen zwei Stromkabel und ein „Bündel“ Steuerungskabel für den SuedLink rund 20 Meter unter dem Flussbett verschwinden – und für jedes Kabel wird ein separates Bohrloch benötigt.
Rund 860 Meter liegen zwischen dem Start an der Tauberaue bei Lauda und dem Zielpunkt am nördlichen Parkplatz an der B 290. Die Tauberunterquerung zählt ebenso wie die Arbeiten am Schüpfbach zu den vorlaufenden Maßnahmen im Zuge der SuedLink-Realisierung. Denn noch ist das Planfeststellungsverfahren für die Stromtrasse zwischen Brunsbüttel und Großgartach nicht abgeschlossen. Damit rechnen die Verantwortlichen im Herbst.

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„Wir bohren von beiden Seiten aufeinander zu“, macht Jochen Eidel von Leonhard Weiß deutlich. Zehn Meter pro Stunde schafft die Anlage im Schnitt. Mittlerweile haben sich die beiden Bohrkanäle getroffen und bilden nun eine durchgehende Röhre. Doch mit einem Durchgang ist es nicht getan. „Nach dieser Pilotbohrung mit einem Durchmesser von rund 250 Millimetern folgen ein oder mehrere Aufweitvorgänge der Röhre auf bis zu 650 Millimeter. Zudem kann ein Reinigungsvorgang nötig werden, abhängig von der Geologie vor Ort.“ Die hatte man zwar bei zahlreichen Erkundungsbohrungen unter die Lupe genommen. Doch vor Überraschungen sei man nie sicher, so TransnetBW-Losmanager Benjamin Krüger.
Aus dem Boden ragt ein riesiges Stahlrohr, das sogenannte Casing-Rohr. Es dient als Schutz, um das Bohrloch in den weichen Bodenschichten stabil zu halten, damit das Lockergestein in den oberen Schichten bei den unterirdischen Arbeiten nicht auf das Bohrgestänge fallen kann. Erst wenn die Felsschicht erreicht ist, kann man darauf verzichten. Gleichzeitig hat das Rohr noch eine andere wichtige Aufgabe: Eine Spülbohrung benötigt jede Menge Wasser, das nicht in den Untergrund entweichen darf.
Punktgenau steuern
Im großen Rohr liegt ein weiteres, kleineres Rohr, das Incasing, das als Führung für das Bohrgestänge im Casing dient. „So kann man den Bohrer besser einziehen und er verkantet nicht“, wie Fachbauleiter Andreas Dietze erläutert. Er zeigt auf den Mudmotor, der in der Nähe des Rollenmeißels einen leichten Knick aufweist. „Damit ist das Steuern möglich.“ Das funktioniert über einen Sender, der im Mudmotor verbaut ist. Per Joystick kann der Mitarbeiter in seinem voll ausgestatteten Container mit den Messinstrumenten millimetergenau justieren und sehen, wo sich der Bohrer befindet.
Nach 110 Metern Länge ab dem Eintauchen des Bohrkopfs beginnt die eigentliche Spülbohrung. Dazu wird Wasser in die Röhre gepumpt, das den sich permanent drehenden Rollmeißel antreibt. Eine hydraulische Schnecke fördert das ausgebrochene Gestein zusammen mit dem Spülwasser wieder zu Tage. Der graue Schlamm und die Gesteinsbrocken werden in einem kleinen Becken aufgefangen.
„Die Spülung wird dann in die Recyclinganlage geleitet“, wie Dietze weiter erklärt. Über Filter und Siebe wird die Körnung sortiert, das Wasser anschließend gereinigt und wieder in den Kreislauf gebracht. „Es sollen so wenig Ressourcen wie möglich verbraucht werden“, ergänzt Benjamin Krüger. Das kleinere Gestein wieder ebenfalls wiederverwertet, während die Grobteile, das sogenannte Cutting, nach einer Beprobung in eine Bodenaufbereitungsanlage wandern.
Für diese HDD-Arbeiten muss Trinkwasser genutzt und per Tanklaster angefahren werden, weil „wir in einem Wasserschutzgebiet sind“, so Jochen Eidel. Das seien die Vorgaben der Behörden. Außerhalb der Schutzzone könnten Flüsse als Wasserlieferant herangezogen werden. Beim Wasser sind die Verantwortlichen besonders sensibel, liegen im Umkreis der Bohrlöcher doch einige Brunnen der Wasserversorgung Mittlere Tauber und der Distelhäuser Brauerei.
„Ausbläser“ im Blick
Mit einer Drohne wird stündlich rund um die Bohrung überprüft, dass sich kein „Ausbläser“ eingeschlichen hat. So nennen die Fachleute Wasseraustritte aus dem Spülbohrverfahren, die an die Oberfläche gelangen. Auf einem Feld oder auf Wegen sind sie „nicht schön“, aber nicht so schlimm. Vermeidbar sind solche Havarien nicht, doch die Crew ist vorbereitet. Sandsäcke und Strohballen stehen bereit, um das Wasser im Ernstfall einzudämmen. Problematisch werde es, wenn der graue zähe Matsch in ein Gewässer fließt, erklärt Matthias Kupke. Er ist die Schnittstelle zwischen Bauunternehmen und Landwirten. Bei der Unterquerung des Schüpfbachs hatte man viel Glück. Der „Ausbläser“ trat 300 Meter von der Bohrung entfernt an einem Weg auf.
Der Suedlink
„SuedLink“ ist mit einer Länge von rund 700 Kilometern und einer Investitionssumme von zehn Milliarden Euro eines der größten Infrastrukturvorhaben der Energiewende. Er soll ab Ende 2028 als Gleichstrom-Erdkabelverbindung die windreichen Regionen Norddeutschlands mit Bayern und Baden-Württemberg verbinden.
Im Herbst soll der Planfeststellungsbeschluss erfolgen. Ab da besteht Baurecht zwischen Großrinderfeld und Bad Friedrichshall. Vorgezogene Baumaßnahmen hat die Bundesnetzagentur schon im Vorfeld genehmigt. Dabei handelt es sich um einzelne aufwändige geschlossene Querungen, sogenannte Horizontalspülbohrungen, etwa am Schüpfbach oder an der Tauber. dib
Doch nicht immer kommt das Wasser wieder aus dem Boden. „Wir sind in einem anspruchsvollen Boden mit Karstgefährdung. Wenn ein Ausbläser in eine unterirdische Höhle austritt, merkt man das über den Druckabfall im Bohrkanal“, so Krüger. Die Maschinenführer könnten ganz genau sagen, wie der Druck an welcher Stelle im Bohrloch sein müsste, ergänzt Dietze.
Die zweite Bohranlage mit rund 70 Tonnen Eigengewicht steht an der Tauberaue, direkt am Radweg. Mit 300 Tonnen Zugkraft hat sie das Doppelte aufzubieten wie ihre kleine Schwester. Das muss sie auch, denn wenn die Röhren verbunden und aufgeweitet sind, werden die Kabelschutzrohre aus Stahl eingezogen. „Dafür haben wir eigentlich nur einen Versuch, die Arbeiten müssen in einem Rutsch erfolgen. Bei einem Stillstand kann der Bohrkanal zusammenfallen“, macht Dietze die Problematik deutlich. Das Stahlrohr wird langsam, aber stetig durch den Hohlraum gezogen, bis die 860 Meter überwunden sind und es am Südpunkt wieder zu Tage treten kann.
Erst dann kann die Maschine versetzt werden und die Vorbereitungen für die Bohrung des nächsten Kabels können starten. Jeweils zwölf Meter liegen die einzelnen Kabel auseinander. „Deshalb macht es die Sache auch so langwierig“, betonen die Fachleute von Leonhard Weiß. Und was in diesem speziellen Fall noch verschärfend wirkt: Nach der Tauber kommt die Bahnlinie, die ebenfalls unterquert werden muss. Damit soll im Januar begonnen werden – wenn alles gut läuft.
Die Fahrzeuge mit den Wassertanks müssen nicht mehr über Distelhausen, sondern können seit August die Route über die Bahnbrücke bei Lauda nehmen. Die wurde mit einer „Brücke-über-die-Brücke-Konstruktion“ für 40-Tonnen-Lkw ertüchtigt. „Die Brückenbauer von Leonhard Weiß haben sich übertroffen“, loben Krüger und Eidel die Planung und Ausführung, die schnell erfolgen musste. Denn die Statik der Eisenbahnbrücke ist nicht für solch schwere Lasten ausgelegt.
Brücke über die Brücke
Nun wurde als Behelfsbrücke eine Stahlbetonkonstruktion errichtet, die das eigentliche Bauwerk überspannt, nicht aber damit verbunden ist. Krüger verweist ausdrücklich auf die konstruktive Zusammenarbeit mit der Bahn sowie den Städten Tauberbischofsheim und Lauda-Königshofen während der gesamten Planungs- und Bauphase.
Radweg bleibt gesperrt
Für die weiteren Arbeiten an der Tauberaue bleibt der Radweg voraussichtlich noch bis Ende 2025 gesperrt. Bauherr TransnetBW und Baufirma Leonhard Weiß appellieren an die Vernunft der Radfahrer, die Schilder zu berücksichtigen und die Umleitungsstrecke auf der anderen Tauberseite zu nutzen. „Es geht um die Sicherheit der Radfahrer und der Mitarbeitenden vor Ort.“ Neben dem Baustellenverkehr gebe es dort auch Ernteverkehr, macht Matthias Kupke deutlich, dass es schon mehrfach zu Beinahe-Unfällen mit Radfahrern gekommen sei. Mögliche „Ausweichrouten“ seien den Bewirtschaftern der Felder vorbehalten. „Wir wollen den Radweg so schnell wie möglich wieder öffnen“, gibt Benjamin Krüger die Zielrichtung vor. Allerdings müsse er so lange gesperrt bleiben, wie Baustellenverkehr herrscht. Denn die Firmen arbeiteten oft auch am Wochenende.
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